Kapitel 10.1 - Das Zerwürfnis

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An einem besonders verregneten Nachmittag lag Isabella auf dem Diwan, hatte die gusseiserne Schüssel nahe zu sich herangezogen, die Beine hochgelagert und streichelte ihren Bauch. Eine Pelzdecke hing über der Lehne. Schon seit ein paar Tagen beschäftigte sie ein Gedanke. Sie musste Alexander einweihen. Zum einen, weil er ihren Bauch einfach sehen würde, wenn er weiterhin mit ihr das Bett teilte und zum anderen, weil sie beim Abschied das Gefühl gehabt hatte, sie könnten sich vielleicht erneut annähern. Zum Teufel mit der Rothaarigen! Wenn sie ihm weiterhin ihre Schwangerschaft verschwieg, würde dies am Ende zwischen ihnen stehen. Vielleicht würde er ihre Argumente annehmen und ihre Sorgen verstehen und sie könnten sich gemeinsam eine Lösung einfallen lassen? Sie hörte Schritte, die sich von Aussen näherten. Mit einem Griff zog sie die Decke über sich und das keine Minute zu früh. Dustin trat in das Zelt und verneigte sich
„Mylady, frohe Kunde! Unsere Soldaten haben die Schotten bei Hawick und Duns geschlagen und sichern nun die Stellung. Wir brechen sofort auf und schlagen die Zelte unterhalb von Hawick neu auf" sagte Dustin über das ganze Gesicht strahlend. Isabella war erleichtert, doch es hatte auch einen bitteren Beigeschmack. Die Schotten hatten also nicht damit gerechnet, wenn sie schon zurückgedrängt wurden. Dann verdüsterte sich Dustins Blick „Mylady... leider haben wir nicht genug Pferde da, damit sie reiten können. Die Reise dauert gute sechs Stunden zu Fuss" dabei blickte er verlegen auf seine Füsse „Am besten sie bereiten sich vor, denn in einer halben Stunde marschiert der erste Trupp los". Isabella schluckte leer und nickte. Dustin verschwand aus dem Zelt. Isabella blickte auf ihre geschwollenen Füsse. Doch es half nichts. Sie zog sich an, steckte ihr Stilett in den Mantel und knöpfte ihn zu. In die Truhe hatte sie rasch all ihre Kleidungsstücke gelegt und verschlossen. Sie setzte sich auf einen Stuhl und wartete. Dustin kehrte, einige Zeit später, mit drei weiteren Soldaten zurück und schloss ihre Fessel auf. Die anderen Soldaten begannen damit das Zelt abzubauen. Draussen waren schon fast alle abgebaut worden und die Pferde standen mit ihren Fuhrwerken bereit. Einige weiter hinten luden noch Gegenstände auf die Wagen. Isabella folgte Dustin, der zu einer Truppe lief, die auf sie zu warten schien.

Nachdem sie die sechs Stunden gewandert waren, spürte Isabella jeden einzelnen Knochen und fühlte sich ausserstande noch eine Bewegung zu vollführen. Bis ihr Zelt aufgebaut wurde, konnte sie Unterschlupf in einem kleineren Zelt finden. Sie war so erschöpft, dass sie sofort einschlief. Am nächsten Tag kroch sie gut gelaunt aus dem Zelt. Es musste bereits Abend sein, denn es war Dunkel und überall im Lager brannten die Fackeln. Dustin stand als Wache vor ihrem Zelt „Mylady" sagte er erleichtert „Wir dachten schon wir müssten den Arzt holen lassen" sagte er. Isabella erhob sich und sagte
„Sei gegrüsst Dustin. Wieso einen Arzt?" fragte sie verblüfft.
„Nun ja ihr habt so tief geschlafen... niemand konnte euch aufwecken" sagte er entschuldigend. Isabella musste lachen
„Ist nicht so schlimm, ich war nur unglaublich erschöpft. Kann ich nun in mein Zelt?" Dustin nickte und führte sie an. Es war genau so aufgebaut worden, wie zuvor. Als er ihr die Fussfessel wieder angelegt hatte, sagte Dustin
„Ich werde euch das Essen bringen lassen, ihr seid bestimmt hungrig"
„Ja gerne... Dustin könnte mir jemand den Zuber mit Wasser füllen? Ich benötige unbedingt ein Bad" sagte Isabella. In der nächsten Stunde kippten einige Soldaten immer wieder Eimer voll Wasser in den Zuber und Isabella wartete geduldig bis er genug voll war. Als gerade einige Soldaten wieder ihr Zelt verliessen, trat Thomas ein. Er war gezeichnet vom Kampf und sah ermüdet aus.
„Isabella! Ich musste mich kurz erkundigen, ob es dir gut geht... ich habe gehört, dass diese Idioten dich laufen liessen?!" sagte er verständnislos. Isabella nickte
„Ja, aber es war nicht schlimm" flunkerte sie. Thomas riss den Kopf in die Höhe
„Nicht schlimm?! Sie haben mir gesagt, dass sie dich nicht einmal aus dem Schlaf wecken konnten und dass du den ganzen Tag bis vor kurzem geschlafen hast" knirschte Thomas und setzte sich auf einen Holzstuhl.
„Ich weiss Thomas, aber glaub mir, es geht mir gut... und auch dem Ungeborenen" erweiterte sie. Thomas rieb sich den Kopf
„Es sind solche Hornochsen! Eine Schwangere einen solchen Marsch machen zu lassen". Weitere Soldaten traten mit Eimern in das Zelt und schütteten Wasser in den Zuber.
„Mylady" sagte einer „es ist nun genügend Wasser vorhanden für ihr Bad" meinte er und verliess mit den anderen das Zelt.
„Thomas bitte mach keinen Aufstand... vergiss nicht... niemand weiss etwas davon und wie gesagt, mir geht es gut. Also keinen Grund zur Sorge" sagte sie und machte eine Pause „Wo ist eigentlich Alexander?" fragte sie neugierig. Thomas erhob sich
„Er ist ungefähr eine Reitstunde von hier entfernt und bespricht sich noch mit den anderen Befehlshabern" schmunzelte er und sagte „Ich lass dich jetzt alleine dein Bad einnehmen" er küsste ihre Hand und verabschiedete sich galant mit einem Nicken, als er das Zelt verliess. Isabella entkleidete sich hurtig und stieg in den Zuber. Das Wasser war kalt. Sie schnappte sich die Seife und begann sich damit zu säubern. Die kleinen Ölphiolen goss sie über ihr Haar, rieb es kräftig damit ein, dann spülte sie ihr Haar mit einem Becher.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt