Kapitel 2.5 - Elaines Bitte

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Ω

Alec stieg von seinem Streitross und tätschelte Aracs Flanke. Er hatte ihn vor vier Jahren einem sarazenischen Händler abgekauft und ihn selbst zugeritten. Nur Alec selber konnte auf Arac reiten, jeden anderen hatte er bisher abgeworfen. Er war ein stolzer schwarzer, etwas zu gross geratener Araber, aber das war für Alec mit seiner Grösse eher ein Vorteil. Er drückte die Zügel dem Stallburschen in die Hand und sagte

„Wasch ihn gut ab, trockne ihn und gib ihm eine grosse Portion Hafer. Es waren anstrengende Tage". Er warf einen Blick in den Himmel und ging Richtung Haupthaus. Er hatte nicht beabsichtigst so lange unterwegs zu sein, doch der häufige Regen und die Rekrutierung eines Heeres beanspruchten mehr Zeit als er gedacht hatte. Wenigstens hatte er jetzt ein Bataillon erstellt und mit seinem Bruder Richtung Carlisle reiten lassen. Nun war er erschöpft und wollte sich ein Bad gönnen, denn er stand vor Dreck und stank fürchterlich. Er ging ins Haupthaus, da kam ihm auch schon Carson entgegen

„Mylord, ich habe schon eine Wanne für sie bereitstellen lassen. Molly wird ihnen nachher noch ihr Abendmahl servieren". Alec nickte dankend und ging in den dritten Stock. Seine Gedanken schwirrten noch immer um das Bataillon und die unausweichlich bevorstehende Schlacht, als er sich in die schützende Wärme seiner Wanne begab. Er wusch sich den Schlamm von der Haut und massierte seine muskulösen Schenkel. Die letzten drei Wochen waren anstrengend gewesen, so dass er nur ab und zu im Arbeitszimmer seines Vaters den Papierkram erledigen konnte und dann sein Bett aufsuchte, um noch ein, zwei Stunden schlafen zu können. Aber die Alpträume gewährten ihm auch jetzt keine Ruhe. Schon seit Jahren war es nun so. Er wusch sich sein Haar und wollte gerade aus der Wanne, als es an der Tür klopfte. Da sah er schon den Kopf seiner Halbschwester Elaine. Er bedeckte seine Blösse mit einem Tuch und stieg aus dem Zuber. Elaine kam lächelnd auf ihn zu und warf sich in seine Arme

„Ich dachte schon ich würde dich gar nicht mehr wiedersehen, bevor ich nach Cornwall reise" sagte seine Halbschwester stürmisch. Er legte einen Arm um sie und drückte sie gegen sich. Seine Halbschwester war der reinste Sonnenschein. Sie war erst junge vierzehn und hatte, wie die meisten in ihrem Alter, eine blühende Phantasie. Sie war gross, wie alle in der Familie. Sie hatte langes braunes Haar, wie ihre Mutter und veilchenblaue Augen. Ihre Haut war leicht gebräunt, die Nase war schlank und gerade und ihre Lippen waren eher schmal als üppig. Sie war ihm das Liebste hier. Wenn sein Vater sterben würde, dann wollte er seine Halbschwester zu sich nehmen.

„Warum? Denkst du, dass ich dich einfach nach Cornwall lasse, ohne dass ich mich verabschieden kann?!" meinte Alec in einem gespielt verärgerten Ton. Seine Halbschwester lächelte ihn an und meinte

„Du warst in der letzten Zeit sehr beschäftigt, dass Mutter und ich dich gar nicht zu Gesicht bekommen haben. Ich dachte ich müsse versauern bei den Veranstaltungen von Mutter, du weisst, dass ich diese Damengesellschaften nicht ausstehen kann"

„Elaine... du solltest dich nicht so ausdrücken, dass ziemt sich nicht für eine Lady" mahnte sie Alec. Elaine warf ihm einen bösen Blick zu und Alexander fing an zu lachen. „Oh junge Dame, ich weiss, dass du diese Gesellschaften nicht magst, aber es gehört nun mal dazu. Auch bei Tante Catherine wird es ausschliesslich diese Art von Vergnügungen geben. Der Winter ist vorbei. Du weisst, dass du im September in die Gesellschaft eingeführt wirst. Dies bedeutet, dass Tante Catherine und Mutter dich nun über die Sommermonate auf dein Debut vorbereiten werden"

„Bedeutet das du wirst ebenfalls dabei sein?" fragte Elaine nun wieder ein wenig erleichtert. Alec lächelte sie an

„Es tut mir leid Elaine. Wichtige Verpflichtungen werden mich vermutlich hier aufhalten, meine liebe Schwester" sagte Alec langsam und sah seiner Halbschwester in die Augen. Ihre Augen verdunkelten sich und sie sah in eine andere Richtung

„Ich bin erwachsen und ich weiss, dass du viele Pflichten hast... aber die Familie ist genauso wichtig Alec. Ich habe dich Jahre nicht gesehen, bevor Vater..." sie brach ab und schluckte „Also sehe ich dich diese Woche noch? Mutter und ich werden in zwei Wochen zu Tante Cathy fahren". Elaine küsste ihn auf die Wange und ging zur Tür. Als sie die Tür öffnete, kam gerade Molly hinein und brachte das Nachtessen für Alec. Er bedankte sich bei Molly und fing an lustlos mit seinem spitzen Dolch getrocknetes Fleisch aufzuspiessen. Er schob das Tablett auf die Seite und schlüpfte in Hemd und Hose. Er musste sich die Pläne ansehen, die sie in der Bibliothek aufbewahrten. Möglicherweise müsste er neue anfertigen. Er schlenderte in den ersten Stock und bog in den vierten Gang. Vor der dicken Tür roch er den Duft von verbrennendem Holz. Er runzelte die Stirn, stiess sie auf und blickte in Richtung des alten Kamins. Ein Ohrensessel war gegen den Kamin gedreht, er konnte nicht erkennen wer in dem Stuhl sass.

Schottisches Feuer und englische Anmut - Band 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt