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Ihre Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Jackson und Alec ritten im County umher, um ihre Besorgungen zu machen. Alec bestellte von allen Schmiedemeistern, die in der Harnisch, Schwert und Hufschmiedekunst bewandert waren, grosse Mengen an Ausrüstung. Einige der Schmiedemeister würden mit nach Carlisle reisen und dort weiter für ihn arbeiten. Sie würden vor allem Hufschmiede im Lager benötigen, wenn der Krieg erst begonnen hatte. Sie hatten sich die einzelnen Arbeiten der Meister zeigen lassen und Alec hatte neue Waffen für sich selbst anfertigen lassen. Sein Claymore, welches er schon seit Jahren besass, hatte einen neuen Schaft erhalten. Dieser lag nun angenehmer in der Hand und Alec konnte das Schwert besser in verschiedenen Positionen führen. Ausserdem hatte er sich verschiedene kleine Messer schmieden lassen. Dolch und Stilett durften in seiner Ausrüstung nicht fehlen. Jackson hatte sich einen neuen Ringpanzer anfertigen lassen. Einer der Waffenschmiede hatte ihnen seine neuste Erfindung gezeigt. Er hatte extra leichte Schienbeinschützer angefertigt und als Alec und Thomas sie anprobiert hatten, waren sie so davon begeistert gewesen, dass Alec für sein ganzes Heer welche angefordert hatte. Einige Stellmacher fertigten die Wagen, die Alec benötigte, um all das Material nach Carlisle fahren zu lassen und die im Kriegsgelände gut zu nutzen waren. Er genoss es endlich wieder mit Jackson unterwegs zu sein und die Aussicht Carlisle bald wieder zu sehen, beseelte ihn mit kaum erfüllbarer Freude. Er wollte seine ausgebildeten Soldaten selbst sehen und ihren Fortschritt begutachten. All diese Erledigungen sorgten dafür, dass er in diesen Wochen kaum Schlaf fand und nur ab und an in Surrey die Nacht verbringen konnte... dies, so spürte er, war ein Umstand der seine Gefühle verrückt spielen liess. Die Sehnsucht, die sein Herz heimsuchte, wenn er nicht nach Surrey reiten konnte und sie wenigstens einmal zu Gesicht zu bekommen, brachte ihn an neue Grenzen. Er war es nicht gewohnt seine Gefühle nicht unter Kontrolle zu haben und sich gar nach ihnen zu richten. Zeitweise vermutete er fast, er müsse krank sein, da die innere Unruhe ihn so sehr peinigte, doch jedes Mal, wenn er Arac im Stall untergestellt hatte, ins Haus lief und rastlos durch die Gänge irrte bis er sie erblickte, verringerte sich sein Herzschlag und er wurde ruhig. Ihr Blick war warm und hiess in willkommen. Auf ihren Lippen kräuselte sich ein scheues Lachen, wenn sie wusste, dass es niemand sah... und dies liess seine Brust anschwellen. Jede Nacht, wenn er in Surrey war, kam sie zu ihm und er wartete ungeduldig in seinem Gemach auf ihr Eintreffen. Er nahm sie, vergrub sich tief in ihr und verlor sich in der Intimität ihrer Zweisamkeit. Leidenschaftlich wie sie war, räkelte sie sich unter ihm und verzückte ihn mit ihren Berührungen. Oft war ein Blick von ihr genug und er fühlte, wie seine Hose sich ausbeulte. Es forderte all seine Willenskraft sie dann nicht über seine Schultern zu werfen oder sie gleich im Gang zu seiner zu machen. Die Macht, die dieses Wesen über ihn zu haben schien, war beängstigend und doch... gefiel ihm diese Konstellation. Alec erhob sich und reckte seinen Nacken. Er hatte die Papiere für die Pächter und die Bauern soeben besiegelt als Carson eintrat.
„Mylord, Mister Larraby ist soeben eingetroffen" sagte er und Alec erwiderte
„Bringt ihn hierher ins Arbeitszimmer"
„Jawohl eure Lordschaft" sagte Carson eilig und verliess das Arbeitszimmer. Kurze Zeit später wurde die Tür erneut geöffnet und Carson gefolgt von Eagan Larraby traten ein.
„Eure Lordschaft" sagte Eagan freundlich und reichte ihm die Hand. Alec schüttelte sie
„Guten Abend Mister Larraby, schön dass sie die Zeit gefunden haben. Setzen sie sich, bitte". Carson verschwand und schloss die Tür. „Einen Whisky?" fragte er. Larraby nickte freundlich.
„Ich bitte um Verzeihung, doch ich konnte nicht eher aufbrechen... aber nun bin ich hier und habe die Zeit mich in die Unterlagen ihres Vaters einzulesen"
„Sehr gut". Alec hob sein Glas und sie stiessen an. „Ich fürchte, dass ich über diese Papiere wenig informiert bin. Ich kann also nicht sagen, was er verfügt hat, noch wie die Besitztümer aufgelistet sind oder was möglicherweise einmal verkauft wurde... Lady de Warenne sollte allerdings besser unterrichtet sein". Eagan stellte sein Glas vor sich hin
„Das spielt keine Rolle. Ihr Vater war ein sehr korrekter Mann und ich glaube die Papiere werden keinen grossen Aufwand bedeuten". Alec nickte zuversichtlich. Er zog eine Schublade am unteren Ende des Schreibtisches auf und nahm einen silbernen Schlüssel hinaus.
„Lady de Warenne war so gütig mir die Schlüssel zum Tresor meines Vaters zu übergeben. Sie hat sich zuvor darum gekümmert... bevor ich hierherkam" ergänzte er. Er erhob sich und durchquerte den Raum bis zu dem exorbitanten Landschaftsgemälde, welches neben dem Bücherregal an die Wand gehängt war. Er drückte den Rahmen nach innen. Das Gemälde zeigte einen See, der im halbdunkeln lag, Schilf und eine grosse Trauerweide schmückten das Ufer. Im Hintergrund sah man grosse Gebirge, deren Spitzen mit einer weissen Haube bedeckt waren. Der Rahmen klickte und ganz versteckt aus dem Baumstamm der Trauerweide konnte man nun einen Schlitz für den Schlüssel erkennen. Alec steckte den Silberschlüssel hinein und drehte ihn. Es knackte und der grosse See sprang einen Spalt weit auf. Alec griff danach und öffnete die Tür des Tresors seines Vaters. Bündel Papiere teils zusammengebunden oder lose, manchmal mit einem gebrochenen Siegel, lagen darin. Alec seufzte. Vermutlich hatte sein Vater die Ordnung, die er früher stets gepflegt hatte in den letzten Jahren etwas vernachlässigt. Er sammelte die Papiere und breitete sie vor Larraby auf dem Schreibtisch aus. Es stapelten sich vier grosse Türme bis Alec das letzte Mal zum Tresor lief. Tiefer im Innern sah er jetzt das Schwert seines Vaters an der Rückwand lehnen. Einen Degen. Er griff nach ihm.
„Oh wie wundervoll" entgegnete Eagan Larraby. Alec zog es aus seiner Scheide. Es war lang und sehr leicht. Er balancierte die Klinge auf seinem Unterarm und begutachtete sie. Sie war stumpf, aber abgesehen davon lag sie bequem in seiner Hand. Er warf es in die Luft und fing es mit der linken Hand auf. „Eine Spezialanfertigung?" fragte der Anwalt neugierig.
„Ja ich denke, es wurde genau auf die Proportionen meines Vaters angefertigt... eine vortreffliche Arbeit" lobte Alec, schnappte sich die Scheide und schob es wieder hinein. Er legte es ebenfalls auf den Arbeitstisch und wollte nun den Tresor wieder verschliessen. Er hatte die Hand schon an der Tür, als er innehielt. Er starrte in den leeren Schrank und kniff seine Augen zusammen. Er griff nach der Kerze und hob sie hinein. Die Flamme flackerte und Alec musste sich ins Gemälde lehnen damit er die Rückwand berühren konnte. Er drückte seine Handfläche gegen die Wand und sie gab nach. Er konnte sie aufziehen. In diesem Geheimfach stand eine Art Paket das mit einem weissen Leinentuch bedeckt war. Als er nach dem Paket griff und es nach vorne zog, fiel ein weiterer Stapel Dokumente nach unten. Er zog alles an den Rand. Es sah nach Briefen aus. Vermutlich vertrauliche Korrespondenz. Er schob sie beiseite und lüftete das Tuch. Er presste seine Lippen aufeinander. Die warmen dunkelbraunen Augen seiner Mutter blickten ihn liebevoll an. Ihre schwarzen Locken hingen über ihren Schultern und sie lächelte vergnügt. Er hatte dieses Portrait seit bestimmt einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen und geglaubt sein Vater hätte es verbrannt. Er hatte nicht bemerkt, wie Larraby nähergetreten war
„Ihre Mutter hatte ein bezauberndes Wesen gehabt" sagte er freundlich und sah auf das Bild. Alec schluckte. Damit hatte er nicht gerechnet... seine Mutter hier im Tresor seines Vaters wieder zu sehen. Er liess das Leinentuch hinuntergleiten und schob es wieder in den verborgenen Hohlraum. Er schloss die Wand und dann den Tresor, bis das prachtvolle Landschaftsgemälde wieder so wie zuvor da hing. Er legte die Briefe aus dem Hohlraum ebenfalls auf Larrabys Stapel. Larraby räusperte sich „Nun ich werde morgen sofort damit beginnen mich um die Papiere und Dokumente zu kümmern, Lord de Warenne". Alec nickte
„Das ist hervorragend... Ich werde allerdings Freitag in einer Woche Surrey verlassen und nach Carlisle reiten. Sie können sich hier frei bewegen Larraby und natürlich nehmen sie sich so lange Zeit, wie sie dafür benötigen. Sie sind ein willkommener Gast. Wenn sie Informationen benötigen, können sie jederzeit die Countess of Surrey anfragen oder mir selbstverständlich korrespondieren". Er machte eine Pause und fügte noch hinzu „Ich weiss allerdings nicht, wie rasch ich in der Lage bin zu antworten. Möglicherweise wird es eine Zeit dauern, bis wir uns wiedersehen und sie mir die endgültige Erbschaftsregelung vorlegen können"
„Das ist mir recht. Ich werde auf ihre Zusage warten so lange es dauert" sagte er. Alec erhob sich und Eagan folgte ihm.
„Carson wird ihnen ihre Räumlichkeiten zeigen"
„Sehr freundlich Lord de Warenne" entgegnete Larraby. Alec schloss hinter seinem Anwalt die Tür und setzte sich in den Sessel hinter dem Schreibtisch. Er faltete seine Hände zusammen und liess sich von seinen Gedanken leiten.Ω
Wie er gesagt hatte, war er die nächsten Wochen oft unterwegs. Er ritt morgens vor Sonnenaufgang mit Thomas los und kam erst weit nach Mitternacht oder gar nicht Nachhause. Sie vermisste ihn und jedes Mal, wenn sie sah, dass er durch den Hof mit Arac ritt, freute sie sich innerlich. Auch wenn sie keine Zeit für einander hatten, so stahl er von ihr doch ab und an den einen oder anderen Kuss im Flur, wenn niemand in der Nähe war. Die Tage waren bereits wieder lang und schwül. Jeden Morgen hastete Isabella mit den anderen Dienstboten von Zimmer zu Zimmer und öffnete die Fenster. Das Gemach des Earls wurde gründlich gereinigt und ihre Ladyschaft gab Anweisungen, gewisse Möbel in andere Gemächer zu stellen. Sie wollte das Zimmer ihres toten Ehemannes vollkommen neu einrichten und war nach London aufgebrochen um einzukaufen. Als Isabella diesen Morgen im Gemach von Lady Elaine ihre Arbeit verrichtete, fühlte sie sich plötzlich sehr schummrig. Ihr war übel und als sie das Fenster erreicht hatte, konnte sie es nicht mehr zurückhalten und musste sich aus dem Fenster übergeben. Elaine de Warenne, die in ihrem Ankleidezimmer gewesen war, kam hinaus und lief zu Isabella.
„Rose... was ist los? Geht es dir nicht gut, soll ich einen Arzt rufen?" Sie kniete sich vor Isabella, die mittlerweile vor dem Fenster auf den Boden gesunken war. „Du bist ganz blass" wisperte Elaine de Warenne. Isabella fächelte sich etwas Luft zu, da sie die aufkommende Hitze vertreiben wollte. Sie schluckte
„Nein... es ist gleich wieder alles rechtens Mylady". Isabella schloss die Augen, um einen weiteren Würgereflex zu unterdrücken. Lady Elaine brachte ihr ein Glas Wasser und sie nahm es dankbar an. Nach einer Weile liess die Übelkeit nach und Isabella entschuldigte sich noch einmal bei Lady Elaine und ging dann in ihre Kammer. Sie blickte in den kleinen Spiegel über der Waschschüssel. Sie wirkte etwas blass. Sie hatte in den letzten Tagen öfters den Abort aufsuchen müssen... Sie hatte den Verdacht krank zu werden. Sie tauchte ihre Hände in das kühle Nass und bedeckte dann ihr Gesicht damit. Es war eine Wohltat. So schnell, wie ihre Übelkeit gekommen war, so schnell war sie wieder weg. Sie ging zu Molly und verbrachte den Rest des Tages damit, die in den nun ungenutzten Gästezimmern stehenden Möbel mit grossen Laken zu bedecken, somit konnten ihnen die Sonnenstrahlen und der Staub nichts anhaben.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1
Historical FictionEngland im Umbruch. Der junge König Henry VIII hat nicht das Geschick und das gute Herz seines Vaters geerbt. Er will Krieg und Schottland endlich unter englischer Herrschaft wissen. In diesen Sog gerät der kampferfahrene Alexander de Warenne, Lord...