Kapitel 8.1 - Cymru

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Am Tag der Beisetzung regnete es fürchterlich. Die meisten Hausangestellten, die nicht unbedingt im Haus benötigt wurden um das Leichenmahl vorzubereiten, nahmen an der Zeremonie teil. Isabella stand abseits hinter Carson und Molly. Sie sah auf der anderen Seite des Grabes Alexander, der neben dem Priester stand und ein bisschen weiter neben ihm sassen Alice de Warenne und Lady Elaine. Über den Ladies war ein Dach aus Tüchern aufgestellt worden, doch obwohl es genügend Platz darunter gegeben hätte, standen Alexander und sein Bruder im Regen. Isabella hatte auch die letzten Nächte bei Alexander verbracht und sie hatten oft dagelegen und sich unterhalten. Sie war sehr überrascht gewesen, wie offen er über seine Kindheit und seine Kämpfe gesprochen hatte. Er hatte sie ermuntert ihn alles zu fragen was sie wissen wollte. Im Gegenzug wollte auch er erfahren, wie sie aufgewachsen war. Isabella fühlte sich dann schuldig, da sie ihm nicht die ganze Wahrheit erzählen konnte und so blieb sie rein bei den Tatsachen, die wichtig waren, doch vermied sie es Orte oder Namen zu nennen, die ihre Geschichte aufdecken konnten. Nie im Traum hätte sie daran gedacht einen Engländer zu treffen bei dem sie sich sicher fühlen würde und sich dafür tadelte, dass sie ihn belügen musste. Sie wusste, dass es keinen anderen Weg gab, doch das bittere Gefühl ihn zu verraten blieb. Nur wenn sie sich vereinten, wusste sie, war es die reine Wahrheit. Dort versuchte sie zu überzeugen und ihm sich darzulegen. Sie sprachen über viele Dinge und Isabella begann sich ein Bild zu malen von diesem Hünen. Er war wild und unnahbar in gewissen Aspekten, doch vereinte er in sich eine enorme Sensibilität und dieses gesamte Werk erkannte sie allem voran in ihrem Liebespiel. Er würde nie zu denen gehören, die über gewisse Vorkommnisse sprachen. Er war eher ein Mann der Tat mit einem grossen Gerechtigkeitssinn. Isabella wusste, dass ihm der Tod seines Vaters naheging und er litt, doch nie hatte sie eine Träne gesehen oder gar einen schwachen Moment. Er hatte sich eisern im Griff. Unweigerlich fragte sie sich, was er nun tun würde. War seine Aufgabe hier nun erfüllt und würde er weggehen? Wie könnte sie nur hier bleiben ohne ihn...? Vielleicht konnte sie sich erlauben schon früher auf den Kontinent nach Frankreich zu reisen? Sie musste darüber nachdenken, doch hier war weder die Zeit noch der Ort dafür. Sie blickte zu Alexander. Er stand am Grab und warf eine Schaufel Erde auf den Sarg seines Vaters.

Eine Woche später erwachte Isabella früh morgens in ihrem Bett. Sie verspürte ein unangenehmes ziehen in der Lendengegend. Sie kroch aus dem Bett und trat an die Waschschüssel. Zog das Hinterteil ihres Nachthemdes nach vorne und erblickte einen frischen roten Fleck. Isabella entnahm ihrer Tischschublade ein Baumwolltüchlein, welches sie sich um die Hüften und zwischen die Schenkel band. Dies hatte schon ihre Mutter damals getan, wenn sie einmal im Monat heimgesucht wurde. So musste sie sich nicht zur Ruhe legen und sich eine Woche entschuldigen lassen, sondern konnte ihrer Arbeit weiterhin nachgehen. Als Isabella in ihrer Waschschüssel ihr Nachthemd wusch wurde ihr nun klar, dass dies bedeutete, dass sie nicht empfangen hatte... Tief in ihr bedauerte sie diesen Umstand, doch gleich darauf massregelte sie sich selbst. Sie sollte froh sein, was würde sie nur tun, wenn es so wäre! Es wäre eine unbeschreibliche Belastung und sie müsste sofort untertauchen. Allerdings war es nur eine Frage der Zeit bis sie empfangen würde... Sie würde ins Dorf müssen, um sich das Rezept und die Zutaten zu besorgen oder gar einen Flakon zu erwerben. Das würde teuer werden. Es war unvermeidlich, sie konnte das Risiko nicht eingehen... oder doch? Sie könnte ihn fragen. Oft hatten reiche Herren solche Fläschchen vorrätig, damit sie keine üblen Überraschungen erwarten mussten. Sie könnte es versuchen und ihn fragen.
Als sie am selben Abend neben Alexander lag und er ihr ein Buch zeigte, dass er und sein Bruder als Kinder geliebt hatten, versuchte Isabella die richtigen Worte zu finden. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass er geendet hatte und er sie nun langsam auszuziehen begann. Er küsste jede Stelle, die er entkleidet hatte und als er ihren Rock abstreifen wollte, hielt sie ihn zurück.
„Stimmt etwas nicht? Oder willst du heute" er trommelte mit seinen Fingern sanft auf ihren Bauch „kein Liebesgeflüster?" lächelte er. Isabella hielt seine Hand fest und sein Lächeln erblasste.
„Nun ja... es ist so... euch Herrschaften ist es nicht erlaubt... eine Frau" sie atmete tief ein „zur Unzeit zu beschlafen" endete sie verunsichert. Er rückte nach oben und sah sie an
„Nun ja wir Herrschaften sollten viele Dinge nicht tun. Wie denkst du darüber?" Nun wusste sie nicht was sie antworten sollte, sie konnte ihm ja nicht sagen, dass sie in den Highlands daran glaubten, dass das Blut der Frau im Monat etwas Ehrenhaftes war und sie es als Heilig betrachteten. Jungen Mädchen gebührte ein grosses Fest indem sie ihre Weiblichkeit feierten, wenn sie das erste Mal von ihrer Roten Schwester besucht wurden. Damit würde ihm klar werden woher sie kam.
„Ich denke... es besteht keine Gefahr". Er senkte seine Lippen und küsste sie mit Genugtuung
„Das bedeutet aber auch, dass du nicht empfangen hast" flüsterte er so natürlich, wie eine Frage nach dem Wetter. War er froh darüber? So wie sie? Er sah sie an, als erwartete er eine Antwort von ihr. Hier bot sich nun die einmalige Gelegenheit mit ihm darüber zu sprechen und Isabella zögerte keinen Augenblick
„Nun ich bin dankbar dafür... ich wüsste nicht, wie ich es geheim halten könnte oder wie ich ein Kind ernähren könnte Alexander. Das sind alles Fragen auf die ich keine Antwort wüsste und ich würde kein Kind wollen, dass mit..." sie endete abrupt. Sie konnte den Satz nicht laut aussprechen ein Kind, das mit der Schande eines Bastards leben müsste. Sie senkte ihren Blick „Ich wollte dich Fragen, ob du ein Fläschchen", doch er beendete ihren Satz
„Fläschchen mit dem Saft eines Sadebaumes oder Frauenminze habe?" Er setzte sich auf. Er war verärgert und bevor Isabella etwas erwidern konnte, sprach er „Rose hast du bisher dieses Zeug eingenommen? Hast du deshalb nicht empfangen?" Isabella war verwirrt, sie hätte mit jeder Reaktion gerechnet allerdings nicht damit, dass er wütend werden würde. Er stieg aus dem Bett und blickte sie von der anderen Seite her an „Rose verdammt! Hast du dieses Zeug eingenommen?" Isabella zog sich die Decke unter den Hals, da ihr ihre Nacktheit nun sehr unangenehm war
„Nein!" rief sie und war überrascht, dass sie selbst sehr verärgert klang „Es war eine schlichte Frage Alexander". Er lief um sein Himmelbett und baute sich auf ihrer Seite auf
Schlicht? Herrgott noch eins... Rose, diese Fläschchen sind gefährlich! Es gibt zu viele Quacksalber die... die" er atmete tief ein „Rose... ich werde für dich sorgen, wenn es soweit ist. Glaub mir... es wird dir an nichts fehlen und dem Kind". Isabella blickte ihn entgeistert an. Es war so ziemlich dasselbe was ihr Thomas gesagt hatte, doch glücklich machte sie dieser Umstand nicht. Sie wollte nicht in ein Haus gesteckt werden, fern der Gesellschaft und von seinem Geld leben. Sie rutschte an ihm vorbei auf die Bettkante, liess das Laken los und nahm ihr Hemd zur Hand. Sie schnürte ihr Mieder fest und stand auf
„Nein" sagte sie und ging in Richtung Tür.
„Ach nein... das ist alles?!" knurrte er vom Bett her. Isabella reckte ihren Rücken und trat aus dem Gemach.

Ω

Ihr Rock verschwand hinter seiner Gemachstür und Alec sass mit halbgeöffnetem Mund da und starrte ihr nach. Nein. Dieses Weibsbild hatte es in sich. Jedes vernünftige Frauenzimmer in ihrer Position, hätte dieses Angebot dankend angenommen. Aber weshalb sie nicht? Als sie ihn nach der Frauenminze gefragt hatte, da... da stieg ein Groll in ihm auf, den er sich jetzt nicht mehr erklären konnte. Es stimmte, diese Fläschchen konnten gefährlich sein, aber jede Dirne von hier bis zum East End verliess sich darauf. Er selbst hatte dafür gesorgt, dass die Rothaarige es vor seinen Augen trank, da er nicht mit einem Bastard belagert werden wollte... was hatte sich geändert? Er knüllte sein Kissen zusammen und warf es ans andere Ende des Bettes. So hatte er sich den Abend nicht vorgestellt. Er hatte sich den gesamten Tag ausgemalt, wie er sich heute mit ihr vereinigen würde, bevor er für die Hochzeit von Maximilian und Catherina nach Pembroke reiten musste. Rickard war mit Elaine schon vor ein paar Tagen aufgebrochen und Alice würde hier in Surrey bleiben. Eine frische Witwe könnte man bei einer solchen Feierlichkeit kaum gebrauchen. Er hatte seine Abreise hinausgezögert... doch nun könnte er sich gleich auf die Reise begeben. Frische Luft würde ihm und seinen erhitzten Gedanken nur guttun. Er packte seinen Beutel, die Festtagskleider und weitere Dinge hatten Elaine und Rickard bereits mitgenommen, und verliess sein Gemach. Mit flatterndem Mantel galoppierte er mit Arac in die Nacht in Richtung Carew.

Mehrere Stunden später passierte Arac die Grenze zwischen Pembrokeshire und Carmarthenshire. Die Hochzeit der beiden fand auf Carew Castle statt. Eine ehrwürdige und stolze Burg direkt am Carew River. William de Clare war ein alter Waliser, der durch sein Geschick die Anerkennung von König Henry VII erworben hatte und somit in den verschwiegenen Kreis des kleinen Rates aufgenommen wurde. Pembrokeshire war eine ertragreiche und ausserdem blütenschöne Grafschaft. Es hatte lange gedauert bis die Waliser sich damit abgefunden hatten, dass nun der König von England ebenfalls ihr König geworden war. Aber in den letzten Jahrzehnten hatten sich die adligen Waliser mit den Annehmlichkeiten angefreundet. Alec wusste, dass William, wie er selbst immer hinter dem König von Grossbritannien stand. Im Allgemeinen waren die Waliser ein sehr stolzes Völkchen. Sie waren eher mittelgross, hatten einen dunkleren Teint und meist dunkle Haare. Dies hob sie etwas vom Rest der Engländer ab. Genau wie bei Alec, er war mit seiner grossen Statur und seinen schwarzen Haaren eher die Ausnahme. Vermutlich floss durch seine Adern irgendwo walisisches Blut. Er liess seinen Blick schweifen. Die Landschaft an sich schien saftiger und die Waliser konnten sich mit ihren grösseren und höheren Hügeln besser vor Angriffen schützen. Das war wohl auch der Grund warum die Könige von England lange gebraucht hatten bis sie Cymru unterwerfen konnten. Alec wendete Arac nach rechts und gelangte an den Flusslauf. Dieser würde sie direkt zum Castle führen. Seit er wieder in Surrey war, hatte er an mehr gesellschaftlichen Verpflichtungen teilgenommen, als jemals zuvor. Er war es nicht gewohnt, doch leider liess sich die Hochzeit nicht durch Ausflüchte vermeiden. Dass die Peerage über ihn hinter vorgehaltener Hand tuschelte wusste er, doch es war ihm schlicht und ergreifend egal. Bald würde dies alles keine Rolle mehr spielen. Der Krieg würde kommen und Alec würde danach in Carlisle verweilen, da sie ihn in Surrey nicht mehr brauchten. Er ertappte sich immer öfters bei dem Gedanken, die Grafschaft seinem Bruder zu übertragen... Rickard war lernfähig, dass hatten die letzten beiden Jahre gezeigt. Er war in Alecs Armee eingetreten, hatte seine Ausbildung vertieft und Alec war sich sicher, dass er bereit für seinen ersten grossen Krieg war. Von weitem konnte er nun die Burg sehen, wie sie herrschaftlich neben dem See aufragte. Die Sonne erreichte langsam ihre Mitte und Alec war froh, dass sie es nun nach knapp eineinhalb Tagen geschafft hatten.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt