Kapitel 5.2 - Thomas Jackson

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Ω

Er hatte keine Gelegenheit gefunden, seit dem Streit mit Elaine, bei der er sich mit ihr hätte aussprechen können. Zudem hatte sie alle Annäherungen, die er freundschaftlich unternommen hatte, abgewehrt. Er wusste mittlerweile schon gar nicht mehr, wie er sich entschuldigen sollte, da einige Zeit vergangen war. Nur eines war ihm nach dem heutigen Abend bewusst, Elaine würde keinen Schritt auf ihn zugehen, er musste sich bei ihr Entschuldigen. Er war überrascht gewesen, als er die Dienstmagd seiner Begierde heute Abend gesehen hatte. Sie hatte sich ertappt gefühlt. Hatte sie in vollem Bewusstsein gelauscht? Oder wusste sie etwas über Elaine? Er schmunzelte bei der Erinnerung ihres rotwerdens. Sein Bruder Rickard stand auf
„Ja dann weisst du, was du zu tun hast. Entschuldige dich bei ihr und erklär ihr, dass du ein Idiot bist" lachte Rickard und ging aus dem Festsaal. Ja und das würde er jetzt wohl tun, so hätte ihr Schweigen endlich ein Ende. Er trank noch ein Glas Wein und ging dann in die Richtung von Elaines Gemächern, als Carson ihm entgegenkam.
„Mylord soeben ist ein Offizier namens Jackson eingetroffen. Er verlangt euch zu sehen". Alec hielt inne, Jackson hatte er vollkommen vergessen! Er musste wissen, welche Neuigkeiten er mitbrachte und wie es in Carlisle zurecht ginge. Er müsste sich später um Elaine kümmern.
„Lassen sie bitte ein gutes Zimmer herrichten und eine Wanne. Mein Freund bleibt einige Zeit bei uns. Ich will, dass er sich wohlfühlt". Damit drehte er sich auf dem Absatz um und ging in die Haupthalle. Endlich war er gekommen. Seit er hier war, hatte er ausschliesslich in schriftlichen Kontakt mit ihm gestanden. Zuvor waren sie Seite an Seite für ihren König in die Schlacht gezogen. Thomas Jackson war einer der wenigen Menschen, denen er absolut blind vertraute. Er gehörte nicht zur Peerage, sein Vater war Bäcker und er war in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Er hätte sich keinen besseren Vertrauten an seiner Seite wünschen können. Jackson hatte sich immer um ihn gekümmert. Er war seine Augen und Ohren, er führte solide seine Männer und Alec erfuhr durch ihn die Strategien der Gegner. Sie hatten in den wildesten und grausamsten Schlachten nebeneinander gekämpft. Nur dank ihm, und natürlich da im Moment das Königreich nicht im Krieg stand, konnte er hier nach Surrey reisen und die Angelegenheiten seines Vaters erledigen. „Jackson! Endlich... es kommt mir vor, als wäre eine Ewigkeit vergangen" die beiden umarmten sich und klopften sich auf die Schulter.
„Alec! Es ist auch eine Ewigkeit her! Du siehst..." er zögerte. Alec grinste ihn an
„Ja, das Haus meines Vaters... fühl dich, wie Zuhause. Willst du etwas essen? Oder trinken? Ich habe auch eine Wanne und ein Zimmer für dich bereitstellen lassen"
„Ein ordentlicher Whisky, später die Wanne und ein Bett... mit einer bezaubernden Unterhaltung, dazu sage ich nicht nein!!" grölte Jackson.
„Derselbe Bastard, wie eh und je! Lass uns doch ins Arbeitszimmer gehen, dort sind wir ungestört". Sie witzelten und stiegen die Treppe hinauf in den ersten Stock. Im Arbeitszimmer nahm de Warenne zwei Gläser und stellte sie auf den Tisch, goss den Whisky grosszügig ein und sie setzten sich in die Sessel beim Arbeitstisch. Alec nahm hinter ihm Platz und Jackson davor. „Was gibt es Neues Jackson?". Sofort verdüsterte sich sein Blick
„Der König hat noch nicht genug. Hast du meine Nachricht erhalten?" Alec nickte nur, wollte ihn aber nicht unterbrechen „Unser König will noch mehr. Es reicht ihm nicht, dass sein Vater ihm eine volle Staatskasse hinterliess, als er vor drei Jahren starb. Er ist absolut nicht an einem Frieden mit den Schotten interessiert, das ist mir nun völlig klar... und nicht nur mir Alec, auch einigen anderen. Die kleinen Gebietsstreitigkeiten sind nur eine Ablenkung. Er will ganz Schottland sein nennen und vor allem scheint mir, er will die Schotten leiden lassen". Er schnaubte und fuhr fort „Er lässt uns immer wieder Nachrichten zukommen mit der Forderung mehr Männer herzuschaffen und was als nächstes zu tun sei". Alec nickte wissend und lehnte in seinem Sessel zurück. „Bis jetzt stellen wir die Infrastruktur zusammen und bereiten uns sachte auf eine Gefechtsstellung an der Grenze zu den Lowlands vor. Man rüstet bedächtig auf... ich denke einige der Peers glauben oder hoffen, dass es nur darum geht Stärke zu zeigen, aber ein Krieg zuletzt verhindert wird". Jackson lachte verbittert auf „Aber die Schotten sind nicht dumm... sie fühlen, dass etwas vor sich geht". Jackson lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Es sieht nicht so aus, als hätte der junge König das Wesen seines Vaters geerbt. Ich denke, wir werden ihn erst jetzt richtig kennenlernen Alec... und ich bezweifle, dass dir gefällt was du sehen wirst". Er schwenkte den Whisky bedächtig in seinem Glas. „Ausserdem munkeln gewisse Informanten, dass der König einen schottischen Spion hat, der ihm alles direkt aus den Ratssitzungen der Clans berichtet. Wie viel Wahrheit dahinter steckt, weiss ich nicht". Eine längere Pause folgte, beide schienen in ihre Gedanken vertieft. „Es geht nicht mehr um eine Verteidigung an sich Alec, er will Schottland haben und den Schotten zeigen, dass es nur einen König auf dieser Insel geben kann... ihn". Zum ersten Mal sprach nun Alexander
„Wie viele der Peers haben eine Abneigung gegen diesen Krieg?" Jackson blickte Alec lange an
„Hmm... ich weiss nicht... vielleicht zwei oder drei? Natürlich vor allem jene die näher an der Grenze sind und Verwandtschaft in Schottland haben. Bei einem Krieg hätten sie die grössten Verluste". Jackson stand auf und ging im Arbeitszimmer auf und ab. „Ich kann einige meiner Kontaktmänner damit beauftragen jene Lords auf zu suchen, die ein Massaker im schlimmsten Fall verhindern würden". Alexander überlegte einen Moment
„Tu das. Ich muss wissen, wem ich im Falle eines Krieges trauen kann. Ich werde versuchen den Einfluss den ich glaube möglicherweise bei dem jungen König zu haben zu nutzen, damit er unsere Truppen an vorderster Front platziert. Vielleicht, aber nur vielleicht haben wir so die Möglichkeit das Brandschatzen und Morden so gut es geht zu begrenzen, verhindern werden wir es niemals... Du weisst Jackson, ich diene Vaterland und König, doch werde ich meine Hände nicht im Blut der Unschuldigen waschen". Er machte eine Pause und fragte dann „Abgesehen von diesem schottischen Spion, wer hat sonst noch Einfluss auf den König?"
„Du hast die Gerüchte also auch gehört?" fragte Jackson und ohne eine Antwort zu erwarten fuhr er fort „So wie mir zu Ohren gekommen ist, sind seine Berater de facto ausser Gefecht. Einige der hohen Würdenträger am Hofe sind darüber gar nicht glücklich. Man erzählt sich, dass der König mehrheitlich autonom handelt, soweit wie es seine Kompetenz erlaubt. Und im kleinen Rat wird angeblich auch heftig darüber diskutiert". Alec hob interessiert eine Augenbraue
„Tatsächlich? Und woher weisst du das?" schmunzelte er. Jackson zuckte lässig mit den Schultern
„Du weisst, dass ich meine Quellen habe. Selbst die geheimsten Dinge kann ich in Erfahrung bringen". Alec lächelte und schüttelte den Kopf
„Je mehr wir wissen, desto geschickter können wir vorgehen" meinte er etwas ernster und sah seinen Freund an. Jackson nickte
„Ich werde meine Augen und Ohren offenhalten. Aber nun zum wichtigsten Grund, wieso ich hier bin". Jackson zog einen zerknitterten Umschlag aus seiner Hemdtasche „Dies ist ein Brief des Königs direkt an dich". Alec brach das Siegel und sah die Fahne Englands und dann in blutroter Schrift

To the Right Honourable, The Fourth Earl of Cumberland, The First Viscount Blackheat

Geehrter Lord, Earl of Cumberland, rechtmässiger Erbe Earl of Surrey
Verbündeter unseres Königreichs Britannien
Euer König verlangt eure Anwesenheit bei der Ratssitzung im Tower of London.
Für eine Woche wird eure Anwesenheit im Tower am zweiten Samstag im März erwartet.

Signatur
Henry VIII
Your Majesty
Diktiert


Alec sah auf und blickte Jackson in die Augen
„Eine Ratssitzung... das bedeutet wir benötigen Strategien und Pläne, wie wir vorgehen sollen". De Warenne übergab ihm den Brief. Jackson überflog ihn. „Der Krieg wird kommen, dass ist gewiss. Die Frage ist nur wie bald schon. Das Bataillon, welches ich dir im Frühjahr geschickt habe, wie weit sind sie mit der Ausbildung?"
„Ich vermute stark, dass es keinen Krieg vor dem Sommer geben wird. Das wäre strategisch und technisch schwierig und egal was man von König Henry halten mag, ist er schlau wie ein Fuchs. Und bis dahin sind unsere Männer bereit und fertig ausgebildet. Gleich morgen sende ich einen Boten nach Carlisle, um die Offiziere davon in Kenntnis zu setzen und diejenigen Soldaten nach Hause zu schicken, die eine Familie haben, damit sie danach für einen Krieg bereit sind"
„Ich weiss immer, dass ich mich auf deinen Kopf verlassen kann" schmunzelte Alec. Sie verfielen wieder in nachdenkliches Schweigen. Thomas unterbrach es erneut
„Ich bin überzeugt, dass wir auf harten Widerstand treffen werden. Auch wenn die Clans verfeindet sein sollten und wir einen schottischen Spion haben, so werden wir Engländer nur eine geringe Chance haben". Alec sah ihn an
„Das auf jeden Fall, jedoch gibt es einige Schotten, die ihre Mutter für etwas Geld an uns verraten würden. Und ich vermute Henry könnte genau auf diese Schotten setzen... Nur ein paar mächtigere Clanchefs, die nach mehr Macht streben, könnten unsere Seite begünstigen"
„Meinst du..., dass wir sie mit leeren Versprechen ködern können?! Niemals!" meinte Jackson besorgt. Alec lehnte sich nach hinten und umschloss sein Glas mit beiden Händen
„Nein... ich denke, dass der König uns deshalb einlädt, um über eine Strategie zu sprechen. Er würde ungern wollen, dass sich die erkauften Schotten wieder auf die andere Seite stellen, wenn der Krieg begonnen hat. Aber das sind bloss Spekulationen... aber ich bin überzeugt, dass er ihnen weder Gold noch Silber geben wird". Beide sahen sich an, nein das würde Henry nie tun und schon gar nicht für dieses Gesindel namens Schotten. Er betrachtete sie als Halbwilde ohne Ehre und Rückgrat. Alec dachte an das letzte Treffen mit dem König bevor er nach Surrey musste. Der Sohn hatte wissen wollen, wieso er einer der wichtigsten Kämpfer seines Vaters gewesen war und als Lohn gar einen der begehrtesten Titel erhalten hatte. Nur einige Monate vor dem Tod von König Henry VII hatte er ihm diesen Titel übergeben. Es war eine Auszeichnung gewesen für all die Dienste, die er erfüllt hatte. Für all die Siege, die er für England hier und im Ausland errungen hatte. Henry VIII hatte wissen wollen, ob er dies tatsächlich wert war. Alec hatte von Anfang an vermutet, dass es dem jungen König auch darum gegangen war zu erfahren, ob er auch ihm treu dienen würde, weil die gesamte Peerage im Hofe gewusst hatte, wie sehr Henry VII Alec geschätzt und vertraut hatte. Es war schon beim Machtwechsel klar gewesen, dass der Sohn eine ganz andere Vorstellung im Amt des Königs vertrat, als sein Vater vor ihm. Aber Alec war sich seiner Pflicht bewusst. Er diente England und wer immer auch als König eingesetzt war, er hatte seine Aufgabe zu erfüllen. Der neue König hatte ihm in Aussicht gestellt, dass wenn er England und ihm genauso nutzvoll wäre, er einen höheren Titel, wie den eines Marquess erhalten würde. Dieser Titel war auch mit der strategisch günstigen Heirat verbunden... In ihm stieg ein Bild empor von einer wilden dunkelhaarigen Schönen... ihre grünen Augen funkelten ihn erregt an, dann verblasste das Bild. Eine blonde Göttin, die sich wie ein Hermelin an ihn heranpirschte tauchte auf... Ophelia Brandon, die Tochter des Viscount of Suffolk. Sie könnte diesen Platz ausfüllen. Sie war tadellos, bis jetzt eine der besten Partien. Thomas grinste
„An was denkst du? Du siehst aus als hättest du gerade eine ganz saftige Beute erblickt". Alec erhob sich aus dem Sessel
„Ich denke," grinste Alec „dass es Zeit ist unsere Gemächer aufzusuchen". Und er schob Jackson aus dem Arbeitszimmer.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt