Kapitel 38

484 35 4
                                    


Gesagt, getan.
Schon am nächsten Nachmittag, als Paddy entlassen wurde, fuhr Jimmy zurück in die Einöde Bayerns.
Nach einer langen Diskussion mit seinem Bruder, darüber wer fahren sollte, hatte Paddy schließlich nachgegeben und Jimmy die Macht über sein Auto überlassen. Er selbst fühlte sich ohnehin nicht fit und war froh auf dem Rücksitz noch etwas von dem Schlaf zu bekommen, der ihm im Krankenhaus deutlich gefehlt hatte.
Bella empfand derweil die Stille als unangenehm. Ab und an war ein leises schnarchen von Paddy zu hören, der neben ihr mit dem Kopf an der Scheibe lehnte.

„Jimmy?",brach sie leise die Stille. Ihr Blick lag auf Paddy, während Jimmy sie kurz durch den Rückspiegel anschaute.
„Ja?",harkte er nach, war dabei jedoch ebenso leise, um seinen Bruder nicht zu wecken, bevor er wieder auf die Straße blickte.
„Ist das alles meine Schuld?"
Er schluckte. Er hatte nicht erwartet, dass Bella solch diskrete Fragen stellte.
„Auf Paddy bezogen?"
„Ja."
„Wieso sollte es?",wollte Jimmy von ihr wissen und wartete, bis Bella die richtigen Worte gefunden hatte.
„Ich weiß auch nicht. Ich fühle mich irgendwie für das ganze Schlamassel hier verantwortlich, schließlich muss Paddy sich jetzt noch um mich kümmern.",erklärte sie ihre Frage und wandt ihren Blick nun aus dem Fenster.
„Ich fand diese ganze Idee von vornherein nicht gut. Nichts gegen dich. Aber es war seine eigene Entscheidung und er weiß, was er tut. Zumindest meistens. Du bist daran nicht Schuld. Bitte rede dir so etwas nicht ein.",erwiderte Jimmy.

„Außerdem gebt ihr beiden zusammen schon ein süßes Bild ab.",fügte er schmunzelnd hinzu und blickte zu Bella, die sich ihr Lächeln nicht verkneifen konnte, jedoch auch etwas rot wurde.
„Aja, das typisch verliebte Lächeln und rote Gesicht. Versteh schon."
„Ach hör schon auf!",bat sie lachend und schlug ihm leicht gegen die Schulter, was auch Jimmy zum lachen brachte, bevor es wieder still wurde und bloß Paddy's gleichmäßiger Atem die Geräuschkulisse übernahm.

Lange standen sie im Stau.
Bella war mittlerweile ebenfalls etwas eingenickt, wurde jedoch wach, als Jimmy den Wagen ausschaltete und leise Ausstieg. Verwirrt blinzelte sie gegen die Dunkelheit an, die sich langsam ins Land zog.
„Wo sind wir..?",grummelte Paddy verschlafen und setzte sich aufrecht hin, um aus dem Fenster zu schauen und sich somit irgendwie zu orientieren.
„Keine Ahnung.",antwortete Bella wahrheitsgemäß und strich sich durch ihre müden Augen, was Paddy ein leichtes Lächeln auf die Lippen zauberte, bevor er seinen Kopf wieder an die Fensterscheibe lehnte.
„Ich habe mich selten so schwach gefühlt.",gab er leise zu und ließ seinen Blick kurz zu Bella wandern, die ihn besorgt anschaute. Auch sie musste sich erst einmal an diese schwache Seite von Paddy gewöhnen. Zwar hatte er diese schon öfter gezeigt, aber so lange anhalten tat diese nie.
„Schlaf einfach.",bat Bella ihn und sah, wie Paddy nickte.
Es dauerte auch nicht lange, bis Jimmy mit einem Becher Kaffee wieder kam.
„Habe ich euch geweckt?",wollte er wissen, als er sich zu den beiden umdrehte und bloß ein Kopfschütteln zur Antwort bekam.
„Gut. Wir sind jetzt aus dem Stau draußen. Noch eine knappe halbe Stunde.",informierte er sie und setzte sich hin, um die Fahrt fortzusetzen.

Erst gegen 21 Uhr kamen die drei bei Paddy Zuhause an. Gegessen hatten sie eine Kleinigkeit bei der Raststätte, die sie aufsuchten, als der nächste Stau sich anbahnte und somit die Weiterfahrt versperrte.
Auch Jimmy war deutlich geschlaucht, als er den Autoschlüssel auf der Kommode ablegte und seine Jacke und Schuhe auszog.

„Das ist doch nicht deren ernst.",hörte er die leise Stimme seines Bruders in der Küche.
Paddy hatte gerade die Zeitung von heute Morgen entdeckt. Direkt auf der Startseite war ein Bild des Kelly Konzertes und der deutlich sichtbaren Unruhe die dort herrschte, als Patricia zusammengebrochen war. Direkt darunter ein Bild von Paddy. Weinend und in den Armen von Jimmy. Dieses Bild entstand eindeutig bei der Beerdigung ihres Vaters, jedoch wurde es, auf den Wunsch der Geschwister, nie veröffentlicht. Paddy wusste, dass dieses Bild älter war, die Fans jedoch konnten dies nicht unbedingt wissen. Zwar war es einige Jahre alt, aber aufgrund der mangelten Qualität könnte es auch ebenso aktuell sein.
„What's wrong?",fragte Jimmy, als er die Küche betrat und sich gegenüber von Paddy an den Tisch setzte, welcher ihm sofort die Zeitung zu schob.

'Schock für alle Kelly Fans!
Bei ihrem letzten Konzert in Salzburg schien zunächst alles gut. Die Stimmung war super, die Fans gut drauf und auch die Kelly Geschwister hatten super Laune. Doch was dann auf der Bühne geschah war ein Schock für alle! Patricia Kelly brach bewusstlos zusammen. Der Grund dafür noch immer unklar. Doch was hatte Michael Patrick (Paddy) Kelly damit zu tun?'

Jimmy las weiter. Mal wieder hackte die Presse auf seiner Vergangenheit und der Trennung zu seinen Geschwistern herum.

'Aber auch für Paddy soll dieser Abend im Krankenhaus geendet haben. Der 40 Jährige ist wohl auch zusammengebrochen. Ob es dort wohl eine Parallele gibt?'

„Können die nicht ein mal ihre Griffel bei sich behalten?"
Genervt stand Paddy auf und schnappte sich ein Glas, um sich etwas Leitungswasser in dieses zu Füllen und in einem Zug auszutrinken.
„Ist doch immer das gleiche mit denen. Schrecklich.",erwiderte Jimmy, bevor er die Zeitung zu Seite legte. Er verstand gut, warum sein Bruder in diesem Punkt so empfindlich reagierte. Schließlich war es seine Privatsphäre und Gesundheit, die in der Presse absolut nichts verloren hatte.

„Möchtest du dich nicht ins Bett legen?"
Paddy blickte zu Jimmy und schüttelte bloß leicht den Kopf.
„Du musst jetzt nicht auf stark tun und gegen die Erschöpfung ankämpfen.",erwiderte Jimmy darauf und bekam ein leises lachen von Paddy zurück, bevor er sich wieder an den Tisch setzte.
„Ich habe auf der Rückfahrt genug geschlafen."
„So siehst du aber nicht aus.",gab Jimmy lachend zu und musterte Paddy kurz, dessen Haut definitiv noch immer zu blass war.
„Babysitter Jimmy. Ich fühle mich ja schon fast wie damals.",antwortete Paddy lächelnd und schaute zu seinem Bruder, der sein Lächeln erwiderte.

„Und dich lässt die ganze Sache kalt?",erfragte Paddy leise, um die aufkommende Stille zu füllen.
„Natürlich nicht, aber ich glaube meine Psyche steckt es sehr viel besser weg als deine.",erwiderte sein Bruder. Paddy stützte seufzend seine Ellbogen auf den Tisch und seinen Kopf in seine Hände.

„Ich glaube ich sollte dir da auch noch etwas sagen. Zwar wurde ich gebeten es nicht zu tun, aber ich halte es nur für richtig."
Unsicher schaute Jimmy zu seinem Bruder auf und merkte, wie sein Blick fragend und neugieriger wurde.
„Um was geht es?",wollte Paddy wissen und spürte, dass Jimmy verunsichert war.
Jimmy wurde von Patricia gebeten, es Paddy nicht zu verraten. Erstens war sie sich nicht sicher und zweitens war unklar, ob Paddy mit der Sache klar käme.

„N..naja, Tricia hatte ja immer guten Kontakt zu Joelle..."
Paddy verkrampfte sich bei dem Namen Joelle, jedoch blieb der Herzschmerz, den er mit diesem Namen verband, diesmal aus.
„Auch danach?"
„Eigentlich nicht. Sie war sauer auf Joelle, aber als wir beim Soundcheck vor knapp einer Woche waren, hat sie einen Anruf von ihr bekommen."
„Muss man dir alles aus der Nase ziehen?",harkte Paddy belustigt nach. Jimmy merkte aber deutlich, dass er bloß seine Unsicherheit verstecken wollte.
„Lass mich, ich habe Angst, dass du sofort wieder umkippst.",gab Jimmy wahrheitsgemäß zu und fuhr sich kurz durch die Haare, bevor er weiter erzählte:„Sie war total aufgelöst, hat es aber mit viel Überredungskunst geschafft, Patricia am Telefon zu halten. Sie wollte erst gar nicht mit der Sprache rausrücken, hat sich Patricia dann aber doch anvertraut."
Interessiert blickte Paddy zu seinem Bruder, der seinen Klos im Hals versuchte herunterzubekommen.

„Paddy, Joelle ist Schwanger."

Wenn Musik mein Herz erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt