Am nächsten Nachmittag führte sie Constantino wie versprochen umher und erläuterte ihr die Bauwerke und Anlagen. Wie Rickard gesagt hatte, gab es sogar ein Badehaus. Constantino lief durch das Gebäude und machte sie mit den verschiedenen Bädern vertraut. Der eine Bereich war sehr gross und Wasserdämpfe stiegen empor. Dort hielten sich in erster Linie die Soldaten auf. In einem weiteren Bereich, der etwas kleiner war, gab es noch mehr Becken. Meist hielten sich hier die Frauen auf, die gerne unter sich blieben. Es gab auch noch ein privates Becken, welches ausschliesslich Alexander vorbehalten war. Er erklärte ihr, dass dies ein Überbleibsel der Römer war und man die Badeanstalt nach ihren Plänen neu entworfen hatte. Constantino berichtete, dass er Alexander vor ungefähr fünf Jahren in Italien kennengelernt hatte und mit ihm nach England gereist sei. Als Alexander ihm dann die Stelle als Verwalter anbot, nahm er sie gerne an. Er selbst hatte mit Alexander die Baupläne gestaltet und dafür gesorgt, dass sie auch genauso umgesetzt wurden. Isabella sah, wie stolz er auf seine und Alexanders Leistung war und sie musste ihm zustimmen. Die ge-samte Anlage war ein Meisterwerk der alter Architektur und natürlich des Reichtums. Zuletzt stieg Constantino mit ihr im Haupthaus nach oben und sie erklommen eine der Turmtreppen, nicht weit von ihrem Gemach. Als sie oben ankamen standen sie auf einem grossen steinernen Balkon. Die Aussicht war berauschend. Isabella erblickte die tobende See, die weit hinten mit dem grauen Horizont zu verschmelzen schien. Von diesem Balkon hatte sie eine wunderbare Aussicht auf den gesamten Platz. Unmittelbar unter ihr lagen das Trainingsgelände und der Stall des Anwesens. Einige Soldaten übten gerade einige Schwerttechniken und ein Aufseher korrigierte sie. Das Klirren von Stahl auf Stahl war im gesamten Burginnern zu hören. Isabella erblickte auf der einen Seite des Geländes Alexander, der die Kämpfenden genau beobachtete. Wind kam auf, zerzauste ihr Haar und liess ihre Bänder im Wind flattern. Sie sah Alexander an und konnte kaum den Blick von ihm abwenden. Doch die plätschernden Worte Constantinos holten sie in den Augenblick zurück und sie drehte sich zu ihm um. „Das Fruhstucke wird ihnen jede Tag in ihre Gemach gebracht, beim Mittagessen oder beim Dinner durfen sie e gerne auch die grosse l'atrio aufsuchen. Ausser sie wollen diese Mahlzeiten auch im Gemach einnehmen Nobildonna?" fragte Constantino.
„Nein, ich speise gerne in der Halle" antwortete Isabella und ging hinter ihm die Turmtreppe hinunter.
„Das e freute mich Nobildonna. Iche hoffe die Excursione hat e ihnen gefallen? Wenn e sie das Badehaus besuchen mochten, werde iche fur sie das Bad in privato von Alexander herrichten lassen, dort sind e sie vollkommen indisturbata e wie sagte man... a ja ungestort" sagte Constantino freundlich und verneigte sich.
„Es hat mir sehr gefallen, Mister Farnese. Ein solch aussergewöhnliches Gebäude habe ich selten erblickt. Ich danke ihnen für ihre kostbare Zeit und wenn ich das Bad aufsuchen möchte, werde ich mich vertrauensvoll an sie wenden" nickte Isabella.
„Ese war mir eine Ehre Nobildonna und bitte nenne sie mich Constantino oder Tino. Buona sera und a piu tardi" meinte Constantino und verliess sie. Isabella ging in ihr Gemach und legte sich auf ihr Bett. All die gesammelten Eindrücke geisterten durch ihren Kopf. Nach einer Weile stand sie auf und begann ihre Kleidertruhe zu durchwühlen. Sie sah das Schottenmuster zwischen den Farben hervorstechen und zog das Kleid heraus. Sie zog es an und setzte sich an den Frisiertisch. Leider war sie nicht sehr begabt in der Kunst der Frisuren und versuchte vor dem Spiegel ihre Haare hochzustecken. Allerdings gab sie nach wenigen Minuten auf und liess ihre wilde Mähne nach unten gleiten. Es spielte eigentlich keine grosse Rolle, wie sie hier erscheinen würde, sie war immerhin eine Gefangene. Sie kämmte ihr Haar und puderte sich das Gesicht. Ihre Verletzung, die ihr der Söldner verpasst hatte, klang langsam ab. Ihr Auge war mittlerweile gelbverfärbt und die Platzwunde hatte sich bereits verschlossen. Sie warf einen letzten Blick in den Spiegel. Ihr würde etwas einfallen, das wusste sie. Sie durfte nur nicht den Mut verlieren. Sie öffnete die Tür und wie Constantino es gesagt hatte, standen nun zwei bewaffnete Soldaten links und rechts neben ihrer Gemachstür. Sie seufzte und grüsste die beiden, die ihren Gruss freundlich erwiderten. Sie schienen noch ziemlich grün hinter den Ohren zu sein und hatten wohl erst mit ihrer Soldatenausbildung begonnen. Als sich Isabella einige Schritte von ihrem Zimmer entfernt hatte, hörte sie, wie sie ihr folgten. Sie fühlte, wie ihr Herz zu pochen begann und schloss kurz ihre Augen. Es war nicht, wie bei Talbot. Die jungen Soldaten schienen einen netten Eindruck zu machen und sie taten bloss was Alexander ihnen aufgetragen hatte. Talbots Wachen waren miese Würmer gewesen, die sie schikaniert hatten. Sie atmete beruhigter aus und folgte dem Gang. Sie bog nach rechts, dann nach links. Bilder in goldenen Rahmen hingen an der Mauer und zwischendurch hing ein Schwert oder eine Axt an der Wand. Das war nicht der Weg nach unten. Sie wurde langsamer bis sie anhielt. Nein sie hätte vorhin nach rechts gemusst. Sie drehte sich um und lief den Gang zurück. Die beiden Wachen wichen zur Seite, liessen sie durch und folgten ihr den Korridor zurück. Sie nahm nun den anderen Weg, doch kurz darauf kam sie an eine Gabelung, die in drei neue Gänge führte. Isabella blieb stehen und sah in jeden Gang. Abgesehen von einzelnen Gemälden und Fackeln unterschieden sich die Flure kaum. Sie nahm den Mittleren und beschleunigte ihre Schritte. Sie glitt an Türen vorbei und war sich sicher, dass sie hier mit Tino vorbeigekommen war. Als sie am Ende angekommen war gab es erneut nur ein Links oder Rechts. Sie hatte sich soeben entschieden den linken Abzweiger zu nehmen als eine der Wachen sie ansprach
„Mylady verzeiht". Isabella wandte sich um und der Grössere der beiden verneigte sich „Seid ihr auf der Suche nach der grossen Halle?" Isabella blickte in ihre Gesichter und schmunzelte erleichtert
„Ja. Ich fürchte, dass es eine Weile dauern wird bis ich mich in diesen Mauern auskennen werde"
„Wir werden ihnen den Weg weisen Mylady" sagte der Zweite.
„Das ist freundlich. Wie lauten eure Namen?"
„Ich bin Alfred Mylady" sagte der Grössere und dann deutete er auf den anderen „und das ist Dustin. Wir sind für ihre Sicherheit zuständig Mylady". Isabella nickte erleichtert und mit den An-weisungen ihrer zwei Wachen fand sie den Weg in die Halle zum Abendessen.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1
Historical FictionEngland im Umbruch. Der junge König Henry VIII hat nicht das Geschick und das gute Herz seines Vaters geerbt. Er will Krieg und Schottland endlich unter englischer Herrschaft wissen. In diesen Sog gerät der kampferfahrene Alexander de Warenne, Lord...