Kapitel 24

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Ihm wurde schwindelig. Das Geschehen kam ihm vor, als wäre er in einem langen Tunnel, welcher ihn geradewegs zu dem Abgrund führte.
Bella bekam mit, wie er Schritt für Schritt auf die Hauskannte zu ging. Er zitterte, hielt seinen Blick stets auf das Lichtermeer gerichtet. Dieses Gefühl. Er fühlte sich klein, fast so, als würde ihn die Größe des Universums erdrücken.

„Alles okay?",harkte Bella verwirrt nach, was jedoch nicht zu Paddy durchdrang.
Seine eigene Welt, die Gedanken, waren einfach zu laut.

Damals stand er genau an dieser Stelle, wollte seinem ganzen Leben ein Ende setzen. Nie hätte er gedacht, dass er an diesen Ort zurückkehren würde, aber nun war dies der Fall.
Er stand am Abgrund, blickte hinunter und ließ seinen Gedanken freien lauf.
Damals sah er diese Lösung als letzten Ausweg, jedoch hatte ihn damals etwas daran gehindert. Er sollte weiter machen, sich nicht klein kriegen lassen, hatte diese Stimme gesagt.
Paddy lächelte, setzte sich zitternd an den Dachrand und ließ seine Beine hinunter hängen. Zufrieden atmete er aus und nahm langsam seine Umwelt wieder wahr. Die kalte Luft brannte in seiner Lunge und verursachte ein ziehen, was Paddy jedoch nicht als unangenehm empfand. Er merkte, dass er lebte, diese schwere Zeit in seinem Leben überwunden und sich wieder hoch gekämpft hatte.
Bella stand verunsichert hinter Paddy, der immer noch auf die vielen Lichter hinunter blickte und mit seinen Beinen baumelte.

„Ist es nicht crazy, wie klein wir eigentlich sind?",gab er schließlich leise von sich und drehte sich etwas um, sodass er Bella sehen konnte. Sie nickte und ging unsicher auf ihn zu, um sich neben ihn zu setzen. Auch ihr Blick glitt erneut unter sich und das Adrenalin stieg ihr bis zum Kopf. Eine ungewohnte Angst ergriff sie, weshalb sie hektisch nach Paddy's Arm griff und sich an ihm festklammerte, was Paddy mit einem Grinsen kommentierte.
„Na, Höhenangst?",fragte er neckend nach, unternahm jedoch nichts gegen ihre Berührung.
„Eigentlich nicht.",erwiderte sie unsicher und bemerkte erst jetzt, wie krampfhaft sie sich an seinem Arm festhielt, weshalb sie ihren Griff ein wenig lockerte, um ihm nicht weh zu tun.
Ruhe kehrte wieder zwischen ihnen ein. Bella musterte Paddy von der Seite, während er seine lauten Gedanken erneut zu ließ. Sie wusste nicht, was das Ganze hier sollte, merkte aber erneut, dass Paddy etwas auf dem Herzen lag, weshalb sie die Situation nutzte.

„Was ist los?",fragte sie geradeheraus, weshalb Paddy zu ihr blickte und kurz seufzte, bevor er wieder auf die Weiten der Stadt blickte.
„Das ist ziemlich privat.",spaßte er und deutete damit auf die Anfänge hin, in denen Bella nicht mit ihren Gedanken herausrücken wollte.
Sie schmunzelte, ließ schließlich seinen Arm los, den er zu sich nehmen wollte und schaute ihn weiterhin an.

„Ne, es ist einfach so, dass du gerade genau an dem Platz sitzt, an dem ich mich vor knapp 16 Jahren umbringen wollte.",erzählte er locker, traute sich aber nicht sie anzublicken.
Erstaunt, aber auch erschrocken, blickte sie unter sich auf die Dachkannte.
„Warum kannst du so locker darüber reden?",sprach Bella die Frage aus, die sie gerade am meisten Beschäftigte.
Paddy grinste, richtete seinen Blick auf seine Oberschenkel und fing an zu erzählen.
„Anfangs war das unmöglich, aber auch durch die vielen Interviews bin ich ziemlich unempfindlich in diesem Thema geworden. Zumal meine Geschwister mich nach dem Vorfall dazu gezwungen haben, mir professionelle Hilfe zu suchen."
„Und dann bist du einfach so ins Kloster gegangen?",harkte Bella nach, die die Einzelheiten der, ihr gut bekannten, Geschichte dann doch interessierten.
Leise lachte er, während er sich durch die Haare strich.
„Nicht so direkt.",setzte er an und machte eine kurze Pause, bevor er weiter erzählte.
„Das Ganze war Anfang 2003. Irgendwann Mitte Januar. Ins Kloster bin ich erst im Frühjahr 2004 gegangen.",klärte er sie auf.
Sie nickte, als Zeichen, dass sie ihm zuhörte, obwohl Paddy sie überhaupt nicht ansah. Bella hingegen musterte sein Profil gründlich. Seine blauen Augen leuchteten und wirkten Geheimnisvoll, da sie von tausenden Lichtern angestrahlt wurden.
„Und in der Zwischenzeit?"
Kurz schmunzelte Paddy, bevor er fragte:„Soll ich ehrlich sein?"
Sein Blick richtete sich nun zu ihr. Erneut nickte sie.
„In der Zwischenzeit bin ich in meinem Selbstmitleid versunken, war Launisch, Depressiv und einfach die Hölle für meine Geschwister.",gab er lachend zu und ließ seine Hände auf seine Oberschenkel fallen.
Klar war es eine schwere Zeit für ihn, aber wenn Paddy an die Bemerkungen seiner Geschwister dachte, die er damals ständig an den Kopf geworfen bekam, musste er doch lachen.
„Und habe mich in die Arbeit gestürzt.",fügte er ernst hinzu.
„Ich finde das wirklich krass, dass du so frei darüber reden kannst.",gab Bella erstaunt zu. Erst jetzt blickte Paddy erneut zu ihr und lächelte knapp, während er mit den Schultern zuckte.
„Gehört wohl genau so zu meiner Geschichte, wie alles davor und danach. Außerdem musste ich oft genug darüber reden."
„Bist du dann freiwillig zum Psychologen gegangen?",harkte sie, weiterhin interessiert, nach.
„Auf keinen Fall. Meine Geschwister haben oft mit mir darüber geredet, aber ich empfand es nie für nötig und wollte es alleine bewältigen. Irgendwann hat es John dann mit meinem Gejammer gereicht. Er hat mich ausgetrickst und mich zu einem Psychologen begleitet, mit dem ich Anfangs nicht einmal ein Wort gewechselt habe. Danach hat er mich jedes Mal begleitet, weil er mir in der Hinsicht nicht vertraut hat. Zurecht.",antwortete er auf ihre Frage und stemmte seine Hände hinter sich auf den Boden, um sich auf diese zu stützen. Sein Blick galt wieder dem Himmel und er hatte vollkommen vergessen, warum er eigentlich mit Bella hier war.
Aber auch diese wollte den Grund dafür gerade überhaupt nicht wissen. Viel zu sehr genoss sie es, solche Sachen aus Paddy's Vergangenheit zu erfahren.
„Ich will dich hier echt nicht ausfragen, aber wie hast du dich danach gefühlt?"
„Frag ruhig, no problem. Das ist schwer zu erklären, aber als ich von der Kannte wieder zurück gegangen bin, hat mich Daniel sofort an sich gezogen und festgehalten. Ich wollte mich von ihm befreien, aber er ließ es nicht zu. Ich denke, überfordert trifft es wohl am besten. Ich habe es danach bereut, vor allem, als ich meinen Geschwistern alles erklären musste, aber besser macht eine solche Situation natürlich absolut nichts.",erwiderte er.

Gerade die Zeit nach seinem Selbstmordversuch war schwer für Paddy gewesen. Seine Geschwister behandelten ihn anders, passten besonderen auf ihn auf und auch nachhause durfte er nicht, aus Angst, er könnte sich etwas antun. Joelle war dies nur recht. Sie war überfordert und wusste nicht, wie sie mit Paddy umgehen sollte. Natürlich kamen dazu noch seine Gedanken. Schließlich war er ein Feigling, weil er den letzten Schritt nicht gewagt hatte. Zumindest dachte er dies damals. Aber nicht nur schlechte Sachen brachte diese Krise mit sich. Schließlich entstand daraus ein Album. Sein erstes Solo Album und daraufhin auch der Rückzug ins Kloster, dem Paddy immer noch gut gegenüber stand. Seine Kumpels von damals besuchte er immer noch und diese besondere Bindung zwischen ihnen, konnte wohl kaum jemand in die richtigen Worte fassen.

„Aber genug von der Vergangenheit.",brachte Paddy sich selbst aus seinen Gedanken, die mal wieder viel zu tief glitten. Er bereute es teilweise, damals wieder aus dem Kloster gekommen zu sein, andererseits war er mehr als dankbar für das Leben, welches er momentan führen konnte.
Er stand auf und griff nach einer kleinen Mappe, die neben der Tür lag. Gefolgt von Bella's Blick setzte er sich wieder neben sie und legte die dunkel blaue Mappe auf ihren Schoß. Verwirrt musterte sie diese und zog die Gummibänder über den Rand, um einen Blick in die Mappe wagen zu können. Zu ihrer Überraschung befand sich in dieser aber lediglich ein leeres Blatt und am Rand der Mappe klemmte ein Kugelschreiber. Verwirrt schaute Bella zu Paddy auf, der lächelnd die Mappe an sich nahm, den Kugelschreiber abknipste und begann zu schreiben, bevor er Bella die Mappe zurück auf den Schoß legte.

Schwer schluckte sie, als sie sah, was Paddy auf das Blatt geschrieben hatte, bevor sich eine warme Träne den Weg aus ihrem Augenwinkel suchte.

Wenn Musik mein Herz erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt