Kapitel 9

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Schnell stand fest, dass Bella bei ihnen übernachten sollte. Über das Geschehen Zuhause wollte sie nicht reden, was die beiden so hinnahmen und Bella das Gästezimmer des Hauses bezog, in welches sie sich schnell zurück zog und schon bald in einen tiefen Schlaf fiel. Auch Joelle lag schon in dem großen Ehebett und versuchte zu schlafen, während Paddy gedankenverloren in der Küche saß, einen Tee trank und aus dem Fenster starrte.

Die Worte seiner Schwester blieben ihm im Gedächtnis. Was war, wenn Bella wirklich nur seine Gutherzigkeit ausnutzte. Paddy war seine Privatsphäre mehr als wichtig und in gewisser Weise verstand er sich selbst nicht, warum er sich überhaupt auf das Ganze eingelassen hatte. Zwar hatte Pino ihn mit der Situation überrascht, aber seine Grundidee war es auch, dass Bella zu ihm kommen sollte. Er steckte in der Klemme. Er mochte Bella. Zwar hatten sie noch nicht so viel miteinander gesprochen und Bella hielt bei ihrer Vergangenheit relativ dicht, aber trotzdem spürte Paddy etwas und dies war keine normale Idol-Fan Beziehung. Er fühlte sich für ihr Schicksal verantwortlich, schließlich war es anscheinend ein Herzenswunsch von ihr, noch einmal auf ein Konzert von ihm zu gehen. Außerdem meinte sie, dass er und seine Musik, sie stark machen würde. Trotzdem fühlte sich sein inneres verwirrt an. Mit Joelle hatte er darüber auch nicht gesprochen und so wenig wie sie eben miteinander gesprochen hatten, hatte diese auch eindeutig etwas gegen den Besuch.

Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als seine Hand, die er unter dem Tisch auf seinem Schoß liegen hatte, plötzlich feucht wurde. Belustigt rückte er ein Stück nach hinten, sodass er seinen Hund deutlich sehen konnte, der sich zu freuen schien, dass sein Herrchen noch wach war. Schwanzwedelnd stellte er sich mit seinen Vorderpfoten auf den Rand des Stuhles und schleckte Paddy über das Gesicht, was diesen zum lachen brachte.
„It's late, Bowie.",versuchte er seinen Hund wieder abzuwimmeln, dieser sprang jedoch bellend zur Tür, an welcher er gegen Joelle stieß, die müde die Küche betreten wollte.
Belustigt beobachtete Paddy seine Frau, während sie Bowie kurz streichelte und schließlich vollends den Raum betrat. Bowie zog sich in das Wohnzimmer zurück.

„Möchtest du nicht auch mal nach oben kommen?",fragte sie leise nach und blieb vor Paddy stehen, um nach seinem Glas Wasser zu greifen und einen Schluck zu trinken.
„Ich kann sowieso nicht schlafen.",antwortete er und sah zu Joelle auf, die ihn besorgt musterte.
Joelle wusste, dass Paddy empfindlich war, schließlich waren sie schon knapp fünf Jahre verheiratet und kannten sich seit ihren Teenagertagen.
„Wegen Bella?",erfragte Joelle vorsichtig und setzte sich auf den Stuhl neben ihn.
Paddy nickte. Vielleicht wäre es besser mit Joelle darüber zu reden. Maite malte schließlich nicht selten den Teufel an die Wand.
„Warum hast du mir nicht's gesagt?",wollte Joelle wissen und schaute ihn auffordernd an.
„Keine Ahnung, es war einfach eine komplett doofe Idee.",gab Paddy ihr zu verstehen und blickte derweil in ihre Augen.
„Erzähl. Ich habe keinerlei Ahnung wer sie ist und was sie hier möchte.",forderte Joelle, weshalb er seufzte und seinen Blick wieder aus dem Fenster richtete.

„Sie ist Herzkrank, ein Fan von mir und auf dem Konzert in München 'umgekippt'. Ich habe Pino gebeten ein treffen mit ihr zu vereinbaren, weil ich ihr einfach noch einmal eine Freude machen wollte, aber so im Endeffekt war es eine doofe Idee.",erklärte er knapp.
„Und was sie jetzt hier möchte, keine Ahnung. Sie ist von ihrer Schwester abgehauen.",fügte er hinzu.
Joelle verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und lehnte sich an die Stuhllehne. Sie war wirklich müde und wollte eigentlich nur wieder mit ihrem Mann ins Bett.
„Warum doofe Idee? Du hast ein großes Herz und das damit nur ein weiteres mal bewiesen."
„Schon, aber es ist mein Privatleben. Du weißt, dass ich Probleme damit habe von Arbeit und Privat zu unterscheiden. Ich hätte das nie so weit kommen lassen dürfen.",erwiderte Paddy.
„Lass uns Morgen darüber reden. Es ist spät und ich würde gerne ins Bett. Mit dir. Ich habe dich lang genug nicht mehr gesehen.",bat Joelle ihn, aber Paddy schüttelte den Kopf und schaute zu ihr. Er würde verrückt werden, wenn er sich jetzt ins Bett legen und versuchen würde zu schlafen.
„Wovor hast du Angst? Sie ist krank und du wolltest ihr eine Freude machen. Was ist verwerflich daran?",harkte Joelle nach und versuchte somit die Prozedur, die Paddy durchlebte, etwas zu verkürzen.
„Wenn das so einfach wäre."
Überfordert strich er sich durch die Haare und nahm sein Glas in die Hand, mit welchem er kleine Kreise drehte. Das Wasser schwippte bis zu dem Rand, aber nie darüber hinaus, gefolgt von Paddy's Blick.
„Im Grunde liegt in unserem Gästezimmer eine völlig fremde Frau, die mich als Musiker bewundert. Sie ist krank, lebt wahrscheinlich nicht mehr lange und ich habe Angst, dass sie in meine Privatsphäre eindringen könnte, wenn ich ihr helfe.",fing er an. Joelle unterbrach ihn in dem kurzen Schweigemoment nicht. Sie wusste, dass er noch etwas hinzufügen würde.
„Andererseits bedeutet ihr meine Musik etwas. Ich bedeute ihr etwas. Das ganze sollte auf der Arbeitsschiene ablaufen und jetzt schläft sie schon die zweite Nacht hier."
Er blickte zu seiner Frau auf, welche seinem Blick stand hielt, bis dieser sich wieder auf das Glas richtete.
„Ist es denn normal mit einer völlig fremden Person so mitzufühlen? Ich meine, einige meiner Fan's werden krank, oder sogar totkrank sein. Ich kann ihnen nicht allen helfen."
Sanft legte Joelle ihre Hand auf Paddy's Oberschenkel und lenkte somit die Aufmerksamkeit von ihm auf sich.
„Du kannst keinen von ihnen helfen, so hart es sich auch anhört. Schatz, wenn sie totkrank sind ändert auch deine Nähe daran nichts. Kann sein, dass deine Musik ihnen neue Hoffnung und Mut gibt, aber du selbst, als Mensch, kannst gegen die Krankheit nichts tun. Damit musst du klar kommen.",erwiderte sie und fuhr kurz mit dem Zeigefinger über seine Wange, was sie und auch ihn, leicht zum lächeln brachte.
„Du hast doch Erfahrung mit so etwas.",fügte Joelle leise hinzu und deutete somit auf den Tod von Paddy's Mutter an. Diese war an Brustkrebs gestorben.
„Ich war 5 Jahre alt. Das ist absolut nicht das selbe.",entgegnete er und griff nach der Hand seiner Frau, um seine Finger mit ihren zu verschränken.
„Und der Tod von deinem Vater? Damit bist du auch irgendwie klar gekommen."
„Möchtest du mich aufmuntern, oder nur noch weiter runter ziehen?",harkte Paddy leicht belustigt nach, was Joelle ein leichtes schmunzeln auf die Lippen brachte.
„Nein, ich möchte nur darauf hinaus, dass du mit so etwas schon einmal konfrontiert wurdest und das bei Leuten, zu denen du eindeutig eine andere Bindung hattest.",erklärte sie sich und strich mit ihrem Daumen über seine Hand.
„Aber trotzdem. Ich kann sie doch nicht einfach raus schmeißen und sagen, dass sie alleine damit klar kommen soll, wenn ich ihr etwas bedeute."
„Das musst du doch auch gar nicht. Lass uns jetzt ins Bett gehen, damit wir Morgen mit ihr Frühstücken können. Vielleicht erzählt sie dann, wieso sie abgehauen ist."

Paddy zögerte, gab sich schließlich aber doch geschlagen und ging mit Joelle leise in das Schlafzimmer. Ihre Seite des Bettes war verwüstet, was eindeutig darauf hinwies, dass sie versucht hatte zu schlafen. Paddy's Seite dagegen war unangetastet. Schnell verzog sich Joelle unter ihre Decke, während Paddy kurz in das gegenüberliegende Bad ging, um sich Bettgeh fertig zu machen und sich schließlich zu seiner, bereits schlafenden, Frau zu legen.

Wenn Musik mein Herz erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt