Als sie in ihrem Bett lag, erlaubte sie sich ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Sie wusste, sie fühlte bereits zu viel für diesen Engländer. Ihr war klar, auch wenn sie sich weiter dagegen wehren würde, dass ihr Herz einen Schaden davon trüge. Mit diesen letzten Gedanken schlief sie ein.
Am nächsten Tag ihrer Veranstaltung hatte Lady Alice de Warenne ein Picknick geplant, welches nicht weit vom Anwesen entfernt stattfinden sollte. Erneut standen Zelte bereit und ein reichhaltiges Buffet sorgte für das leibliche Wohl. Die Sonne schien und verströmte ihre goldenen warmen Strahlen auf der Wiese. Mittlerweile trafen die ersten Gäste auf dem Picknickplatz ein und fingen an sich zu bedienen. Isabella war damit beschäftigt genug Decken zu verteilen damit die Herrschaften, trotz relativ warmen Wetters, nicht froren. Die Musik zur Unterhaltung spielte leichte Stücke, damit man sich angenehm unterhalten konnte. Soweit Isabella sah, hatten sich alle vom gestrigen Geschehen erholt und waren nun eher bereit die Festlichkeiten wieder aufzunehmen. Isabella war so in ihre Arbeit vertieft, dass ihr die plötzliche Stille nicht auffiel. Erst als Elaine de Warenne
„Alexander!" rief, hob sie unwillkürlich ihren Kopf. Was?! Sie erblickte ihn. Mittlerweile hatte sich eine Menschentraube um ihn gebildet. Er stand da in schwarzen Beinlingen, ein elegantes weisses Hemd aus Wolle unter seinem ebenso schwarzen Wams und um den Hals ein Seidenhalstuch. Seine schwarz polierten Stiefel rundeten das Ganze ab. Er war nach der neusten spanischen Mode gekleidet. Sein Ebenbild war faszinierend und gefährlich anziehend. Wieso war er nur aufgestanden? Lag es tatsächlich an seiner prestigebesessenen Stiefmutter?! Die Wut schnürte ihre die Kehle zu, doch sie konnte nichts tun, keinen Einspruch erheben. Er hatte Recht gehabt, ein Wort von ihr und seine Stiefmutter würde sie vor die Tür setzen. Sie beobachtete ihn, er hatte keine schweissnasse Stirn mehr und bewegte sich galant wie immer. Ihr Herzschlag beruhigte sich etwas und sie fing an die leeren Tische vom schmutzigen Geschirr zu befreien. Die Musik war etwas lauter geworden und einige begaben sich auf die provisorische Tanzfläche. Sie sah, wie Alexander de Warenne zum Buffet ging, welches ganz in ihrer Nähe war. Zu ihrem grossen Bedauern gesellte sich Ophelia Brandon zu ihm und schwatzte auf ihn ein
„Lord Blackheat! Ich war in sehr grosser Sorge, um ihre Gesundheit und natürlich auch um meine... diese Gestalt hätte mich genauso erschiessen können. Furchtbar diese Vorstellung! Ich bin aber äusserst erfreut, dass sie nicht so sehr gelitten haben, wie ich". Sie klimperte ihm zu. Also waren sie beide zusammen gewesen, als er angeschossen wurde, und Isabella hatte für einige Sekunden das Gefühl der Genugtuung.
„Miss Ophelia es tut mir leid, dass sie so sehr gelitten haben" sagte de Warenne, aber in seiner Stimme schwamm kein bisschen Mitleid. War es möglich, dass de Warenne nun nicht mehr so angetan von Miss Brandon war? Seine Antwort war höflich formuliert und trotzdem hatte Isabella kurz das Gefühl, als schwinge eine gewisse kalte Note in diesem Satz. Er war weiterhin sehr freundlich und zuvorkommend, nun jedoch auf eine distanziertere Art. Was Miss Brandon allerdings in keinster Weise zur Kenntnis nahm. De Warenne setzte sich an einen Tisch und fing zu speisen an. Ophelia Brandon schien bereits gegessen zu haben, setzte sich aber dennoch an seinen Tisch.
„Earl of Cumberland, darf ich sie bitten mir den nächsten Tanz zu schenken?" dabei legte sie ihre Hand auf die seine. Doch de Warenne zögerte
„Miss Brandon, ich fürchte, ich werde durch meine Verletzung den Tanz heute ausfallen lassen müssen". Er küsste ihren Handrücken und gab ihr so sanft das Zeichen, dass er sie nun entliess. Ophelia Brandon schien verwirrt, doch sie wollte sich keiner Szene hingeben und bemühte sich um Contenance.
„Ich hoffe sie genesen sehr schnell, damit sie mir morgen einen Tanz schenken können" damit erhob sie sich und ging in Richtung Tanzfläche. Isabella hatte mittlerweile diesen Tisch zum fünften Mal gereinigt und musste nun die Hörweite von de Warenne verlassen. Jedoch fühlte sie sich, als wäre sie in Watte gehüllt worden. Ihr Herz hüpfte und sie konnte nicht aufhören zu schmunzeln. Sie schalt sich innerlich für dieses überragende Gefühl, doch liess es sich nicht im Keim ersticken. Er hatte sie zurückgewiesen...
So verging der halbe Tag, wie in einer rasenden Kutsche und die Gäste machten sich am späten Nachmittag auf den Weg ins Haus, um sich auf den Abendball vorzubereiten. Die Dienstboten zogen sich ebenfalls zurück und kümmerten sich um das bevorstehende Dinner. Am Abend sah sie de Warenne wieder. Er sah noch hinreisender aus als am Nachmittag. Der Nebel der Dunkelheit schien ihm zu schmeicheln und liess ihn verführerischerer und gleich gefährlicher wirken als sonst. Wie an ihrem ersten Abend, als sie sich trafen. Eine Gänsehaut überkam sie, wenn sie daran dachte. Heute trug er anstatt seines Wams ein schwarzes Jackett. Sie konnte kaum ihren Blick von ihm los reissen. Er besass diese verruchte Eleganz, die kein anderer Gentleman in diesem Raum aufweisen konnte. Sie war so gefesselt von seiner Person, dass sie fast ihre Aufgaben vergass. Sich um Fassung bemühend, verteilte sie die Weingläser, aber ihr Körper betrog sie und sie konnte ihr barbarisches Verlangen für ihn spüren. Sie hatte das Gefühl, dass sie ersticken würde, sollte sie ihn nicht bald wieder berühren und seinen Duft riechen können. Sie musste verrückt geworden sein, völlig den Verstand verloren haben! Diese Gedanken, die in ihrem Kopf herumflatterten, waren die Sünde persönlich. Immer wieder wanderten ihre grünen Augen durch die Menge und waren erfreut, dass er sich nicht mit Ophelia Brandon abgab. Er tanzte an diesem Abend nicht, unterhielt sich aber mit allen Gästen und fragte nach ihrem Wohlergehen. Alle waren neugierig, was den wirklich auf dem Jagdausflug geschehen war und Isabella vernahm von den Gästen mit denen er gesprochen hatte und bei denen sie vorbeikam, dass es anscheinend ein Unfall war... erzählte er dies selbst? Zu ihrem Erstaunen musste es so sein. Ihm schien viel daran zu liegen, dass alle an einen Unfall glaubten. Lag es daran, dass er seiner Stiefmutter das Fest nicht verderben wollte? Isabella schüttelte den Kopf, das war doch töricht. Sie hatte selbst bei den Gesprächen seiner Freunde in seinem Gemach am Unfallabend gehört, dass ein Maskierter in den Büschen gelauert hatte. Aber die Gäste waren absolut unbekümmert, da der Sohn des Hausherrn wieder bei Kräften schien, so dachte keiner mehr an eine Abreise.
„Verzeihung". Isabella zuckte zusammen und drehte sich um. Thomas stand neben ihr und machte eine kleine Verbeugung.
„Miss Grey... Rose, ich weiss selbstverständlich, dass ich sie jetzt nicht entführen kann, doch würden sie mir am Ende des Abends die Freude erweisen und mit mir noch einen Nachtspaziergang wagen?" Er trug elegante Stoffe, die auf ihn perfekt zugeschneidert waren. Er selbst war kleiner als de Warenne, doch sein bübisches Lächeln konnte einem in den Bann ziehen. Isabella setzte zu einer Antwort an und da sagte er „Es ist sehr wichtig". Isabella nickte und willigte ein ihn später in der Nacht, wenn die meisten Gäste sich zurück gezogen hatten zu treffen.
Es war schon weit über die Geisterstunde hinaus, als alle Gäste zu Bett gegangen waren und nur noch einige Herren übriggeblieben waren und wie immer zogen sich diese in den Spielsalon zurück. Isabella wollte gerade in ihr Zimmer eilen, um einen Mantel zu holen, damit sie wie versprochen noch den Spaziergang mit Thomas unternehmen konnte.
„Rose" sagte eine warme wohlige und tiefe Stimme. Sofort waren ihre Sinne geschärft und ohne sich um zu drehen, wusste sie wer sich ihr im dunklen Flur näherte. Er trat vor sie und sie spürte, wie er ihre Hüften umfasste und sie sanft gegen sich zog. Völlig benommen von seinem Duft und seiner Wärme, stützte sie sich an seiner Brust ab und versuchte ihn zu küssen. Sie sah, wie er schmunzelte und sagte „Nein meine teure kleine Rose... dieses Mal spielen wir ganz nach meinen Regeln".
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1
Ficción históricaEngland im Umbruch. Der junge König Henry VIII hat nicht das Geschick und das gute Herz seines Vaters geerbt. Er will Krieg und Schottland endlich unter englischer Herrschaft wissen. In diesen Sog gerät der kampferfahrene Alexander de Warenne, Lord...