Kapitel 7

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Die Fahrt über war es Still. Es war schon kurz nach Mittag, die Sonne stand oben am Himmel und erleuchtete die dunkle Gegend. Immer wieder brachen kleinere Schneeschauer durch die Wolken und machten dadurch die einstündige Fahrt nicht unbedingt kürzer. Bella musterte die Gegend. Paddy lebte wirklich mitten im Nirgendwo, aber irgendwie hatte es was. Gerade für ihn war es wahrscheinlich vom Vorteil, im Umkreis von einigen Kilometern, nur ein paar Rehe und andere Waldbewohner als Nachbarn zu haben.
Selbst Pino war die Situation unangenehm. Er wusste nicht Recht, was er mit Bella reden sollte, umso erleichterter war er, als sie bei ihrer Schwester ankamen. Pino mochte Bella zwar, aber so eine Stille war für ihn nicht lange ertragbar.
„Danke für's Nachhause fahren.",bedankte sie sich schlicht und stieg mit einem leichten lächeln aus.
„Kein Problem. Wir sehen uns."
Und schon fuhr Pino weiter.

Etwas verdutzt ging Bella zur Tür und klingelte an dieser.
„Du glaubst gar nicht, wie viele Sorgen ich mir gemacht habe!",rief ihre Schwester ihr sofort entgegen und zog Bella in ihre Arme. Grummelnd löste Bella sich von ihr und schlüpfte an Carla vorbei in das Haus.
Wirklich Lust mit ihr zu Reden hatte sie nicht, wusste aber, dass ein Gespräch unabweichlich war.
Bella ging geradewegs in die Küche, holte sich ihre Tabletten aus der Schachtel und schluckte diese mit einem Schluck Wasser hinunter. Clara beobachtete sie währenddessen und lehnte sich an den Türrahmen.
„Gleich so verliebt, dass du bei ihm schlafen durftest?",fragte Clara ihre Schwester und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
„Clara bitte, er ist verheiratet."
Bella drehte sich zu ihr um und schüttelte mit dem Kopf, als sie das Grinsen ihrer Schwester sah.
„Sag du mir mal lieber, warum du mir nicht's davon gesagt hast.",warf Bella ihr vor.
So dankbar sie auch für diese Überraschung war, hätte Clara wenigstens etwas andeuten können.
„Überraschung? Ich dachte du freust dich!"
„Schon, aber trotzdem war es unangenehm. Schließlich wusste er selbst nichts davon.",erwiderte Bella. Clara wollte etwas sagen, jedoch kam Nick hinter ihr zum Vorschein und legte seine Arme um Bella's Schwester, um ihr einen Kuss an den Hals zu geben. Als dieser Bella bemerkte, verkrampfte er sich etwas.
„Ich dachte sie wäre weg.",stellte er leise fest, weshalb Bella verwirrt zu ihrer Schwester aufblickte, die ihren Freund etwas von sich drückte.
„Wo soll ich denn sein?!",harkte sie aufgebracht nach, weshalb Nick beschwichtigend die Hände hob und zu Clara schaute, die schluckte.
„Bella, ich habe deine Sachen schon gepackt. Wir fahren nachher in das Hospiz.",informierte Clara sie leise.
Sauer drückte Bella sich an den beiden vorbei und ging in ihr Zimmer. Tatsächlich war alles in einem Koffer verstaut. Kopfschüttelnd stand Bella an der Tür. Wie konnte ihre Schwester nur so herzlos zu ihr sein!
„Bella warte, ich erkläre dir das ganze!",bat ihre Schwester sie. Bella fuhr herum und konnte sich eine Träne nicht verkneifen. Sanft wollte Clara diese weg streichen, aber Bella wich zurück.
„Verstehe mich doch bitte. Ich möchte wirklich noch etwas erleben, verreisen und was weiß ich noch alles. Du bist mir einfach im Weg.",erwiderte Clara kühl auf das Verhalten ihrer Schwester.
„Ich sterbe doch sowieso! Du hast danach ja wohl genug Zeit, kein Grund mich jetzt noch wegzuschaffen!",schrie Bella sie plötzlich an. Clara zuckte zusammen und auch Nick war erstaunt über Bella's Reaktion, als er zu seiner Freundin ging.
„Ich möchte das beste für dich und das ist dieses Hospiz. Du bist da wirklich in den besten Händen, die man hier finden kann."
„Möchte ich aber nicht! Wieso bist du so herzlos?!",warf Bella ihrer Schwester vor.
Sie wusste wirklich nicht, was sie davon halten sollte.
„Ich soll herzlos sein?! Ich habe mich die letzten zwei Jahre um dich gekümmert, deine Launen ausgehalten und dir alles in den Hintern geblasen! Diese Entscheidung liegt nicht bei dir! Wir fahren jetzt!",erwiderte Clara und nun war es Bella, die sie erstaunt anschaute.
„Ich fahre nirgendwo hin!"
Entschlossen verschränkte Bella ihre Arme vor ihrer Brust. Sie würde nirgendwo hin gehen.
„Wie gesagt, nicht deine Entscheidung!"
Grob griff Clara nach dem Arm ihrer Schwester und zog sie unsanft mit sich. Bella wehrte sich und entzog ihr immer wieder den Arm, während sie laut mit Clara diskutierte.
Im Flur gaben schließlich ihre Beine nach und sie sackte in sich zusammen.
„Stell dich jetzt nicht so an!",schrie Clara, bevor sie bemerkte, dass ihre Schwester am Boden lag.
„Bella?"
Hektisch tätschelte Clara auf Bella's Wange, obwohl diese voll und ganz bei Bewusstsein war. Abgesehen von dem stechenden Schmerz in ihrer Brust, hatte sie keine Beschwerden.
„Hey, atme bitte normal.",bat Clara und wollte ihre Hand an Bella's Herz legen, woran sie ihre Schwester hinderte.
„Lass mich!",zischte Bella ihr leise entgegen und rutschte ein Stück von ihr weg. Verdutzt blickte Clara zu ihrer Schwester. Normalerweise ließ diese sich gerne Hefen, wenn es ihr nicht gut ging, abgesehen von dem Konzert, aber gerade war sie einfach nur sauer auf ihre ältere Schwester. Sie verstand nicht, was Clara's Problem mit ihr war. Klar war die Pflege von ihr oft nicht einfach und in letzter Zeit war Bella's Laune wirklich nicht die beste, aber war es deshalb das richtige, seine Todkranke Schwester in ein Hospiz zu stecken? Dorthin, wo sie vollkommen Fremd war, umgeben von Leuten, die jegliche Lebenslust bereits verloren hatten? Ihrer Krankheit würde es dort vielleicht besser gehen, Psychisch gesehen wäre es jedoch keine gute Option. Clara dachte daran eher weniger. Sie wollte ihr kleines Häuschen endlich wieder für sich haben, ihr Leben genießen und nicht an Bella gefesselt sein.

Nachdem Bella sich etwas beruhigt hatte und Clara sie immer noch Gedankenverloren anschaute, stand Bella auf, holte sich ihren Koffer und schlug wortlos die schwere Haustür hinter sich zu. Sofort kam ihr die Kälte ins Gesicht gepeitscht und raubte ihr somit für einen kurzen Moment den Atem.
Vor ihr lag das kleine Dorf, welches mittlerweile wieder in eine weiße Schneeschicht gehüllt war, während sie hinter sich ihre Schwester zurück ließ, die immer noch wie erstarrt zur Tür blickte. Auch Nick kam hinzu und half seiner Freundin auf die Beine.

„Ich habe alles vermasselt.",flüsterte Clara ungläubig über das gerade Geschehene.
„Hey, mach dir keine Vorwürfe. Sie ist weg und das ist das wichtigste.",versuchte Nick sie aufzumuntern und setzte sich zu ihr an den kleinen Tisch in der Küche.
Clara stützte ihren Kopf auf ihre Hände und seufzte.
„Ich kann sie nicht einfach alleine da draußen lassen. Sie weiß doch gar nicht wo sie hin soll."
„Clara, wir wollten die ganze Zeit, dass sie geht und jetzt ist sie weg. Eigentlich sollten wir uns freuen und kein Trübsal blasen."
„Sie ist meine Schwester und ich habe Verantwortung für sie! Sie muss in dieses Hospiz!"
Entschlossen stand sie auf und griff nach ihren Autoschlüsseln, wobei Nick von hinten ihre Hand festhielt.
„Bleib doch. Sie kommt alleine zurecht.",raunte er in ihr Ohr und seufzte genervt, als Clara sich von ihm befreite und Richtung Tür lief, welche sie ebenfalls hinter sich zu schlug. Zwar war es gut das Bella weg war, aber sie sollte in der Kälte nicht alleine draußen sein, sondern in dem schön warmen Gebäude des Hospizes.
Lange suchte Clara nach ihrer Schwester, bis sie die Suche aufgab, als es anfing zu Dämmern. Sie war erwachsen. Bella musste wissen, was sie tat.

Wenn Musik mein Herz erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt