Kapitel 1

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Gespannt blickte Bella auf die dunkle Bühne. Nichts tat sich auf dieser, trotzdem wand sie ihren Blick nicht ab. Sie wollte jeden kleinen Augenblick, jede Sekunde des Konzertes bewusst genießen, denn dies würde, wohl oder übel, ihr letztes sein.
Sie verband viel mit Paddy's Musik. Schon seit ihrer Kindheit liebte sie die Musik der Kelly Family, die sie durch viele Höhen und Tiefen begleitet hatte und auch als Paddy nach seiner Zeit im Kloster Solo zurück kam, verfolgte sie ihn und seine Musik weiter.

Nun saß sie, mit ihrer Schwester, in der ersten Reihe der Olympiahalle in München. Paddy war momentan mit seinem neuen Album 'iD' auf Tour und natürlich musste Bella diese letzte Chance ausnutzen. Auch, wenn ihr gesundheitlicher Zustand dies eigentlich absolut nicht erlaubte.
„Bella, denk dran. Nicht laut mitsingen und schon gar nichts aufstehen und rum hüpfen. Du weißt, dass das alles tödlich enden könnte.",redete ihre Schwester, Clara, ihr ein letztes mal ins Gewissen. Sie wusste, dass Bella am liebsten vollkommen normal sein würde und dabei ab und an vergaß, dass sie eigentlich Todkrank war.
Mit ihrer Krankheit kam Bella nicht zurecht. Zwar war sie damit aufgewachsen, aber an die Einschränkungen, denen sie dadurch ausgeliefert war, würde sie sich wohl nie gewöhnen.
Bella nickte nur, richtete ihren Blick aber weiterhin stur auf die Bühne.

Wie in Trance nahm sie die letzten Minuten bis zum Konzertstart wahr. Es herrschte ein lautes Gewusel in der Halle. Alle sprachen durcheinander und erzählten sich, wie sehr sie sich freuten. Bella fühlte sich unwohl. Andauernd schnappte sie neben, oder auch hinter sich, Fragen auf, die sich nur darum drehte, was ihr eigentlich fehlte. Clara versuchte dahingehend alles möglichst genau zu beantworten, da Bella absolut nicht in Redelaune war.

Aber auch Clara wurde Still, als das Licht auf der Bühne und in dem Saal ausging. Sie war kein Fan von Paddy, kannte dementsprechend auch so gut wie keines seiner Lieder, aber ihrer Schwester zur Liebe war sie mitgenommen. Zumal das Verhältnis der beiden Schwestern nicht gerade das beste war.
Alle standen auf, fingen an zu klatschen und zu jubeln.
Auch Bella klatschte mit, blieb aber vorsichtshalber sitzen und beobachtete gespannt das Geschehen auf der Bühne.
Die Jungs spielten bereits, als auch Paddy die Bühne betrat und das Konzert mit dem Lied 'Lazarus' einläutete.

Sofort war Bella's Aufmerksamkeit nur noch auf ihn gerichtet.
Mit so viel Kraft und Sicherheit stand er da auf der Bühne und zog sein Ding durch. Er wirkte Glücklich und lächelte immer wieder knapp, während er in das Publikum blickte, welches laut mitsang und im Takt des Liedes klatschte.
Clara blickte ab und an zu Bella hinüber, um sich zu versichern, dass bei ihr alles gut war.
Die ersten Lieder vergingen und immer noch saß Bella stumm im Publikum und klatschte ab und an, während sie Paddy mit ihrem Blick auf Schritt und Tritt verfolgte.
„Ich wünsche euch allen erst einmal einen wunderschönen Abend!"
Wieder brach gejubel aus, als Paddy ansetzte, um etwas zu erzählen.
„Wie viele von euch wahrscheinlich wissen, hatte ich keine einfache Zeit, nachdem sich die Kelly Family getrennt hatte. Die Geschichte dahinter kennt bestimmt jeder hier. Aufjedenfall habe ich...."
„Ich liebe dich!",wurde Paddy kurzerhand von jemanden unterbrochen, weshalb er schmunzelte.
„Ich liebe mich auch, danke.",gab er locker zurück und wartete, bis das lachen im Saal abgeklungen war. Auch Bella musste schmunzeln. Paddy war einfach total locker auf der Bühne. Nicht überheblich und obwohl tausend Leute vor ihm saßen, versuchte er alles so menschlich wie möglich zu halten.
„Also gut, weiter im Text. Aufjedenfall...."
Hilfesuchend schaute er sich nach Christian um, der mit seiner Gitarre in der Hand ein Schluck Wasser trank, sich sein lachen danach aber nicht verkneifen konnte.
„Aufjedenfall habe ich gerade den roten Faden verloren.",gab Paddy schmunzelnd zu.
Wieder lachten sie und auch Clara konnte sich, bei seiner sympathischen Art auf der Bühne, ihr lachen nicht mehr verkneifen.
„Naja, denkt euch einfach eine tolle, emotionale Rede an diese Stelle."
Lachend vergrub auch Paddy seinen Kopf in seinen Händen, bevor er sich kurz von dem Publikum abwand.
„Shake Away!",kündigte er schließlich lachend das nächste Lied an, was wieder eine Euphorie im Publikum auslöste.
Sofort sprangen alle auf und auch Paddy sammelte sich kurz, bevor er schließlich anfing zu singen.

Auch Bella sprang, ohne darüber nachzudenken auf und sang mit, während ihr warme Tränen über die Wangen flossen. Sie verband viel mit diesem Lied.
Clara bekam nicht mit, was ihre Schwester machte. Viel zu abgelenkt war sie. Sie staunte. Paddy hatte wirklich einen großen Einfluss auf sein Publikum und es war schon fast magisch, dass plötzlich die ganze Halle aufstand, mitsang und einfach ihn, sowie seine Musik, feierten.
Als das Lied sich aber dem Ende neigte, merkte Bella plötzlich, wie sich ein Druck in ihrer Brust breit machte und sie spürte, wie die Unruhe in ihr aufkam.
„Bella, setzt dich!",befahl Clara ihr hektisch, als sie wieder auf Bella achtete.
Bella tat dies, schnappte aber augenblicklich nach Luft und hatte das Gefühl, als ob sie eindeutig zu wenig davon ab bekam.
„Wir müsse hier raus!",versuchte Clara ihr klar zu machen und griff nach ihrem Arm, Bella jedoch befreite diesen aus dem Griff ihrer Schwester.
Sie wollte nicht, dass das Konzert jetzt schon für sie vorbei war.
Stumm liefen Bella Tränen über die Wangen und sie spürte förmlich, wie ihr Kreislauf immer mehr in den Keller sackte.
Erst als Bella nicht mehr auf Clara reagierte, ergriff diese die letzte Möglichkeit.
„Wir brauchen Hilfe!",rief Clara und unterbrach somit Paddy, der sich mal wieder etwas verquatscht hatte.
„Shit."
Schnell steckte Paddy sein Mikro in die Halterung, bevor er kurzerhand von der Bühne sprang und zu der Frau ging, die soeben nach Hilfe gerufen hatte.
„Wir brauchen mal Sanitäter in der ersten Reihe!",nahm Christian das Wort in die Hand und wartete darauf, dass die Sanitäter kamen und die Frau mit aus dem Saal nahmen. Dies gestaltete sich aber als schwieriger, als gedacht.
Bella versuchte mit allen Mitteln dort zu bleiben. Ihr Zustand ließ jedoch nicht zu, dass sie sich sonderlich gut wehren konnte. Schwach schlug sie um sich, während ihr Körper unkontrolliert zitterte und sie laut aufschluchzte. Paddy betrachtete das Szenario aus der Nähe und versuchte, ebenso wie die zwei Sanitäter, die junge Frau zu beruhigen. Das restliche Publikum war schon lange Still geworden und verfolgte das Geschehen ebenfalls. So gut dies zumindest ging.

Bella gab derweil den Kampf auf. Sie wusste, dass sie nicht mehr bleiben konnte, wollte ihr letztes Konzert aber auf keinen Fall so enden lassen. Wie in Watte und verschwommen nahm Bella die Stimme von Paddy wahr, der sich über sie gebäugt hatte und mit ihr sprach. Was er sagte, verstand Bella nicht. Das letzte was sie sah, war sein besorgter Blick, bevor alles um sie herum schwarz wurde.
Hektisch brachten die Sanitäter Bella hinaus, während Paddy etwas ungeschickt auf die Bühne kletterte und sich kurz die Haare richtete. Er spürte die verwirrten Blicke auf sich und richtete sich kurz an Christian, der seinen Blick sofort verstand und das nächste Lied anspielte. Etwas überrumpelt fing auch der Rest der Band an zu spielen und Paddy wusste nun, welches Lied dran war, ohne erneut zugeben zu müssen, dass er den Faden verloren hatte.

Wenn Musik mein Herz erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt