Kapitel 3.5 - Ein Ritt zu Zweit

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Als Isabella im Hof stand, sah sie niemanden, erst als sie in Richtung Stallungen ging, sah sie den Engländer bei seinem Schwarzen. Das Pferd wirkte ruhig, aber wachsam. „Vorsicht! Nicht zu nahe. Er mag keine Fremden" sagte der Engländer kalt. Isabella, die ihre Hand schon ausgetreckt hatte, hielt inne
„Ich kenne mich mit Pferden aus, Mylord" und noch bevor er etwas weiteres erwidern oder sie aufhalten konnte, strich sie dem Pferd über die Nase. Das Pferd öffnete seine schläfrigen Augen und schnaubte, es geschah jedoch nichts. Missmutig so schien es ihr, sattelte er den Hengst fertig. Isabella versuchte ihr grinsen zu verbergen, es gelang ihr aber nicht sonderlich gut. Als er wieder zu ihr sah, zog er die Augenbrauen zusammen und sagte
„Hier, umziehen. Hosen und ein Hemd. Für die Reise ist ein Kleid zu umständlich". Er warf ihr die Kleider zu und Isabella sah sich um. „Da hinten ist eine freie Box und es ist niemand hier, zieh dich dort um" ohne ein weiteres Wort wandte er sich wieder seinem Hengst zu. Nah schön, dann würde sie sich eben umziehen. Sie stapfte in die Box und zog sich die Hose unter ihrem Kleid an. Wie auch das Gewand von Gestern, war die Hose zu gross. Es war eine dicke Leinenhose, die schön warm gab. Sie war dunkelgrau und hatte Flicken an den Knien. Sie streifte sich das Kleid ab und zog sich das Hemd über. Es war aus Wolle und gab ebenso warm. Nur war das Hemd blau kariert. Isabella war gerade dabei ihr Kleid zu falten, als sie eine flötende Stimme vernahm.
„Mein lieber Lord Blackheat, sie reisen ab? Und sie wollten sich nicht von mir verabschieden?"
Isabella spähte durch einen Spalt der Holzlatten. Da stand, in einem teuren hellblauen Reitkostüm, eine engelhafte Dame. Ihre goldenen Locken strahlten mit der Sonne um die Wette. Ihre Mähne wurde von einem kleinen Hut im Zaum gehalten. Eine Hand stütze sie auf ihren Sonnenschirm, der genauso hellblau war. Isabella war klar, dass dies wieder eine dieser Damen war, die sich zwar als Reiterin ausgab, aber so wenig damit zu tun hatte, wie sie im Moment elegant war. Die blonde Schönheit drehte sich zum Pferd hin
„Ach ist dies ein wunderbares Geschöpf... es gleicht in Kraft und Eleganz seinem Besitzer" und ihre Wimpern klimperten unaufhörlich. Sie streckte ihre Hand aus, wie zuvor Isabella. Isabella sah, dass der Engländer etwas unsicher war, ob nun sein Pferd wie vorhin, ruhig bleiben würde. Jedoch noch bevor die Hand der Dame die Nüstern berührt hatte, stieg der Hengst wie wild auf seine Hinterläufe und protestierte lauthals. Die Dame fiel in gespieltem Schrecken nach hinten und de Warenne fing sie auf. Genau das hatte sie beabsichtigt! Isabella konnte nicht mehr viel sehen, sie sah nur, dass er sie immer noch in den Armen hielt. Mit Zorn, der mit ihrem Lachen vermischt war, stolperte Isabella über den Wassertrog und es krachte. Sie sah noch, wie beide sich nach der Box umsahen. Nun war das Versteckspiel vorbei. Isabella trat aus der Stallbox. Der Engländer stellte seine Dame wieder aufrecht hin und räusperte sich. Von dem engelhaften Mädchen war keine Spur mehr zusehen. Das Gesicht verzerrt und Blicke so tödlich, wie Schwertspitzen. „Duuuuu!!! Was in allen Namen tust du hier?! Du bist die von letzter Nacht, nicht wahr!? Spionierst du diesem Lord etwa hinterher??" fing sie zu keifen an.
„Meine Liebe, beruhigen sie sich" versuchte de Warenne beschwichtigend zu sagen. Seine Liebe... pah... dieses elende Weibsbild, dachte Rose grimmig.
„Verzeihung Mylady, ich wusste nicht, dass es Vorschriften gibt, wo man sich aufhalten darf?" sagte Isabella spitz.
„Du dreckige kleine...! Na warte" und die gute Dame vergass ihre Manieren. Sie stampfte auf Isabella zu, doch Alexander de Warenne war schneller.
„Meine Dame, ich bitte sie, darf ich mich erklären meine Liebe?" Er sah die blonde Rachegöttin an und nahm ihre linke Hand in seine „Ich danke euch, dass ihr um mein Wohlergehen besorgt seid, doch seid unbekümmert, ich kann auf mich selbst aufpassen". Isabella schnaubte und die Rachegöttin schenkte ihr einen vernichtenden Blick, jedoch schienen sich ihre Züge zu glätten. „Ich muss heute nach Surrey zurückreiten und nach dem Rechten sehen. Miss Grey muss mich begleiten, denn ich habe nur wenig Gesindel, welches mir zur Seite stehen kann" sagte er sanft und küsste ihren Handrücken. Doch dies schien sie noch nicht ganz zu beruhigen und sie stand so nahe an de Warenne heran, dass wenn jemand sie gesehen hätte, sie sofort zur Sittsamkeit ermahnt worden wären. Isabella lief ein kalter Schauer über den Rücken und ihr Gefühl verstärkte sich. Die blonde Dame stand auf ihre Zehenspitzen und drückte dem verwunderten Lord einen Kuss auf die Lippen. Das Herz sank ihr in die Hose, er würde doch nicht auf so ein billiges Ding hereinfallen?! Isabella packte ihren Leinensack und krallte ihre Finger hinein. Er löste sich von diesem Flittchen und Isabella konnte zu ihrer Verwunderung keine dunkle Erregung in seinen Augen erkennen. Sie sah nur eine Art aus Überraschung und... „Mylady ich hoffe für sie, dass sie nicht immer so forsch sind? Für gewöhnlich möchte ich eine Dame erst kennenlernen". Isabellas Herz wollte soeben einen Hüpfer machen bei der Vorstellung, dass er nun diese feine hochnäsige Dame zurückweisen würde, doch er sprach weiter „Die Gelegenheit wird sich bald erneut ergeben Miss Brandon. Meine Stiefmutter wird im Frühling ein Fest veranstalten und ich hoffe sehr, dass ich sie dort wieder antreffen werde" somit küsste er ihren Handrücken erneut und Miss Brandon zog, mit einem letzten gehässigen Blick auf sie, von Dannen. Also war er doch an ihr als Gattin interessiert. Wehmütig sah Isabella in den Himmel, er war wolkenverhangen. Er könnte jeden Moment aufbrechen und der Regen würde sich über die Landschaft ergiessen. Isabella blinzelte einige Male und sah dann wieder zu diesem verführerischen Engländer. Er stand bei seinem Pferd und beobachtete sie. Isabella spürte sofort, dass sie gerade zu viel von sich preisgegeben hatte und packte ihren Leinensack noch fester.
„Wo ist die Kutsche oder der Einspänner?" noch bevor er antwortete, wusste sie, dass ihr die Antwort nicht gefallen würde.
„Wir reiten" er nahm ihr den Sack ab und band ihn quer hinten an den Sattel „zusammen auf meinem Araber". Isabella schwor sich bevor sie losgeritten waren, dass sie es nicht eine Sekunde geniessen würde mit ihm auf einem Pferd zu reiten. Sie wollte partout nicht, dass er sich wohlfühlte und schon gar nicht sie selbst. Die Reise war anstrengend. Er ritt nicht denselben Weg zurück, wie sie mit der Countess hergekommen war. Ab und an sah sie ein Schild das ihr sagte in welchem Dorf sie sich gerade aufhielten, denn zwischen ihnen fiel selten ein Wort und Isabella war froh darüber. Weiter oben in den Hügeln wurde der Wind zehrender. Sie wickelte sich fester in ihren Biberfellmantel, den ihr de Warenne noch vor der Abreise gegeben hatte. Gott sei Dank war er so umsichtig gewesen, denn nur mit dem Hemd und den Hosen wäre ihr, zumindest am Abend, unglaublich kalt gewesen. Einmal hatten sie bis jetzt angehalten und sich in einer Gaststube aufgewärmt. Man hatte den Sohn des Lords gekannt, er musste also öfters in dieser Umgebung unterwegs sein. Interessanter Weise sprach ihn niemand mit Lord oder Viscount Blackheat an. Einige nannten ihn Earl of Cumberland oder einfach nur Alec. Sie fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Normalerweise war man doch, die Engländer noch mehr, auf seine Abstammung stolz und prahlte damit. Wieso tat dies dieser Engländer nicht? War es ihm gleichgültig? Isabella wusste wenig über ihn oder über das was er tat. Zu Anfang hatte er erwähnt, dass er nur vorübergehend hier war, weil sein Vater krank sei. Für sie hatte es so geklungen, als wäre er sonst nicht für seinen Vater tätig, sondern verfolge andere Ziele. Sie unterdrückte ein Gähnen. Nach mehr als zwölf Stunden tat Isabella alles weh, mehrheitlich deswegen, weil sie unter grösster Anstrengung versuchte sich nicht nach hinten zu lehnen, um sich auf keinen Fall an seiner Brust abstützen zu müssen. Mittlerweile war die Nacht über sie hereingebrochen und sie hoffte inständig, dass er so gütig sein und sie ein Zimmer nehmen würden. Ihm allerdings die Genugtuung zu geben, indem sie ihn darum bitten würde, käme für sie niemals in Frage. Ihr Blick fiel auf ein Strassenschild, auf dem ein Dorf namens Minehead stand. Gerade in diesem Moment brach de Warenne nach langem Schweigen die Stille „Wir befinden uns nun in der Grafschaft Somerset, um genau zu sein, in West Somerset. Wir werden uns in einer Gaststätte niederlassen, wenn dies recht ist?" Isabellas Herz sprang vor Erleichterung auf und ab und sie sagte etwas zu euphorisch, als beabsichtigt
„Natürlich! Ich bin absolut damit einverstanden" da er hinter ihr sass, konnte sie nicht sehen was er für einen Gesichtsausdruck machte, doch ihr war, als hätte er geschmunzelt. Fast niemand schien noch unterwegs zu sein und als sie vor einer grossen Gaststätte anhielten, stieg er ab und half ihr vom Sattel. Ein Stallbursche kam und de Warenne liess sich mit dem Pferd die Stallungen zeigen. Als er sein Pferd von Sattel und Zaum befreit hatte, meinte er zu dem Burschen
„Er kann ruhig eine extra Portion vertragen". Der Junge nickte und holte einen grossen Eimer voll Hafer. Alexander de Warenne gab dem Jungen ein paar Münzen und kam dann wieder zu Isabella, die im Stalleingang stehen geblieben war.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt