Ω
Alec hatte die gesamte Nacht kein Auge zugetan. Er sass im Arbeitszimmer und dachte nach. Die letzten beiden Nächte waren intensiv gewesen, wie er es noch nie in seinem Leben erfahren hatte. Es war nicht nur ein wilder vor Lust bebender Akt. Nein, er wusste es war mehr. Diese Frau sie war... überwältigend! Er hatte gedacht, dass seine Leidenschaft ihr gegenüber abnehmen würde, wenn er sich mit ihr vereint hätte, aber das Gegenteil schien der Fall zu sein! Er verstand es nicht. Er wollte sie an seiner Seite wissen. Es kränkte ihn, dass sie für ihn arbeiten musste, während er ihr doch nur schöne Dinge schenken und sie in Sicherheit wissen wollte. Doch all das konnte er nicht. Nicht hier. Bei ihm in Cumberland, auf Carlisle, wäre es denkbar... Seine Leute standen hinter ihm und hätten nichts dagegen, wenn er nur sie als Frau hätte. Sie würden nichts dagegen unternehmen. Dort oben kümmerte es Wenige, was in den Bezirken um London und den König herum passierte. Doch genau Cumberland würde er vermutlich noch verlieren, wenn er den Rat des Königs strategisch günstig zu heiraten ausschlug. Dessen war Alec sich ziemlich sicher. Er ballte die Faust um sein Glas, sodass die weissen Knöchel seiner Finger hervortraten. Ihm fiel nichts ein, wie er dieses Problem umgehen konnte. Hier musste er eine Eigenschaft der Schotten loben. Auf reine Titel gaben sie wenig Wert bei Vermählungen. Die Kraft, der Reichtum und das Ansehen galten dort mehr. Er leerte sein Glas und blickte aus dem Fenster. Der Horizont erschien nun in ganz hellem blau. Einige grauweisse Wolken hingen trübe schwebend an der Himmelsdecke. Er stand auf. Es hatte keinen Sinn weiter zu grübeln. Er machte sich auf den Weg in das Speisezimmer um das Frühstück zu sich zu nehmen. Die geladenen Gäste kamen erst gegen Mittag auf die Beine, da es für viele in der Nacht spät geworden war. Alec bemerkte Rickard am Frühstückstisch, der äusserst zerknirscht aussah. Penny sass nicht allzu weit von ihm entfernt und stach verdriesslich auf ihr Essen ein. Rickard war ein Idiot. Alec dachte nach dem Treppensturz, dass Rickard nun endlich erkannte hatte, was Penny für eine wundervolle Frau abgeben würde. Aber Gestern war er mit der Witwe Davenport in seinem Gemach verschwunden. Alec fragte sich, ob Penny ihm das, wenn sie es denn wusste, verzeihen würde. Er stapelte einige Köstlichkeiten auf seinen Teller und setzte sich hin. Am Nachmittag gab es verschiedene Grüppchen. Einige der Damen, darunter fielen auch Elaine, Penny, Prudence de Ferres und die Verlobte von Maximilian, Catharina de Clare, ritten an einen kleinen See in der Nähe um zu baden. Die Matronen blieben zurück bei seiner Stiefmutter Alice und spielten Karten. Einige der Gentlemen wollten nochmals Jagen und wurden von Philipp und Rickard angeführt. Alec setzte sich zu den jüngeren Kindern ins Gras und spielte mit ihnen. Als Thomas vorbei lief, hetzte Alec die Kleinen auf seinen Freund, die ihn mit grossem Geschrei dazu nötigten sich auch zu ihnen zu setzen.
„Was ist mit dir los Alec?" fragte Thomas und warf einen Ball etwas weiter weg ins Gras und die Kinder sprangen ihm hinterher. Alec seufzte
„Nichts mein Freund... es gibt viele Dinge, die mich beschäftigen". Thomas sah ihn lange an und erwiderte
„Es hat nicht zufällig mit einer dunkelhaarigen Schönheit zu tun?" Alec blickte Thomas missbilligend an
„Darüber spreche ich mit dir nicht". Thomas fing an zu lachen
„Alec verdammt... ich kenne dich zu gut um zu wissen, dass dir das Mädchen was bedeutet. Du hast... nun ja" er senkte seine Stimme, da die Kinder wieder zu ihnen rannten „dich noch nie auf so etwas eingelassen. Ich hoffe du weisst, dass ich auf deiner Seite bin?" Annabeth Tudor setzte sich auf den Schoss von Thomas und biss herzhaft in einen Apfel.
„Von was redet ihr?" wollte sie neugierig wissen. Doch Alec stahl ihr den Apfel aus der Hand und biss ein Stück ab. Annabeth kletterte auf ihm herum bis sie den Apfel wieder hatte.
„Von nichts du kleiner Naseweis" meinte er.
„Hmm... wo ist die schöne Rose?" sagte sie auf einmal und Thomas musste erneut lachen.
„Welch scharfe Intuition" meinte Thomas erheitert. Alec liess sich nicht aus der Ruhe bringen und begann mit den Kindern Verstecken zu spielen. Als der Nachmittag zu Ende ging, zogen sich alle Herrschaften zurück, um sich für das Dinner vorzubereiten. Alec hatte sich nicht gross an Gesprächen beteiligt, da er immer noch zu tief in seiner Gedankenwelt verweilte. Als die Dienstboten den letzten Gang abgeräumt hatten, schlenderten die Peers nach und nach in den Ballsaal. Dort hatten die Diener Stühle aufgestellt und vor ihnen stand eine kleine Bühne. Seine Stiefmutter hatte wirklich an allerlei Zerstreuung gedacht. Prudence de Ferres und Julia de Clare spielten zusammen ein Duett auf dem Cembalo und Ophelia Brandon zeigte ihr Können im Singen und beim Solo mit einer Schossgeige. Alec war nicht erstaunt. Es war eine wundervolle Darbietung zweifellos. Viele Peerage Mädchen wurden von ihren Eltern dazu gebracht genau diese Fertigkeiten zu erlernen. Da es aus der Sicht der Peers keine besseren Vermählungsattribute gab, als diese. Nach den Darbietungen der Damen wurde das Stück einer Oper aufgeführt und die Gäste lauschten gebannt der Vorstellung. Alecs Blick wanderte über die Menge und er erblickte Rose, die sich an der Seite aufhielt und gewissen Damen ab und an Erfrischungen reichte. Er genoss die Oper. Es war eine relativ neue Unterhaltungsform, in welcher Protagonisten das Stück mit Sangeseinlagen unterstrichen. Die Stimmen waren meist sehr kräftig und selbstverständlich männlich. Stunden später, die meisten Gäste hatten den Weg bereits in ihre Betten gefunden damit sie für den letzten Tag bereit sein würden, bat Alec Carson seinen Zuber im Ankleidezimmer mit Wasser zu füllen. Sollte Carson diese Bitte erstaunt haben, liess er sich nichts anmerken. Jetzt müsste Alexander nur noch eine bestimmte Person finden. Als er den Festsaal betrat, fiel sein Blick auf der Stelle auf das Objekt seiner Begierde. Bevor er jedoch ein Wort sagen konnte, versperrte ihm Ophelia den Weg.
„Lord Blackheat... Alexander... ich habe das Gefühl, dass wir schon eine Ewigkeit nicht mehr miteinander gesprochen haben". Alec sah in ihre schönen Augen, jedoch war sein anfängliches Interesse ein für alle Mal dahin. Er hatte einen ganz genauen Einblick in den Charakter dieser Dame erhalten und wusste, dass sie nicht seine Kragenweite war.
„Ja, da sind sie vollkommen im Recht My Lady. Ich habe Verpflichtungen, wie sie wissen, die mich aufhalten". Alec wollte sich soeben aus ihrem Griff lösen, doch sie hielt ihn fest
„Alexander... geht doch noch ein Stück mit mir. Im Hof?" sagte sie bestimmend und Alec nickte widerwillig. Als sie die Treppe des Haupteinganges hinter sich gelassen hatten, steuerte Ophelia auf die Stallungen zu. „Nun würde ich es nicht besser wissen, würde ich glauben ihr meidet meine Gesellschaft?" meinte sie vollkommen unverblümt. Alec antwortete nicht sofort, erst als sie die Stallungen betraten
„Da habt ihr vielleicht nicht ganz unrecht My Lady" sprach Alec vorsichtig.
„So nun... ich dachte wir hätten einiges gemeinsam" sagte Ophelia deutlich beleidigt und liess seinen Arm los. Sie trat an die Stalltür und blickte hinein. Er hörte, wie ein Pferd im Innern schnaubte. „Ich muss sagen, dass ich darüber enttäuscht bin Alexander. Immerhin habt ihr mich darin bestätigt". Bevor Alec etwas sagen konnte, sprach Ophelia weiter „Ihr scheint mir momentan zu sehr... beschäftigt mit anderen Freuden. Das ist ziemlich bedauerlich, aber ich kann warten, mein Lieber". Sie drehte sich um und Alexander gewahr ein boshaftes Glänzen in ihren Augen. Sie schritt auf ihn zu und starrte ihn an „Ich will hier auf keinen Fall einen Skandal heraufbeschwören, aber eure... Gespielin scheint mir ein Geheimnis zu haben, dass euch vielleicht schaden könnte". Alec wiedersprach
„Ich denke über gewisse Dinge solltet ihr euch nicht den Kopf zerbrechen" setzte Alec an, doch er kam nicht weiter.
„Alexander, ihr braucht euch nicht zu verstecken". Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. „Ich weiss darum... ich werde auch erfahren was dieses Mädchen für ein Geheimnis hat. Und ich fände es ziemlich bedauerlich, solltet ihr in einen Skandal verwickelt werden und euren guten Ruf riskieren würdet". Damit drückte sie Alexander sanft zurück zum Haus. Vor dem Haupteingang öffnete Alexander die Tür und liess die Dame ein
„Miss Brandon, ich bin dankbar, dass ihr ein solches Vertrauen in mich setzt und euch mein Ruf so sehr am Herzen liegt, doch lasst es mich so ausdrücken; ich bin nicht auf der Suche nach einer Ehefrau, darum habe ich mich von euch zurückgezogen. Das hat nichts mit allfälligen Geliebten zu tun. Ich hoffe ihr grollt mir nicht. Ich wünsche euch eine gute Nacht My Lady". Ophelia Brandon neigte ihren Kopf und stieg die Haupttreppe nach oben. Alec sah ihr nach, machte dann auf dem Absatz kehrt und lief in den Festsaal, wo er zuletzt Rose gesehen hatte. Was Ophelia Brandon gesagt hatte, nahm er nicht ernst. Sie war zweifellos eifersüchtig und gekränkt, da sie nicht das bekam, was sie begehrte. Doch das Funkeln in ihren Augen verhiess nichts Gutes. Alec war heilfroh, dass die Festlichkeit nun dem Ende entgegen ging und er sich danach keine Gedanken mehr, um dieses verschmähte Weibsbild machen müsste. Alec sah, wie Rose und eine weitere Dienstbotin die Kerzen im Saal ausbliesen. Er wartete etwas verdeckt hinter einem Gobelin und als die zweite Dienstmagd an ihm vorbei in Richtung Dienstbotentrakt huschte, trat er hervor. Rose blickte sofort auf und fand seinen Blick. Sie blies die letzte Kerze aus und kam auf ihn zu. Im Festsaal war es nun stockdunkel. Nur das Mondlicht trat in die Fenster und liess einen silbernen Schimmer über alles gleiten. Alexander schloss die doppelten Flügeltüren und sah Rose an. Das Mondlicht schmeichelte ihr und liess ihre Haut wie Porzellan erscheinen. Er senkte seinen Kopf und küsste sie auf ihren Mund. Ihre Lippen waren weich und liessen ihn für einen Moment vergessen, wo sie sich befanden. Er nahm ihre Hand und zog sie leidenschaftlich an sich. Rose wand sich aus seiner Umarmung und ohne Musik begannen sie eine Volta zu tanzen. Es war eine absolut skandalöse Tanzart und Alec war überrascht, dass dieses Dienstmädchen diesen verruchten Tanz beherrschte. Sogar nur wenige der jüngeren Herrschaften konnten ihn und er wurde auch nur in sehr exklusiver Gesellschaft getanzt. Meist an Maskenbällen. In der stille der Nacht, glitt er mit ihr durch den Saal. Sie beherrschte jede intime Berührung und er genoss die Art ihrer Verführung. Er hob sie in der einen Umdrehung hoch und sie wirbelte an seiner Seite in der Luft umher. Ihre Röcke wellten sich und gaben ihre Knöchel preis. Genau das war der Grund wieso der Tanz verpönt war. Als sie nach einiger Zeit an der Flügeltür vorbeikamen, beendete er den Tanz abrupt. Sie war darauf nicht gefasst und stolperte beinah. Alexander hielt sie fest und hob sie mit beiden Händen vor sich hoch. Sanft und langsam liess er sie ganz nah an seinem Körper nach unten gleiten. Sie liess ihre Hand in sein Haar wandern und spielte mit einigen Strähnen. Leise wisperte sie
„Alexander... du bist verrückt... Gott weiss, wer uns alles sehen kann". Sie legte eine Hand an seine Wange. Sie war eiskalt und das erinnerte Alec an sein Vorhaben.
„Interessant. Mich weist du zurecht, jedoch bist du diejenige, die diesen Tanz als Frau auch beherrscht" er küsste sie auf ihren süssen Mund „Komm mit... ich habe Etwas für dich".
DU LIEST GERADE
Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1
HistoryczneEngland im Umbruch. Der junge König Henry VIII hat nicht das Geschick und das gute Herz seines Vaters geerbt. Er will Krieg und Schottland endlich unter englischer Herrschaft wissen. In diesen Sog gerät der kampferfahrene Alexander de Warenne, Lord...