Im Haus bestimmte mittlerweile geschäftiges Treiben den Ablauf. Einige der Gäste frühstückten noch, während andere sich für die Jagd bereit machten. Sie sah, wie Rickard de Warenne in einem Sessel im Salon sass und sich mit Penelope Beaufort unterhielt. Ab und an stand sie auf und brachte ihm eine Erfrischung. Isabella schmunzelte und ging in Richtung Küche. Als sie den Haupteingang durchquerte, kreuzte sie einmal mehr den Weg mit Ophelia Brandon. Zu ihrem Leid war niemand sonst in der Nähe und ihre Hoffnung unbemerkt an ihr vorbei zu kommen, wurde nicht erfüllt.
„Wen haben wir denn da? Ich hätte nicht erwartet solches Glück zu haben und dich schon wieder und dann noch alleine anzutreffen, du nichtsnutziges Ding!" Ophelia Brandons Erscheinung schien wieder Engelsgleich. Ihre zarten sonnengelben Locken hatte sie mit einem burgunderfarbenen Hut zusammengesteckt, hinten hing ein kleiner Schleier. Sie trug ein eng geschnürtes Reitkostüm in derselben kitschigen Farbe. Obwohl Isabella nicht eitel war, so wurde ihr im Vergleich mit Miss Brandon schmerzlich bewusst, wie schäbig sie selbst aussah. Die satten dunkelblauen Augen funkelten sie böse an „Sag etwas du kleine dreckige Jezebel! Oder muss ich mich noch deutlicher Ausdrücken als gestern Abend? Du wirst mir meinen Zukünftigen nicht verderben, dafür werde ich schon sorgen du Gör. Du bist Nichts und du hast Nichts. Du kannst unmöglich glauben, dass ein Earl sich mit dir mehr als einmal trifft... Hast du dich ihm hingegeben, wird er dich bald leid sein!" und sie fing an zu lachen. Es war ein unheimlich boshaftes Lächeln. Isabella wollte sie am liebsten zu Boden werfen und ihr geben was sie verdient hatte, doch bevor Isabella etwas erwidern konnte, sprach Ophelia weiter „Ich werde dich loswerden, dies ist ein Versprechen... und du wirst es nicht kommen sehen". Ophelias Lächeln wurde breiter. Isabella hatte plötzlich ein ungutes Gefühl, doch noch bevor sie reagieren konnte, tauchte auf der obersten Treppe Alexander de Warenne auf.
„Was für ein Anblick" hauchte er. Sein Blick fiel auf Isabella und dann auf Ophelia. „Meine Damen, ich dachte wir hätten das Kriegsbeil begraben? Gibt es noch irgendetwas zu klären?" Isabella sah ihn angewidert an
„Nein Mylord, es ist alles geklärt". Sie sah von der Seite, wie Ophelia einen triumphierenden Blick auf sie warf. Sie schien an den Worten von de Warenne keinen Zweifel zu hegen, dass sie allein ihr gegolten hatten. Isabella fühlte eine plötzlich aufkeimende Traurigkeit. Hastig rauschte sie an ihnen vorbei in Richtung Dienstbotentrakt, jedoch schloss sie die Tür nicht gänzlich. Als sie die Augen schloss fühlte sie, wie ihr eine Träne die Wange hinab lief. Sie versuchte durch den Spalt der Tür zu lauschen und hörte die warme Stimme des Lords
„Meine liebe Miss Brandon, suchen sie sich doch jemanden in ihrer Grösse"
„Sie scherzen Mylord... bitte nennen sie mich Ophelia, wenn wir beide alleine sind" säuselte sie. Bestimmt hatte sie ihn in eine Umarmung gezogen.
„Sie überraschen mich immer wieder meine Liebe... Ophelia. Ich bin Alexander" sagte de Warenne.
„Oh Alexander" und mit diesen Worten verschwanden beide durch die Eingangstür in den Hof.
„Oh Alexander" äffte Isabella sie wütend nach. „Oh Alexander bitte nennen sie mich Ophelia... es ist eine Schande das Männer auf so einen Schwachsinn hereinfallen!". Isabella lehnte mit dem Rücken gegen die Wand. Zum Teufel mit ihm!Ω
Er geleitete Miss Brandon hinaus in den Hof. Sie plapperte fröhlich über dies und das, doch Alec beschäftigte sich mit seinen Gedanken. Er hatte bemerkt, wie seine Dienstmagd erzürnt war und er glaubte, als sie an ihnen vorbei ging, eine Träne auf ihrer Wange gesehen zu haben. Ihm war nicht klar, wie er das deuten sollte oder wie er selbst empfand. Er hatte einige Erkundungen über Ophelia Brandon einholen lassen und es hatte ihm nicht gefallen. So wie es aussah, war sie wohl schwatzhaft und Ophelia war nicht ganz die liebliche Dame, die sie spielte. Penny hatte ihn über Ophelia in Kenntnis gesetzt und gesagt, er solle sich in Acht nehmen, denn Ophelia Brandon gehöre zu den Damen, die alles dafür taten, um das zu bekommen, was sie wollten. Penny hatte ihm geraten seine intimen Bereiche besser abzuschliessen, nicht das Ophelia Brandon eines morgens bei ihm im Bett läge. Alec hatte dies sofort beherzigt, denn er hatte ungern Lust auf diese Art in eine Ehe gedrängt zu werden. Wenn er schon heiraten sollte, wollte er selbst diese Entscheidung aus voller Überzeugung treffen. Zu diesem Schluss war er in den letzten Wochen gelangt. Der gesellschaftliche Zwang eines Earls, eines Peers im Allgemeinen, forderte es. Seine Zukünftige sollte vertrauenswürdig, verlässlich und sich ihrer häuslichen Pflichten bewusst sein und ihm natürlich einen Erben gebären. Er brauchte eine Frau an seiner Seite, die sich nicht zu schade war Dinge anzupacken und selbst gut zu Recht kam, schliesslich würden sie auf einer Burg leben. Aber auch wenn er hier leben müsste auf Surrey, wo es geordneter und eleganter war, wollte er eine Frau, die mit ihm Dinge unternahm und keine, die sich nur auf ihr Äusseres konzentrierte. Alec fürchtete, dass dies genau auf Miss Ophelia zu traf. Sie hatte durchaus ihre Reize ohne Zweifel, doch wenn er einmal die Kleider und den Schmuck abnahm, was war da noch? Alec wusste, dass es schwierig werden würde eine Dame bei öffentlichen Veranstaltungen zu treffen, die sich nicht ganz an die gesellschaftliche Etikette halten würde. Immerhin wurde das den Mädchen seit ihrer frühsten Kinderstube eingebläut. Nun, er musste Ophelia noch eine Chance geben, damit sie zeigen konnte, was für eine Dame sie ohne all den Prunk war. Eine Woche wie diese war perfekt um dies heraus zu finden. Aber er war nicht in Eile... er hatte da noch etwas um das er sich kümmern musste, dabei war eine frische Ehefrau absolut hinderlich und zu aller erst müssten sie sowieso den Krieg gewinnen. Und dann würde Alec erst einmal in sein geliebtes Cumbria zurückkehren. Nun waren sie bei dem Zelt angelangt, dass seine Stiefmutter hatte aufstellen lassen. Der Himmel war hellblau und die Sonne machte sich daran ihren Zenit zu erreichen. Es würde ein warmer Frühlingstag werden. Ophelia und er setzten sich an einen der runden Tische. Bald darauf erhob sich seine Stiefmutter und sprach
„Meine verehrten Gäste, herzlich willkommen auf unserem Landsitz. Ich hoffe sie haben alle wunderbar genächtigt und freuen sich ebenso, wie ich auf die Jagdveranstaltung. Selbstverständlich müssen die Damen nicht daran teilnehmen, ich denke dies ist vor allem etwas für die Herren, nicht wahr?" Sie lächelte süffisant und sprach weiter „Ich bitte nun alle die auf die Jagd mitgehen, sei es zu Fuss oder mit dem Pferd, sich meinem Sohn Alexander anzuschliessen. Er wird sie über die verschiedenen Jagdtechniken in Kenntnis setzen. Wir haben Hunde, Falken und Musketen. Ich selbst werde meinen Diener mit zur Jagd schicken mit meinem Falken und meinem ausgesprochen talentierten Hund. Wer in dieser Woche am geschicktesten jagt, wird einen Preis von mir erhalten". Die Peers klatschten und Alice fuhr fort „So, dann wünsche ich den Jagenden beaucoup plaisir und sie meine Damen dürfen zu mir an den grossen Tisch kommen, wir spielen Bridge" mit diesen Worten setzte sich seine Stiefmutter an den grössten der runden Tische. Penny und ihre Schwestern folgten der Aufforderung und setzten sich zu seiner Stiefmutter. Maximilian und Philipp Beaufort schlenderten zu ihm hinüber
„Guten Morgen Gastgeber! Und gut genächtigt?" sagte Philipp und klopfte ihm auf die Schultern.
„Morgen Alec, schon länger nicht mehr gesehen. Also ist alles bereit?" sagte Maximilian und schüttelte ihm die Hand. Er war der älteste Sohn der Beauforts und verlobt mit Catherina de Clare. Er war achtunddreissig und ein gross gewachsener Mann. Er hatte, wie alle bei den Beauforts, blondes Haar und braune Augen und trug einen Backenbart, wie viele Politiker es taten. Sein jüngerer Bruder Philipp war kleiner als Alec und Maximilian, hatte allerdings sehr breite Schultern. Auch er hatte braune Augen und blondes Haar, nur trug Philipp seine Haarmähne lang. Alec führte sie in den Innenhof zurück, wo sich schon die Jagdbegeisterten aufgestellt hatten. Jackson stand bei den Waffen und gab jedem Mann eine. Carson bemühte sich den beiden Damen zu helfen, die mit ritten. Es waren Ophelia Brandon und Catherina de Clare. Alexander fand dies nicht wirklich amüsant, es schien ihm zu gefährlich, wenn Damen dabei waren. Aber er wollte keinem den Spass verderben und abgesehen davon würde Maximilian gut auf seine Verlobte achten, wobei er glaubte Catherina würde keine Hilfe benötigen, schliesslich war sie Waliserin. Alle der anwesenden Männer nahmen sich eine Muskete und einen Hund oder Falken. Seine Stiefmutter hatte an alles gedacht. Jeder mit Rang und Namen war hier in Surrey. John Beaufort der Earl of Somerset und seine Frau Marie waren mit ihren Kindern den Zwillingen Alana und Diana; Alana war mit ihrem Ehemann Peter dem Earl of Cheshire und ihrem Sohn Albert da, Diana war die Witwe des Earl of Worcestershire und hatte keine Kinder, Maximilian, John Philipp, Elenore, Claire und Penelope da. Wenn sie nicht so wohlhabend und angesehen wären, hätte sie seine Stiefmutter wahrscheinlich nicht eingeladen. Alec vermutete, dass es seiner Stiefmutter ein Dorn im Auge war, weil sein Vater damals mit seiner ersten Frau Sinead so eng mit dieser Familie verbunden war. Dann waren da noch die Familie de Ferres mit dem ältesten Sohn James, dem Marquess of Derby. Seine Mutter Margareth die Marchioness of Derby, James jüngere Brüder Edward und Howard und die jüngste Prudence, die gerade sechzehn geworden war. Ebenso die Familie von William de Clare dem Duke of Pembroke mit seiner Frau Suzanne und den Kindern Belinda, die Älteste mit ihrem Ehemann Edmund Tudor; Alecs Cousin, Robert, welcher der beste Freund von Rickard war, Catharina; die Verlobte von Maximilian und die jüngste Julia. Ganz im Gegensatz zu der Familie Beaufort, hatten hier alle durchweg schwarzes Haar und helle Augen. William de Clare hatte seinen Titel durch die Politik erworben. Darum mochte ihn seine Stiefmutter sehr. Sie war von Politikern angetan, wie die meisten die London als die Stadt mit dem grössten Prestige ansahen und sie Leute darum beneideten im Zentrum zu sein. Seine Frau Suzanne, die Duchesse of Pembroke, war eine beliebte Gesellschaft für Alice de Warenne, weil sie von ihr den neusten Klatsch und Tratsch aus eben jener Stadt erfuhr. Weiter gab es noch die Familie von David Brandon dem Viscount Suffolk. Alec musste sich eingestehen über diese Familie nicht gerade viel zu wissen. Rickard hatte ihm erzählt das die Viscountess Suffolk, Martha, eine gute Bekannte seiner Stiefmutter war und sie sich öfters trafen. Sie hatten drei Kinder. Ophelia und ihre beiden jüngeren Brüder Ralph und Morton. Man erzählte sich, dies hatte selbst Alec vernommen, dass der älteste Spross Ralph eine Schwäche für Jünglinge besass. David Brandon selbst war ebenfalls Heerführer und Alec hatte ihn im Tower kennen gelernt. Er und seine Soldaten zogen im Herbst mit in den Krieg gegen die Schotten. Alec wusste nicht, wie fähig er war und konnte ihn schlecht einschätzen. Im Tower of London war er einer derjenigen gewesen, die über den bevorstehenden Krieg sehr überrascht schienen, aber Alec hatte nie direkt ein Wort mit ihm gewechselt. Im Allgemeinen waren bis auf den Vater, der klein und dick war, in dieser Familie alle von wirklich wunderschönem Naturell. Die Liste der Gäste konnte noch unendlich so fortgesetzt werden. Seine Stiefmutter hatte weitere Personen mit Rang und Namen eingeladen, die nur an gewissen Tagen ihre Ballwoche besuchten, da es ihre Zeit nicht anders hergab. Alle der eingeladenen Herren schienen an dem Jagdausflug teilzunehmen, ebenso der Dienstbote seiner Stiefmutter, Moris. Jackson blieb beim Haus. Alle waren noch damit beschäftigt ihre Muskete an ihrem Sattel zu befestigen und den Falken in Position zu bringen, als Arac schon bereitstand. Alec musste nur noch seinen Falken holen. Er jagte lieber mit Falke und Hund als mit einer Muskete. Musketen waren im Krieg für die erste Front sinnvoll, doch seine Waffe war und würde immer das Schwert sein. Als er beim Wäldchen ankam sah er den grossen Korb, der vor dem Gehege stand. Er würde ihn nicht brauchen. Er öffnete die Käfigtür und pfiff zwei Mal kurz und einmal lang. Schon hörte er den vertrauten Schrei seines Greifvogels, ein Steinadler. Er wog an die sechs Kilo und seine Spannweite war fast so gross, wie Alec selbst. Ohne Arac und Esquire reiste er nirgends hin. Dies waren seine beiden treuen Begleiter. Als der Vogel sich auf seinem Arm niederliess, zog Alec aus seiner Tasche unter dem Mantel ein totes Kaninchen hervor und warf es Esquire in den Schnabel, der es mit drei bissen hinuntergeschluckt hatte. Als er aus dem Gehege trat, machte er eine Wurfbewegung mit seinem Arm und Esquire erhob sich in die Lüfte. Alec sah ihm kurz nach und gesellte sich dann wieder zu seinen Gefährten. Nachdem er bei den jüngeren und unerfahrenen Jagdteilnehmern alles geprüft hatte, stieg er auf Arac.
„Wir reiten in Richtung Südwest. Dort werden wir ein Waldstück erreichen mit einigen grossen Lichtungen, wo sich die Fasanen vorzugsweise aufhalten. Also dann los geht es!" Niemand hatte sich entschieden zu Fuss zu gehen, jeder hatte sich auf ein Pferd gesetzt. Das war Alec nur recht, so musste er nicht auf langsame Fussgeher Rücksicht nehmen. Was niemandem auffiel war, dass weit oben, wo die Sonne ihre Strahlen über den blauen Himmel warf, der riesige Greifvogel seine Kreise zog. Alec ritt etwas weiter hinten, um alle im Auge zu behalten, denn er hatte James und Philipp damit beauftragt die Führung zu übernehmen. Das Waldstück erreichten sie nach einer guten dreiviertel Stunde. Während die Männer vorwiegend abstiegen, um zu Fuss mit der Muskete und dem Hund zu jagen, blieben die beiden Damen auf ihren Pferden. Maximilian kümmerte sich um seine Verlobte. Miss Brandon dagegen hatte ein Auge auf Alec geworfen und sie ritt auf ihn zu
„Mylord zeigen sie mir den besten Platz um den grössten Fasan zu erlegen?" sagte sie keck.
„Gerne Madam, folgen sie mir" und er ritt mit ihr in das Waldstück. Alec nutze die Gelegenheit die Dame genauer zu ergründen. Er wollte herausfinden, ob sie einem Ehemann voll und ganz verpflichtet war. „Da wir jetzt nun eine ganze Woche Zeit haben uns näher" und Alec sah ihr in die Augen „kennenzulernen, möchte ich auch mehr von ihnen erfahren. Und vor allem wissen, ob sie jedem Gentlemen einen solch fordernden Kuss schenken?" Alec sah wie sie, wie es sich gehörte, rot wurde.
„Natürlich nicht My Lord. Und auch was ich zu ihnen an jenem Abend gesagt habe, meinte ich vollkommen ernst... Sie müssten ihre Vorlieben und Wünsche nicht mehr mit Dienstmädchen befriedigen. Ich weiss, um meine Pflicht als Ehefrau und bin bereit für meinen Ehemann da zu sein". Sie blinzelte ihn auf höchst verführerische Weise an. „Dazu kommt My Lord, dass Frauen in unserer Familie prädestiniert sind Jungen zu gebären" mit diesen Worten gab sie ihrem Pferd die Sporen und galoppierte den Weg entlang. Alec war sich nicht sicher, ob er einwandfrei gehört hatte und war überrascht. Diese kleine Verführerin wollte ihn ködern, das war ihre Taktik.
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Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1
Historical FictionEngland im Umbruch. Der junge König Henry VIII hat nicht das Geschick und das gute Herz seines Vaters geerbt. Er will Krieg und Schottland endlich unter englischer Herrschaft wissen. In diesen Sog gerät der kampferfahrene Alexander de Warenne, Lord...