Kapitel 34

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„Bella, was möchtest du von mir? Ich habe besseres zu tun."
Abfällig lachte Bella, was Clara verstummen ließ. Bella wirkte ganz und gar nicht so, wie sie sie das letzte mal gesehen hatte.
„Du warst Eifersüchtig, habe ich recht?",harkte Bella nach und wartete auf eine Antwort ihrer Schwester, die lange auf sich warten ließ.
„Von was redest du bitte?"
„Tu doch nicht so! Du hast mich doch von Anfang an gehasst, nur weil ich mehr Aufmerksamkeit bekommen habe!",ließ Bella ihrer Wut Luft und auch Clara verstand langsam, worauf ihre kleine Schwester hinaus wollte.

„Ja verdammt, war ich! Verständlich, nicht wahr? Du warst doch immer das arme, kleine und kranke Kind! Immer ging es um dich! Selbst unsere Verwandten haben nur nach dir gefragt. Irgendwann hat man da keine Lust mehr drauf!"

Bella schluckte. Mit so einer direkten Antwort hatte sie keinesfalls gerechnet.
„Ich möchte nur eine Antwort auf eine einfache Frage.",fing Bella an, redete jedoch sofort weiter, als Clara nicht antwortete.
„Hast du es versucht?"

Stille. Clara wusste, auf was Bella hinaus wollte. Sie waren damals jung gewesen. Clara gerade einmal acht Jahre alt und Bella gerade so sechs. Komplett überfordert und in einer Situation gefangen, mit der sie sich abfinden mussten. Bella wuchs nie normal auf. Immer war sie bei Ärzten und die Aufmerksamkeit lag stets auf ihr, was ihrer älteren Schwester damals deutlich missfiel. Sie fühlte sich unverstanden. Keiner wollte ihre Probleme, oder die Ängste von Monstern unter ihrem Bett hören. Immer ging es um Bella.
In dieser einen Nacht hatte es Clara dann gereicht und obwohl sie damals erst acht Jahre alt war, erinnerte sie sich daran, als wäre es erst gestern gewesen. Das Bella sich jedoch daran erinnerte war ihr neu.

„I..ich nein. Also j..ja aber..-"
„Ja, oder nein? Keine schwere Frage.",unterbrach Bella sie. Keinerlei Emotionen lagen in ihrer Stimme und genau das war es auch, was Paddy in diesem Moment eine Gänsehaut verpasste. Er stand unbemerkt hinter dem Auto, wollte lediglich sein Geld holen, hörte nun jedoch gespannt zu.
„Seit wann erinnerst du dich an diese Nacht?"

Nun war es Bella, die schlucken musste. Bruchteile daraus wusste sie zwar, die Wahrheit hatte ihr aber anscheinend bloß dieser Traum gezeigt.
„Ich möchte nur wissen, ob es wirklich so war.",spielte sie das Thema runter und hörte bloß ein seufzen auf der anderen Seite.

„Ich war jung und überfordert. Keiner hat sich um mich gekümmert und immer nur warst du der Mittelpunkt. Das war nicht einfach, noch nicht mal für eine Achtjährige. Ich habe dich gehasst, war eifersüchtig und wollte dich bloß irgendwie weg schaffen. In dieser Nacht haben sich unsere Eltern heftig um dich gestritten und ich dachte, dass sie sich jetzt auch nur wegen dir trennen. Ich bin in dein Kinderzimmer gegangen und habe meine Hände um deinen Hals gelegt. Als du wach wurdest habe ich dir erklärt, dass es bloß ein Spiel wäre und du nicht schreien solltest. Jedoch habe ich nicht bedacht, dass damals dein Herzteil anfing zu piepen, wenn du zu wenig Sauerstoff bekamst. Dadurch wurde Papa darauf aufmerksam und hat mich von dir weg gezogen, während Mama dich sofort gepackt hat und mit dir in die Klinik gefahren ist. Danach hat niemand mehr über diese Nacht gesprochen und dies auch nie wieder zum Thema gemacht."

„Du bist so ein Monster, Clara!",antwortete Bella nach einer Weile und strich sich die Tränen weg, welche ihren Weg über ihre Wangen suchten.
Und schon hatte sie wieder aufgelegt. Weinend legte sie das Handy so zurück, wie sie es sich genommen hatte, damit Paddy keinen Verdacht schieben konnte. Dieser jedoch hatte alles mitbekommen und stand wortlos hinter seinem Wagen. Was war Clara nur für eine Schwester? Zwar hatte er schon einige Seiten von ihr kenngelernt, aber dies übertraf ja wohl alles!

„Wow.",stieß Paddy versehentlich aus und ließ somit Bella zusammenzucken, die erschrocken zu ihm blickte und schluchzen musste.
Langsam ging er zu ihr und setzte sich an den Rand des Sitzes, um Bella kurz die Tränen von ihrer Wange zu wischen, was dieser ein leichtes Lächeln entlockte.
„Ey, das Lächeln steht dir viel besser. Deine Schwester war wohl schon immer etwas crazy.",redete er ihr leise zu, während er zu ließ, dass Bella sich an ihn kuschelte und er automatisch seinen Arm um sie legte, um sie zu beruhigen.
„Dann bin ich auch crazy.",gab sie leise zu und durch ihr nuscheln hätte Paddy sie beinahe nicht verstanden.
„Why?",harkte er ruhig nach.
Kurz schluchzte Bella auf, beruhigte sich an Paddy jedoch etwas. Er strahlte eine unglaublich vertraute Wärme und Geborgenheit aus.
„Ich wusste bloß Bruchstücke der Nacht. Aber dieser Traum...",setzte sie an, unterbrach sich jedoch selbst, um sich wieder aufzurichten. Paddy's Arm blieb an Ort und Stelle.
„Der hat sich einfach viel zu echt angefühlt. Jedes Mal bin ich aufgewacht, bevor ich meine Augen in dem Traum geschlossen habe."

„Ich bin mir sicher, dass das jetzt vorbei ist.",beruhigte Paddy sie weiterhin, was Bella nicken ließ. Diese Hoffnung hatte sie auch, jedoch würde dies wohl die Zukunft zeigen.
„Wenn ich mir überlege, dass so etwas auch unter uns Geschwistern hätte passieren können... No way! Du hast eine grausame Schwester!",rutschte es Paddy heraus.
„Das habe ich wohl. Jahrelang gute Miene zum Bösen spiel.",erwiderte sie enttäuscht und zwang sich ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen, welches Paddy ehrlich erwiderte und ihr damit ein Stück von ihrem Schmerz nahm.

„Können wir bitte den Tag genießen? Ich brauche etwas Ablenkung.",bat Bella ihn leise, was Paddy sich nicht zwei mal sagen ließ. Er stand auf und reichte Bella seine Hand, die dies dankend annahm, ihre letzten Tränen beiseite strich und schließlich ebenfalls aus dem Auto stieg. Paddy schnappte sich noch seinen Geldbeutel, bevor die beiden sich zu Patricia und Jimmy gesellten, die sich bereits etwas zu Essen geholt hatten, was sie ihnen gleich taten.

Und schon kurz darauf waren sie in Österreich angekommen. Zumindest fühlte es sich so an, als wäre die Zeit wie im Flug vergangen. Die vier checkten in einem Hotel Nähe Salzburg ein, wobei es Jimmy und Patricia dort nicht lange hielt. Erst hier hatte Bella erfahren, dass die Kelly's hier heute Abend ein Konzert gaben und die beiden nun schnell zum Soundcheck aufbrechen mussten.
Auch Paddy packte seine Sachen zusammen, während Bella aus dem großen Fenster direkt auf die Stadt blickte. Für Anfang Februar war das Wetter in Österreich tatsächlich sehr angenehm und auch von Regen war keine Spur, was Paddy sehr freudig stimmte.

„Hast du damals eigentlich ernsthaft darüber nachgedacht ob du wieder mit deinen Geschwistern auf der Bühne stehen willst?",fragte Bella plötzlich und ließ sich auf dem Rand des großen Bettes nieder, auf welchem er ebenfalls saß und alles mögliche an Proviant in seiner Tasche verstauen zu versuchte.
„Sehr lange sogar. Schon vor dem Comeback war davon die Rede, aber es hat mir zeitlich einfach nicht in den Kram gepasst. Solo lief es gerade gut und noch mehr Stress wollte ich mir nicht zumuten. Besser gesagt wollte Pino mir das nicht zumuten.",gestand er schmunzelnd und dachte an die lange Diskussion zurück, die er damals auf Grund dessen mit seinem Manager geführt hatte.
„Wäre aber zumindest schön für die Fan's gewesen.",erwiderte Bella lächelnd. Sie war damals ziemlich enttäuscht gewesen, dass Paddy bei dem Comeback nicht mitzog, fand es dann jedoch nicht weiter schlimm.
„Das kann sein, aber in der Hinsicht ging mir meine Gesundheit und mein Verstand vor. Ich hätte mich damit wahrscheinlich wieder genau so kaputt gemacht, wie damals schon. Deshalb bin ich ganz froh mein eigenes Ding machen zu können. Außerdem bin ich ja nicht komplett von der Bildfläche verschwunden nur halt eben nicht mehr mit meinen Geschwistern auf der Bühne.",antwortete er und schloss den Reißverschluss der Tasche.
„Gut, dass du so viel Vernunft hast und weiß was du willst. Ich hätte wahrscheinlich alles gewollt."
„Tja, man kann eben nicht alles haben.",erwiderte Paddy lachend und stand von dem Bett auf. Dies tat sie ihm gleich und folgte Paddy, der ihr dies mit seinem Blick gedeutet hatte, nach unten.

Wenn Musik mein Herz erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt