Kapitel 2.8 - Der geheime Garten

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„Wohlan Norman, schön dich zu sehen. Wie steht es um dein Wohl?" Norman drehte sich um und sagte

„Danke Mylord, alles ist prächtig. Der Sommer ist beinahe vorbei, ich habe alle Hände voll zu tun und deshalb auch ein wenig eingelegtes Fleisch zu den Herrschaften gekarrt. Ich hoffe die Familie mag es". Alexander musste ein wenig schmunzeln, er wusste zwar, dass er Menschen Angst einjagte, aber einem solchen Bullen wie Norman... das war etwas Neues.

„Vielen Dank Norman, ich weiss das sehr zu schätzen. Lass uns doch bitte kurz hinausgehen zu deinem Einspänner". Alec öffnete die Tür und eine Windböe blies ihnen direkt entgegen. Norman setzte seine Mütze auf und sie gingen hinaus. Sie liefen Richtung Stall, wo Norman sein Pferd kurz untergestellt hatte. Im Stallgebäude herrschte eine drückende Wärme, es roch nach Pferden, Heu und Hafer. Norman lief zu seinem Pferd und gab ihm ein Stück Rübe für den Weg nach Hause. „Norman" begann Alec „ich muss dir eine wichtige Frage stellen. Hast du das Dienstmädchen Rose zu uns gebracht, entspricht das der Wahrheit?" Norman löste seinen Blick von seinem Pferd

„Richtig Mylord. Warum, ist dem Mädchen etwas zugestossen?"

„Nein es geht ihr gut" denke ich „Nein es geht darum, hast du ihr ein Paket überreicht, welches für mich bestimmt war?" Norman erbleichte

„Jawohl Mylord, hat sie deswegen Schwierigkeiten? Ich schwöre Mylord, dass ich das Paket von einem vertrauenswürdigen Herrn erhalten habe, der mir versicherte, es von einem ihrer Männer zu haben. Er sagte mir, ich solle es ihnen bringen. Ich habe gedacht, ich kann es ihr gleich mitgeben". Alexander erwiderte deutlich erleichtert

„Das war schon recht Norman. Dieselbe Schilderung hat sie mir wiedergegeben. Somit weiss ich, dass ihr beide vertrauenswürdig seid. Ich danke dir Norman. Geh jetzt lieber nach Hause, bevor die Nacht herein bricht". Sie war also keine Spionin. Dies war eine grosse Erleichterung, denn schliesslich erledigte sie ihre Arbeit ausgezeichnet und war nach Molly eine unersetzliche Hilfe. Aber er wusste, irgendetwas stimmte mit diesem grünäugigen Mädchen nicht. Es gab gewisse Ungereimtheiten. Seit wann konnten Dienstmägde lesen? Hatte sie es sich im Selbststudium beigebracht?! Und seit wann drückten sich die Hausangestellten so förmlich aus? Ach... verdammt! Er sollte endlich seine Lust und Gier befriedigen, damit er seine Gedanken nicht mehr mit ihr füllte! Alexander verliess den Stall, nahm eine Laterne mit und ging wieder Richtung Haus. Er musste endlich aufhören jeden zweiten Gedanken mit ihr zu verschwenden, er hatte weiss Gott wichtigeres zu tun! Er entschied sich kurzfristig, durch die Gartenanlage zu gehen und einen Blick in den Garten seiner Mutter Sinead zu werfen. Er war schon seit einer Ewigkeit nicht mehr in ihrem Garten gewesen. Es dunkelte langsam und Alec hielt die Lampe nach vorne. Er erinnerte sich noch lebhaft an das letzte Mal, als er ihn in voller Pracht gesehen hatte. Er hatte seinem Vater zu gesehen, wie er den ganzen Garten, bis auf die letzte Blume, zerschlug. Nach diesem Erlebnis, hatte er den Garten nicht mehr betreten können und als seine neue Stiefmutter hier einzog, wurde der Garten abgesperrt. Nun, da fast zwei Jahrzehnte verstrichen waren, fühlte er sich stark genug den Anblick der Überreste des geliebten Gartens zu ertragen. Früher als Kind, hatte er den Garten immer mit seiner Mutter besucht. Sie pflanzte liebevoll die verschiedensten Arten von Blumen. Jedes Mal hatte seine Mutter geglüht vor Freude, wenn er sich eine neue Art merken konnte. Erinnerungen waren schon eine merkwürdige Sache, sie kamen dann, wenn man am wenigsten mit ihnen rechnete. Alec öffnete die kleine Holztür, die den Garten seiner Mutter vom Rest der Anlage trennte. Er ging drei Steinstufen hinunter und war vollkommen verblüfft. Er konnte seinen Augen nicht trauen. Der Garten war voller Pflanzen, links sah er die verschiedensten Rosenarten und Veilchen, rechts Lilien. Viele Blumen waren vertreten. Die zerstörten Bänke und Holzverkleidungen, die damals herum lagen, waren beiseite geschafft worden. Der zerstörte kleine Brunnen, in der Mitte des Gartens, war wieder aufgestellt, die abgebrochenen Verzierungen waren befestigt worden. Keine Verwüstung. Wer hatte den Auftrag geben den Garten zu erneuern? Seine Stiefmutter ganz bestimmt nicht, sein Vater konnte es auch nicht gewesen sein, war es Rickard? Es war ihm schleierhaft, wer den Garten wieder hergerichtet haben konnte. Doch für den Moment wollte er es für sich behalten... nun hatte er einen Ort an den er sich zurückziehen konnte und dafür war er endlos dankbar. Als er sich umdrehte, sah er im Schutz eines Baumes die kleine Bank stehen, auf der seine Mutter seinem Bruder und ihm immer eine Geschichte erzählt hatte. Es war eine Bank aus Zedernholz. Sie besass feine Schnitzereien an den Geländern und in der Mitte der Banklehne hatte es ein grosses Herz. Er ging auf die Bank zu. Leider war sie von der Witterung ziemlich mitgenommen. Er fuhr mit seiner Hand über die Herzschnitzung und fühlte noch ganz fein, was er gesucht hatte. Die Namen. Die Namen seiner Familie. Sinead, John, Rickard und Alexander. Dann fiel ihm ein, dass noch irgendwo in diesem Baum eine Schaukel sein sollte. Auf der Bank sitzend sah er in die Äste des grossen Eichenbaumes hinauf. Nur noch die Henkel an denen die Schaukel einmal aufgehängt war, waren zu sehen. Als er den Blick senkte, bemerkte er das kleine Gartenhäuschen in dem seine Mutter all das Werkzeug aufbewahrt hatte. Es fröstelte ihn ein wenig. Das Dunkel der Nacht war nun vollends über ihn hereingefallen. Einen kurzen Blick wollte er dennoch riskieren. Er öffnete die kleine Tür. Sie quietsche in den Angeln, liess sich aber öffnen. Er hob die Laterne und leuchtete ins pechschwarze Innere. Die Werkzeuge hingen vorbildlich in ihren Halterungen und wie schon damals, war zuhinterst an der Wand die Chaiselongue aufgestellt, nur das jetzt ein weisses Laken sie bedeckte. Damals hatte er sich als kleiner Junge immer gefragt, was seine Mutter bloss mit einer Sitzgelegenheit im Gartenhaus wollte, die fast ein halbes Bett war. Nun wusste er es und musste schmunzeln. Seine Mutter und sein Vater hatten sich innig geliebt, daran bestand kein Zweifel.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt