Kapitel 7

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Die letzten Gäste trafen ein und wurden ihren Zimmern zugewiesen. Der Festsaal war mit diversen Blüten verziert worden und einige kleine Sträusse standen auf Anrichten. Alle schienen sich prächtig zu amüsieren. De Warenne hatte sie kurz gesehen. Er stand gut gekleidet und elegant wie immer in einer Ecke und begrüsste die Gäste. Es waren dreissig Gäste geladen, dazu kamen noch vereinzelte Tagesgäste. Zu Isabellas Leidwesen war diese Ophelia Brandon tatsächlich eingeladen worden. Sie sah hinreisend aus in ihrem hellblauen Ballkleid. Ihr Mieder brachte das zarte Dekolleté zum Vorschein, welches nur dürftig von einer weissen Stickerei bedeckt wurde. Isabella konnte einfach nichts Annehmbares an dieser verwöhnten Prinzessin erkennen, sie stolzierte umher wie ein Pfau! Sie war sich auch nicht im Klaren darüber, wie diese Lady zu de Warenne stand. Letztes Jahr hatte er Interesse an dieser Dame gezeigt und Isabella befürchtete, er könnte Miss Ophelia für eine gute Partie halten. Was sie ziemlich ungehalten machte. Nachdem Essen spielte ein Ensemble von Vokalisten und Instrumentalisten, damit die Herrschaften sich dem Tanz widmen konnten. Einige der älteren Männer zog es in den Salon, um zu spielen. Mit Argwohn sah sie, dass de Warenne einige Tänze mit Ophelia Brandon tanzte. Sie schienen sich beide grossartig zu vergnügen und niemand schien sich an ihnen zu stören, ausser Isabella. Sie versuchte ihren aufwallenden Zorn und noch ein anderes Gefühl, welches sie nicht zu beschreiben im Stande war, zu zügeln und fing an das leere Geschirr in die Küche zu tragen. Molly war schon zu Bett gegangen, da sie morgen wieder früh aufstehen musste. Carson, Amelia, Dina und die Dienstboten von Cornwall versorgten die Gäste mit Wein oder stärkerem. Alleine Moris fiel durch seine Abwesenheit auf. Warum man ihn eingestellt hatte, war für Isabella immer mehr ein Rätsel. Allmählich tröpfelten die Gäste von der Tanzfläche und suchten ihre Gemächer auf. Auch die Gastgeberin und Elaine zogen sich zurück. Nun dominierten die Herren den Abend und sassen im Salon. Der Saal, wo vor ein paar Stunden noch getanzt wurde, war leer und de Warenne und seine Angebetete waren nicht mehr zu sehen. Es würde nicht mehr lange dauern, dann konnten die Dienstmädchen in ihre Kammern. Als Isabella ein weiteres Tablett mit leeren Gläsern in die Küche tragen wollte, hörte sie ein poltern und danach einen Schrei. Isabella liess das Tablett fallen, wodurch die Gläser zerbarsten und rannte in die Richtung, woher der Schrei kam. In der Eingangshalle lag eine Gestalt am Ende der Treppe. Daneben kniete eine junge Dame mit blondem lockigem Haar. Isabella kannte sie... sie musste die Jüngste der Beauforts sein.
„Was ist passiert Mylady?" Sie sah entgeistert zu Isabella auf, jedoch war sie nicht in Panik, sondern sprach gefasst
„Er ist die Treppe hinunter... das Geländer hielt ihn nicht. Es liess nach und dann stürzte er. Rickard?!"
„Mylord hören sie mich?!" Isabella sah alte Erinnerungen aufflackern. Sie tastete seinen Kopf ab, aber entdeckte kein Blut. „Mylady, bitte sehen sie zu, dass ihn niemand bewegt, ich werde nach Doktor O'Leary schicken, bleiben sie bei ihm"
„Aber Miss, es ist bestimmt niemand mehr im Stall oder?" rief Penelope Beaufort Isabella hinterher. Doch sie achtete nicht darauf, sie würde im schlimmsten Fall selbst gehen. Sie hastete in die Stallungen und Lady Penelope behielt Recht. Keiner war mehr da. Isabella machte kurzen Prozess. Sie schnappte sich den Zaum von Arac und rannte zu seiner Box. Der Hengst stand in freudiger Erwartung da.
„Bitte mein Lieber, du musst mich zu Doktor O'Leary über den Hügel bringen". Sie führte den Hengst aus dem Stall, für einen Sattel war keine Zeit. Sie flüsterte dem Hengst gut zu und hastete zum Haupttor, öffnete es und stieg auf. Der Hengst wartete geduldig und galoppierte dann los... Isabella hörte den ihr nachhallenden Fluch nicht mehr. Der Hengst galoppierte über die Hügel bis zum Haus von Doktor O'Leary. Isabella sprang ab und klopfte an die Tür des Holzhauses. Drinnen war es dunkel, doch als sie ein paar Mal gegen die Tür polterte, flammte ein Licht auf. Die Tür wurde geöffnet und Doktor O'Leary erschien in seinem Schlafanzug mit einer Öllampe vor sich, hinter ihm konnte sie seine Frau erkennen.
„Doktor O'Leary Verzeihung aber". Sie war vollkommen ausser Atem „aber Rickard de Warenne ist gestürzt, wir brauchen sie". Doktor O'Leary nickte und zog sich zurück um sich anzuziehen, keine zwei Minuten später sass er auf seinem Pferd und galoppierte mit Isabella zum Haus der de Warennes. Auf halber Strecke kam ihnen ein Reiter entgegen und Isabella erkannte ihn sofort. Alexander de Warenne. Wusste er nicht, dass sie schon zu O'Leary geritten war? Er kam ihnen entgegen und sie wurden langsamer.
„Was zum Teufel ist hier los?!" sagte er aufgebracht. Isabella sprang sofort ein
„Ihr Bruder Rickard ist gestürzt und ich ritt zum Doktor". O'Leary nickte
„Lasst uns nun keine kostbare Zeit verschwenden" und sie preschten zum Herrenhaus zurück. Die Pferde liessen sie draussen stehen. Im Haupteingang war es finster und keiner der Gäste war aufgewacht. Rickard de Warenne sass mittlerweile und hielt sich den Kopf. Daneben stand eine äusserst unwirsche Penelope Beaufort und schüttelte den Kopf. Als sie die Herrschaften sah, sagte sie sofort
„Alec ich habe ihm gesagt, er müsse liegen bleiben, doch er tat es nicht! Wenn er nun irgendwelche Schäden hat, ist es seine eigene Schuld". Doktor O'Leary kniete sich neben Rickard de Warenne und untersuchte ihn.
„Nichts Oberflächliches. Vielleicht hat er sich etwas zu arg den Kopf gestossen. Hast du Kopfschmerzen Rickard?" Er blinzelte ein paar Mal in die Öllampen, die man ihm entgegenhielt
„Ja mein Schädel brummt und ich fühle mich etwas benommen, aber sonst fehlt mir nichts". Er blickte zu Lady Penelope Beaufort „Wirklich Penny, es ist nichts Schlimmes. Dok sagen sie ihr das bitte?" Doktor O'Leary sah ihn an und dann de Warenne
„Am besten wir bringen ihn in sein Bett, kalte Tücher zum Kühlen und ein gesunder Schlaf sind die beste Medizin. Aber Rickard, du wirst dich einige Tage schonen müssen. Das heisst kein gebranntes Wasser und jegliche körperlichen Anstrengungen sind untersagt". Die Männer konnten sich das Lachen nicht verkneifen.
„Ja Dok das wird wohl das Schwierigste werden". Sie hievten Rickard de Warenne hoch, um ihn in sein Gemach zu bringen. Isabella hastete in die Küche um kalte Tücher zu holen. Lady Penelope folgte ihr
„Ich würde gerne helfen Miss" sagte sie und sah sie auffordernd an. Isabella spürte, dass sie dieser Dame dies nicht abschlagen konnte und gab ihr die Tücher. Isabella nahm eine Schüssel mit Wasser. Gemeinsam gingen sie in den dritten Stock zu Rickard de Warennes Gemach. Sie klopften an und Alexander de Warenne öffnete die Tür. Rickard de Warenne lag schon in seinem Bett. Als Isabella die Schüssel abstellte und die Tücher kühlen wollte, war Penelope Beaufort schon dabei dies zu tun. Sie tauchte die Tücher in das kalte Wasser und benetzte sehr vorsichtig seine Stirn. Er verzog in spielerischer Art das Gesicht, als hätte er schmerzen. Lady Penelope schlug ihm den nassen Lappen ins Gesicht. Sie schien ungehalten darüber, dass er scherzte und wollte sich von ihm wegdrehen. Doch da ergriff er ihre Hand und legte sie auf seine Brust, natürlich über die Decke, so wie es sich schickte. Diese warmen Blicke, die sie austauschten, sagten mehr als tausend Worte, fand Isabella. De Warenne musste es auch gesehen haben, denn als er die beiden anblickte, schien er zufrieden. Isabella hatte gar nicht bemerkt, dass Doktor O'Leary schon wieder gegangen war.
„Miss Grey kann ich sie kurz sprechen, unter vier Augen?" und er deute auf die Tür. Sie gingen nach Draussen auf den Flur. „Was genau ist passiert?" Isabella sah ihn an und sagte
„Mylord ich weiss es nicht, ich hörte einen Schrei und bin in die Eingangshalle gerannt und da lag ihr Bruder. Lady Penelope sagte, dass er sich am Geländer gehalten hatte, es nachgab und so stürzte er hinab". De Warenne blickte sie an. Seine Augen funkelten
„Und wieso in drei Teufelsnamen haben sie meinen Hengst genommen?!" Er schlug mit der Hand gegen die Wand und sagte „Er hätte sie töten können, ist ihnen das klar?!" Isabella war verwirrt. Wieso wurde er nun wütend!?
„Ich habe versucht ihrem Bruder das Leben zu retten, falls euch das entgangen ist! Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen... ich brauche keinen Beschützer" gab sie forsch zurück.
„So, dass denken sie also? Ich habe gesehen, wie dieses Pferd gestandene Männer abgeworfen und sie fast zu Tode getrampelt hat... Arac ist kein" sagte de Warenne, doch Isabella fiel ihm ins Wort
„Kein was? Ein Tier? Ich verstehe mich gut mit Pferden, wenn ich das so sagen kann. Und ich wusste, dass er mir nichts antun würde. Arac wusste, dass es wichtig war" schloss sie. De Warenne schüttelte den Kopf
„Mir fehlen die Worte..." er atmete tief aus und bohrte sich in ihre Augen „Mir ist klar, seit dem Tag, an dem sie dieses Pferd berührt haben, dass er ihnen traut. Aber". Isabella stellte sich vor de Warenne
„Aber sie trauen ihm nicht... das scheint mir ziemlich ungerecht. Ich spüre, dass zwischen ihnen ein starkes Band herrscht und ihr Pferd sie niemals enttäuschen würde". Sie lächelte ihm zu. Sie wusste, dass sie dieses Wortgefecht gewonnen hatte und er es ebenfalls einsehen musste.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt