Ω
Als er vor ihr gestanden hatte, hatte sich ihr Herzschlag beschleunigt. Dieser Engländer war verwirrend gutaussehend und einnehmend! Als er nichts erwidert hatte, wurde sie nervös. Sie war angewurzelt stehen geblieben und als er einen Schritt auf sie zu machte, konnte sie nur in seine dunklen Augen blicken, die sie so sehr fesselten. Seine grosse harte Hand hatte unglaublich sanft an ihrer Wange entlang gestrichen. In ihren kühnsten Träumen hätte sie sich nicht vorstellen können, dass dieser Hüne so zärtlich sein könnte. Sie hatte etwas entgegnen wollen, doch es war zu spät. Seine weichen Lippen hatten die Ihren berührt und sie war gefangen. Isabella, mahnte sie sich selbst, du solltest ihn aufhalten! Doch als er seine Zunge über ihre Lippen gleiten liess, öffnete sich ihr Mund von alleine und hiess ihn willkommen. Was würde jetzt nur ihre Anstandsdame entgegnen?! Sie würde sie, ob diesem sündigen Verhalten schelten und es ihrem Onkel kundtun. Dieser würde sie ohne zu zögern hart betrafen, wenn nicht gar einsperren lassen! Aber sie war jetzt weit weg von seinem Einfluss und musste sich auch nicht mehr vor seinem Jähzorn fürchten. Ganz selbstverständlich schlossen sich ihre Lieder und sie liess ihre Vorsicht sinken. Ihre Hände gehorchten ihr nicht mehr, sie legten sich behutsam auf seine Brust. Seine Muskeln waren angespannt und hart. Sie konnte ihre Finger spreizen und hatte noch nicht einmal einen Teil seines abenteuerlichen Oberkörpers erkundet. Sie liess forsch ihre Hände über seine muskulösen Formen gleiten. Er indes verstärkte seine Umarmung, in der sie gefangen schien. Sie konnte sich nicht erinnern, wie lange sie dagestanden hatten, aber plötzlich erzitterte die Bibliothekstür und die grossen Flügeltüren schlugen auf. Der seidenweiche Traum zerplatzte und Isabella stiess den Lord von sich, während sie sich hastig mit dem Handrücken über ihren Mund wischte. Was war soeben vorgefallen? Was hatte sie getan?! Ihr Blick flog zu der Tür. Eine erstaunte Amelia stand auf der anderen Seite der Bibliothek. Isabella sah, wie Amelia neugierig und mit einem hochroten Kopf von einem zum anderen blickte, doch sie wagte es nicht eine von ihren Tiraden in der Anwesenheit des Lords los zu lassen. Isabella fühlte, wie eine zarte Röte in ihr Gesicht schoss. Ihre Verwirrung war endlos und nur allmählich kehrte ihr Verstand zurück. Sie warf ihm einen hastigen Blick zu. Und zum ersten Mal sah sie ein verschmitztes Lächeln in seinem ernsten Gesicht. Es liess ihn um Jahre jünger und sorgenfreier aussehen... aber Isabella wusste, was für ein Lächeln das war! Es war das Lächeln eines Triumphes! Die Verwirrung schwand und an dessen Stelle trat Zorn. Was hatte dies alles zu bedeuten?! War er nur hinter dem nächsten Dienstmädchen her und war Amelia, diejenige vor ihr gewesen? Schien Amelia deshalb beinahe zu platzen? Sie sah von Amelia erneut zu ihm. Sein Lächeln war verschwunden und er sah wieder so undurchdringlich aus, wie am ersten Abend ihrer Begegnung. Wie konnte er es wagen sie einfach so zu überfallen und ihr dann auch noch so ein verwogenes Lächeln zu schenken, als sie dabei ertappt wurden?! Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu und am liebsten hätte sie ihm seine Dreistigkeit vorgeworfen, doch sie musste sich zurückhalten. Amelia stand immer noch, vor Hass sprühend, in der Tür und sagte schliesslich
„Mylord, ihre Frau Mutter möchte sie gerne in ihren Gemächern sprechen". Sie blinzelte kokett, machte einen kleinen Knicks und warf einen vernichtenden Blick in Isabellas Richtung. Nicht, dass sie bisher gemeinsam ihren Nachmittagstee eingenommen und belanglos über das Wetter geplaudert hätten, doch nun schien eine solche Zukunft ein für alle Mal hinfällig. Amelia würde nun zweifellos noch mehr Gehässigkeiten an den Tag legen und dies konnte nur bedeuten, dass sie auf der Hut sein sollte. Alexander de Warenne antwortete mit der Gelassenheit eines Löwen
„Geh und teil meiner Stiefmutter mit, dass ich komme, sobald ich meine Angelegenheiten geregelt habe". Mit einem Wink seiner Hand entliess er Amelia. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, dass sah ihr Isabella an, aber es blieb Amelia nichts anderes übrig, als der befohlenen Bitte nachzugehen und so drehte sie sich um und verliess die Bibliothek. Isabella fühlte nur eines; sie wollte seinen Argusaugen entfliehen. Sie hob sämtliche Bücher auf, die sie durchstöbert hatte. Als sie die Bücher in den Regalen verstaut hatte, drehte sie sich um und sah, dass der Engländer in der Nähe der Tür stand und sie aufs genauste beobachtete. Ihr Herz pochte wie wild gegen ihre Brust, als wollte es ausbrechen. Sie versuchte sich zu beruhigen und ging hocherhobenen Kopfes auf die Tür zu. „Wohin gedenkt ihr zu gehen?" fragte er beiläufig. Sie blickte ihm direkt in die Augen und meinte, ebenfalls so beiläufig wie möglich
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1
Ficción históricaEngland im Umbruch. Der junge König Henry VIII hat nicht das Geschick und das gute Herz seines Vaters geerbt. Er will Krieg und Schottland endlich unter englischer Herrschaft wissen. In diesen Sog gerät der kampferfahrene Alexander de Warenne, Lord...