Kapitel 7.11 - Eine zerstörte Hoffnung

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Alec wachte auf und fühlte den warmen weichen Körper neben sich. Leise drehte er sich um und drückte sich an sie. Langsam öffnete er seine Augen und blinzelte in den hellen Lichtschein der Sonne. Roses Locken waren auf dem ganzen Kissen verteilt und sie hatte sich wie eine Katze in den Laken zusammengerollt. Er hörte ihre tiefen Atemzüge und wusste, dass sie noch weit vom Aufwachen entfernt sein musste. Er stahl sich aus dem Bett und ging zur Tür. Gestern hatte er Molly gebeten ein Frühstückstablett vor sein Gemach zu stellen und kaum hatte er die Tür einen Spalt geöffnet, sah er es. Emil hatte sich wohl selbst übertroffen. Das Tablett war voll mit Speck, Eiern und Würstchen. Dazu kleine weisse Brötchen und süsses Gebäck. Das heisse braune Gebräu stand in einer Kanne aus Porzellan auf einem weiteren Tablett. Alec stellte alles auf den Nachttisch neben seinem Himmelbett. Er setzte sich auf ihrer Seite auf den Bettrand und betrachtete sie. Es musste wohl eine reine Wohltat für sie sein, nicht so früh aufstehen zu müssen. Sie lag auf ihrer linken Seite und ihre Hände lagen, als Fäuste geballt, neben ihr auf der Matratze. Er goss sich eine Tasse Kaffee ein und fuhr mit seiner Beobachtung fort. Das Gefühl, dass er nicht alles über sie wusste und sie ein Geheimnis hatte, kam wieder in ihm auf. Er war immer noch davon überzeugt, dass sie keine Spionin war, doch kamen ihm einige Zweifel an ihrer Person. Sie mochte wohl die eigenartigste Dienstmagd sein, die er je getroffen hatte. Es gab einige Ungereimtheiten. Dinge, die nicht zusammen passten. Da war einmal die Tatsache, dass sie lesen konnte. Natürlich es gab einige Dienstboten oder Händler, die es erlernt hatten und dann ihren Kindern weitergaben. Aber auch die Art, wie sie sich bewegte und ausdrückte, war nicht die Eigentliche eines Dienstboten. Ebenfalls hatte sie zwar die Hände einer Arbeiterin, aber ihr Haar und der Rest ihrer Haut waren ziemlich gepflegt und passten auch weniger in das Bild einer Dienstmagd. Ausserdem, wo hatte sie gelernt wie man eine Volta tanzt? Dies war wohl die bisher verwirrendste Eigenschaft. Er spielte mit dem Gedanken gewisse Recherchen über sie in Erfahrung zu bringen.
„Was beschäftigt deinen Geist wieder so sehr, dass du einen solch ernsten Gesichtsausdruck aufsetzen musst?" hörte er ihre Stimme vom Bett her. Er stand von dem Stuhl auf, auf den er sich mit der Tasse gesetzt hatte und schritt zu ihr
„Ich kann dir nicht alles erzählen was in mir vorgeht". Er reichte ihr die Tasse und sie setzte sich auf
„Es tut mir leid, wenn... wenn ich zu neugierig war" antwortete sie und nahm einen Schluck.
„Das bist du nicht... nur ist noch nicht der Zeitpunkt da, in dem ich dir alles erzählen kann" sagte er milde.
„Wie spät ist es?" sagte sie nach einer Weile „Oje, ich habe schon wieder den Appell verpasst. Langsam wird es auffallen" meinte Rose besorgt als sie aus dem Bett kroch. Doch Alec hielt sie zurück
„Verlass mich noch nicht Rose... du kannst später den anderen zu Hilfe kommen" und er küsste sie. Allerdings wand sie sich aus seiner zärtlichen Umarmung
„Mylord" sagte sie betont „Heute ist der letzte Tag des Festes deiner Stiefmutter... und da braucht Molly alle Hände, die sie kriegen kann". Sie lächelte und küsste ihn auf die Wange. Hastig glitt sie durch das Zimmer und sammelte ihre Kleidungsstücke auf.
„Aber sieh nur" er deute auf das Tablett „Ich wollte einen gemütlichen Morgen mit dir". Sie blickte auf und begann die Knebelknöpfe ihres Hemdes zu verschliessen. Dann lief sie schnellen Schrittes ins Ankleidezimmer und kam wieder hinaus
„Wo ist... mein Mieder?" fragte sie ernstlich besorgt. Alec hielt seine Faust hoch in der er das Mieder umschlossen fest hielt. Sie kam langsam auf ihn zu. „Ich brauche es" meinte sie und versuchte danach zu greifen.
„Küss mich und es wird deines sein" sagte er und spitzte seine Lippen. Sie hüpfte in die Luft, vermochte es aber nicht zu fassen
„Es ist bereits meines" sagte sie lachend und küsste ihn dann sinnlich auf die Lippen. Genau so einen Kuss hatte er gewollte, doch dass sie gehen wollte, konnte er nicht akzeptieren. Er zögerte den Kuss so lange er konnte hinaus und fühlte, wie sich seine Männlichkeit erneut an die Innenwand seiner Hose presste. Auch sie musste es gespürt haben. „Alexander... ich kann nicht... nicht jetzt". Sie zog ihm ihr Mieder aus der Hand und schnürte es rasch zu. Sie küsste ihn noch einmal und ging dann zur Tür. Erst hielt sie den Kopf daran um zu lauschen und als sie überzeugt war, dass niemand sich im Gang befand schlüpfte sie, mit einem letzten Blick auf ihn, in den Flur.
Der letzte Festtag seiner Stiefmutter verging Ereignislos. Am Tag liessen sich die Ladies zu einem Picknick nieder und die meisten Herren gingen noch ein letztes Mal auf die Fasanenjagd. Alec blieb auch dieses Mal fern, da er damit rechnete, dass seine Anwesenheit für die Teilnehmer eine Gefahr darstellen könnte und dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Alec schritt alleine durch die Wiese und grüsste einige Bekannte. Thomas hatte sich ins Arbeitszimmer zurückgezogen. Er hätte noch einiges zu erledigen, meinte er zu Alec. Als Alec am Rande der Picknickgesellschaft stand, sah er zu dem kleinen See. Dort sass alleine eine Dame auf der Wiese. Es musste Penelope sein und Alec schritt geradewegs auf sie zu. Er schien sie überrascht zu haben, denn als er sie erreicht hatte, blickte sie in eine andere Richtung.
„Guten Tag Penny" sagte Alec und wollte näher an sie treten.
„Wenn du einen Schritt näher kommst Alexander, dann schwöre ich dir, kratze ich deine Augen aus" sagte sie und Alec hörte, wie sie ein Schluchzen unterdrückte.
„Penny... bitte... wir sind doch enge Freunde. Lass mich... helfen". Sie blickte noch eine Weile stur in die andere Richtung und drehte sich dann zu ihm um. Alec sah ihre geröteten Augen und Wangen. Der Missmut stieg in ihm an und er erwiderte „Rickard". Doch Pennys Augen funkelten ihn böse an
„Alec, wenn du ein Wort darüber verlierst... ich verspreche dir" doch Alec schnitt ihr das Wort ab
„Penny... ich bitte dich. Du weisst, dass ich auf deiner Seite bin. Was ist geschehen?" fragte er schon fast mit einem schlechten Gewissen. Sie faltete ihre Hände in ihrem Schoss und blickte auf sie hinab
„Nichts Alec. Ich bin selbst schuld. Ich bin nur froh, wenn wir abreisen können und ich mein Leben weiter so leben kann, wie ich es mag"
„Penny ich weiss nicht was ich sagen kann, um dir den Schmerz zu nehmen. Mein Bruder ist ein galoot(4) und hat dich nicht im Geringsten verdient". Penelope schmunzelte und blickte ihn an
„Ach Alec... ich dachte, er wäre so weit und ich bräuchte keine unzivilisierte Unterhaltung mehr. Doch ich habe mich geirrt... nur es tut... weh!" sagte sie und wollte ihren Blick wieder abwenden, doch Alec setzte sich neben sie und nahm sie in den Arm. Er würde sich Rickard, sobald die Gäste weggereist wären, zur Brust nehmen. Wie konnte er ihr nur Hoffnung machen und sie dann mit ihrem Schmerz alleine lassen. Penny hatte etwas Besseres als seinen Bruder verdient und das würde er ihm auch klar machen. Sie enthüllte jedoch keine weiteren Details gegenüber ihm und er beliess es dabei. Doch er war sich sicher, dass Penny die Geschichte mit der Witwe Devonport bereits gehört hatte. Er blieb den Nachmittag über mit Penny am See, bis sie sich für den Abend einkleiden mussten.


(4) Dummkopf

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt