Laute Stimmen und ein Schrei drangen durch die Eingangshalle. Alec starrte Thomas an, während ungeahnte Ängste in ihm emporstiegen. Er war schneller als Thomas an der Tür und riss sie auf. Die Sonne hatte ihren Zenit verlassen und einige Wolken kündeten baldigen Regen an. Zu den vier Söldnern, die im Haus gewesen waren, waren nun noch drei dazu gekommen. Auch sie trugen Bärte und hielten anscheinend nicht viel von Sauberkeit, ihren Kleidern nach zu urteilen. Ein besonders bulliger Mann, der bestimmt sechseinhalb Fuss gross war, zerrte an jemanden, der sich mit Händen und Füssen wehrte. Vor ihnen stand Talbot. Er stemmte seine Hände in die Hüften und wippte auf den Fersen auf und ab
„Jaa endlich!" rief er hoch erfreut.
„Nein" schrie sie „Lasst mich los!". Sie zerrte und wand sich im Griff des Bullens.
„Halt den Rand" brummte dieser und holte mit seiner linken Hand nach rechts aus, bretterte mit dem Handrücken zurück und schlug Rose heftig auf ihre Wange. Alecs Verstand war ausgeschaltet, sein Gehör schien zu pfeifen und schon als er die Hand dieses Söldners hochschnellen sah, schritt er auf ihn zu. Der Schlag war so heftig, dass sie den Boden unter den Füssen verlor und zusammensackte. Sie kauerte am Boden und schwankte. Alec packte den Söldner am Revere und zog ihn zu sich herum. Da er einen halben Kopf grösser war als Alec, hatte ihn diese rüde Bewegung nicht irritiert. Er wandte sich dumpf um und blickte Alec an. Doch Alexander hatte seine Faust bereits erhoben und ihn hart am Kopf, auf die Schläfe, erwischt. Der Riese sank nieder und blieb reglos liegen. Rose hustete und spukte Blut auf den Erdboden. Dieser verdammte Schweinehund hatte sie so stark geschlagen, dass sie blutete! Seine Wut war unbändig. Er drehte sich zu Talbot um und schrie eiskalt
„Verschwindet von meinem Grundstück Talbot, bevor ich mich vergesse! Und kommt ja nicht wieder ohne eine Einladung oder die Bestätigung des Königs!" Talbot verzog das Gesicht und spukte Isabella vor die Füsse
„Ich bin noch nicht fertig mit dir Mädchen!" rief er und versuchte nach ihr zu greifen, aber Alexander stellte sich ihm in den Weg
„Ich sagte; verschwindet von meinem Grundstück Talbot" knurrte er den kleinen Mann an, der nun zu ihm hochsah. Er verzog sein Gesicht, doch er drehte sich bereits ab
„Ich werde sie mir holen de Warenne verlasst euch darauf! Ich komme wieder mit dem Siegel des Königs von England und ihr werdet sie mir aushändigen!" Er winkte seinen Söldnern zu und stieg mit einem letzten gehässigen Blick auf die Gestalt zu Alecs Füssen in die schwarze Kutsche. Zwei der Söldner wuchteten den bewusstlosen Riesen auf ein Pferd, der langsam wieder zu sich kam. Ein anderer Söldner stieg auf den Kutschbock und trieb die Pferde in Galopp. Die restlichen Söldner stiegen auf ihre Gäule und preschten hinter der Kutsche her. Als die Truppe ausser Sichtweite war, blickte er nach unten und sah sie an. Sie blickte zurück und sagte kein Wort. Die Wut auf Talbot wich und eine andere Art von Wut breitete sich in ihm aus. Sie hatte ihn belogen, getäuscht und etwas vorgespielt! Sie wollte ihn verlassen ohne einen triftigen Grund. Er zog sie auf die Beine
„Verdammt noch einmal Rose! Oder Isabella... oder wie ihr auch immer heissen mögt!" donnerte er. Er schloss die Augen und schluckte weitere Worte hinunter, die ihm auf der Zunge brannten „Thomas bring sie in mein Gemach und sorg dafür, dass sie es nicht verlässt!" Ohne einen weiteren Blick auf ihr geschundenes Gesicht, stapfte er ins Herrenhaus zurück und stürmte in das Arbeitszimmer. Er müsste sich jetzt zu allererst mit Rickard unterhalten. Alec setzte sich hinter den Schreibtisch und begann den Brief für Lord Suffolk zu schreiben. Zweimal durchstach er das feine Pergament mit der Spitze seiner Feder, welches er dann genervt zerknüllte und zu Boden warf, bevor er dann den Brief zu Ende brachte. Damit er Ophelia endlich für immer loswurde, schrieb er ihrem Vater, dass wenn er seine Tochter nicht zur Vernunft bringen und er ihre Jagd auf Alexander nicht unterbinden würde, ihm nichts übrigbliebe als ihre Unternehmung öffentlich zu machen. Selbstverständlich war dies nur eine leere Drohung, doch dies wusste Viscount Brandon nicht und er musste dafür sorgen, nicht noch weiter von Ophelia belästigt zu werden. Sicherlich hatte sie noch weitere Pläne im Kopf, wie sie an Alec herankommen könnte. Mit dem letzten Wort aus seiner Feder trat Rickard in das Arbeitszimmer.
„Ich habe alles in die Wege geleitet. Ich kann nun aufbrechen" sagte er. Rickard setzte sich in den Sessel vor dem Schreibtisch und sah Alec an „Alec... geht es dir gut?". Alec lehnte im Sessel zurück und faltete das Pergament. „Ich denke du solltest erst einmal darüber schlafen". Rickard kratzte sich verlegen im Nacken „da ist noch etwas... ich habe Talbot damals nach dem Zwischenfall in Cornwall noch einmal gesehen... Er war einen Tag später in einer der Spielhöllen und ich war auch dort... er war vollkommen betrunken, jedoch noch so, dass man sich einigermassen mit ihm unterhalten konnte". Alec war nun neugierig geworden. Wieso hatte ihm sein Bruder bisher nichts davon erzählt?
„Sprich weiter Rickard" sagte Alec.
„Er war ziemlich gesprächig. Er sagte, dass er sich sicher sei, dass dieses Mädchen sein Mündel war. Er suche sie schon seit Monaten, da sie geflohen sei. Zeitweise glaubte er wohl, dass das Mädchen tot sei oder die Insel verlassen hatte. Er habe seine Suche eigentlich aufgegeben wollen, doch dieses Mädchen in Cornwall, die wäre ihr so ähnlich. Und damals Alec, hat er nichts von einer Spionin erwähnt. Wenn du mich fragst, ist dies wohl seine Taktik um sie in ganz England mit der Unterstützung des Königs zu finden". Alec legte seine Hände auf den Schreibtisch
„Aber wieso sucht er sie? Und wieso ist sie geflohen, hielt er sie gefangen? Oder..."
„Das habe ich ihn auch gefragt, leider war er dafür wiederum zu wenig alkoholisiert, dass er damit herausrückte. Er meinte nur, er müsse sie um jeden Preis finden" meinte Rickard erklärend.
„Wieso erzählst du mir das erst jetzt?" fragte Alec neugierig. Rickard wirkte etwas beschämt
„Ich wollte es dir eigentlich erzählen, doch erst habe ich sie darauf angesprochen. Sofort als ich zurück von Cornwall kam. Sie hat nun ja... nicht gerade erfreut darauf reagiert..." endete er.
„Wie meinst du das?" fragte Alec.
„Sie hat mir gesagt, dass ich mich nicht in ihre Angelegenheiten zu mischen hätte und sie diese Anstellung hier nicht verlieren wolle... ich habe mir nichts dabei gedacht Alec. Ich bin mir sicher, dass sie geflohen ist, weil er sie schlecht behandelt hat und sie auf keinen Fall zurück wollte. Niemals im Traum hätte ich gedacht, dass sie eine vornehme Lady sein könnte... ich dachte einfach, sie wäre ein armes Ding, dass er in seiner Obhut gehabt hätte" er rang um Worte und sagte schliesslich kleinlaut „Es tut mir leid"
„Es war..." Alec strich sich durch sein Haar „Es war nicht deine Schuld. Ich wusste, dass sie etwas verbarg und ich ging nie davon aus, dass sie eine Spionin sein könnte... und glaube es auch jetzt nicht. Doch der Vorwurf steht im Raum und ich bin mir sicher, dass Miss Brandon dies auch weit genug verbreiten wird... sie steht unter Anklage und ich muss sie in Gefangenschaft nehmen bis der Krieg vorbei ist oder das nächste Jahr eingeläutet wird". Sie sassen schweigend da, bis Alec das Wort wieder aufnahm „Geleite nun Ophelia Brandon nach Suffolk zurück. Es liegt im Osten, wie du weisst" er reichte Rickard das versiegelte Pergament „lade sie ab und reite dann nach Carlisle in die Burg. Ich und Thomas werden, sobald ich hier alles erledigt habe, aufbrechen". Rickard nickte, erhob sich und ging zur Tür, er drehte sich nochmals zurück
„Alec... ich kenne dich... versuche deinen Stolz nicht über dein Glück zu stellen" sagte er und trat zur Holztür hinaus. Alec blieb allein im Arbeitszimmer zurück. Er wusste nicht, wie lange er dagesessen und vor sich hingestarrt hatte. Grübelnd öffnete er einen kleinen Schrank an der Innenseite des grossen Schreibtisches. Einige Gläser und Flaschen standen darin. Er nahm eine besonders kurvige Flasche und füllte sich ein Glas ein. Der süssliche Honigduft des Mets war unverwechselbar. Er trank und dachte über die verworrene Situation nach. Wenn Alec den König nicht davon überzeugen konnte, dass sie keine Spionin war, würde man sie hinrichten. Könnte er jedoch beweisen, dass Talbot dies bloss erfunden hatte um an sie heran zu kommen, würde ihr nichts geschehen und ihr Ruf wäre wiederhergestellt. Aber wie sollte er dies beweisen und zugleich einen mordhungrigen König davon abhalten, eine Frau als Spionin zu hängen? Er zog das Pergament aus seiner Tasche und breitete ihre Worte vor sich aus. Sie hatte sich entschieden ihn heute zu verlassen, doch ihm erschloss sich nicht aus welchem Grund und allem voran, wieso hatte sie sich nicht einfach verabschiedet und war ihrer Wege gegangen? Fragen über Fragen, die er sich stellte und keine Antwort erhoffen konnte. Hatte sich sein Geist so sehr in dieser Frau getäuscht? Er schüttete sich ein weiteres Glas die Kehle hinunter. Er fühlte eine brennende tobende Wut... eine Wut auf sie, wieso sie ihn angelogen hatte und warum sie von ihm wegwollte. Ihre geschriebenen Worte hatten keine Bedeutung, sie waren leer. So leer, wie er sich zurzeit fühlte. Sie hätte ihm irgendwann alles erklärt! Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Wieso nur war er darauf reingefallen, wieso hatte er sich von dieser Frau verhexen lassen?! Er nutzte die Einsamkeit und suhlte sich in seiner Wut auf sie, auf sich selbst.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1
Historical FictionEngland im Umbruch. Der junge König Henry VIII hat nicht das Geschick und das gute Herz seines Vaters geerbt. Er will Krieg und Schottland endlich unter englischer Herrschaft wissen. In diesen Sog gerät der kampferfahrene Alexander de Warenne, Lord...