Kapitel 35

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„Willst du mich umbringen?!",beschwerte Bella sich gequält, was Paddy jedoch bloß zum Lachen brachte. Er kannte dieses Problem. Die endlos langen und kurvigen Bergstraßen konnten den Magen und das Gemüt eindeutig reizen und obwohl Bella sich unheimlich freute, kam ihr diese Fahrt wie ein Horror Trip vor.

„Paddy, das ist nicht lustig.",gab sie ihm zu verstehen und stützte ihren Kopf auf ihren Arm, welcher sich am Rand der Fensterscheibe abstützte.
„Sag Bescheid, falls es wirklich nicht mehr gehen sollte.",erwiderte Paddy schmunzelnd und konzentrierte sich wieder auf die kurvige Straße. Bella hatte auf ihrer Liste vermerkt, dass sie gerne ich die Berge würde. Paddy war damals schon oft hier gewesen und wenn Bella auf einen Berg wollte, dann bot sich der größte von Österreich, der Großglockner, ja wohl am besten an. Jedoch hatte auch er nicht mehr in Erinnerung gehabt, dass diese Straße so eine Qual war.
Schon die Aussicht von der Straße aus war atemberaubend und schon bald hatte Bella ihre Übelkeit vergessen und klebte förmlich mit offenem Mund an der Fensterscheibe. Viel zu schön war der Anblick der vielen Wiesen, Wälder und Hügel unter ihnen. Auch kleinere Wasserfälle waren zu sehen.

„Du tust fast so, als wärst du noch nie in den Bergen gewesen.",bemerkte Paddy lachend und warf ebenfalls einen kurzen Blick durch das Fenster, bevor er schmunzelnd wieder auf die Straße blickte. Bella drehte ihren Kopf und blickte Paddy an. Sie bemerkte, wie unruhig es ihn machte, wenn sie ihn anschaute, aber nichts sagte.
„Was glaubst du wohl, warum ich unbedingt in die Berge wollte?",fragte Bella ihn und fing seinen kurzen Blick auf, bevor auch sie wieder aus dem Fenster schaute.
„Wow, echt?",harkte Paddy erstaunt nach, was Bella bloß bejahte.
„Na dann hast du dir den besten Reiseführer ausgesucht, den man nur haben kann!"
Sie lachte, welches Paddy schließlich auch ansteckte.
„Nene, im Ernst! Wir waren damals oft hier!",beteuerte er lachend.
„Damals? Welches Jahr darf ich mir darunter vorstellen?"
„Naja, so mit 17 das letzte mal. Aber ich habe hier eine super Orientierung, seitdem ich mich mit Jimmy hier oben verlaufen habe.",erwiderte Paddy und fuhr vorsichtig um die nächste Kurve.
„Sehr beruhigend, Paddy. Wirklich.",antwortete Bella ironisch, blickte jedoch weiterhin aus dem Fenster. Paddy warf ihr belustigt einen Seitenblick zu und genoss die Stille, die nach diesem kleinen Gespräch herrschte. Eigentlich war er ein absoluter Strand Mensch und hätte er die Wahl zwischen Meer und Bergen, würde er eindeutig das Meer wählen. Jedoch hatte ihn gerade ein ganz neuer Charme der Berge um den Finger gewickelt. Jenen Charme, den er schon damals mit seiner Familie gefühlt hatte.

Zufrieden seufzte er und lehnte sich komplett in den Sitz, während er seine Arme am Lenkrad durch streckte.
Die gefühlt endlose Fahrt fand ihr Ende an einer abgelegenen Straße. Wobei die komplette Bergstraße eigentlich schon ziemlich abgelegen war, aber diese war noch ein Stück schmaler und kein Auto war zu sehen.
Paddy parkte den Wagen an der Straße und blickte zu Bella, die ihr freudiges Lächeln nicht mehr los wurde. Zu sehr beeindruckte sie die Landschaft.
„Na dann, verabschiede dich schon mal von dem Auto.",spaßte er und stieg aus, um seine Tasche von dem Rücksitz zu holen. Belustigt schüttelte Bella mit dem Kopf, bevor sie ebenfalls Ausstieg und von einem starken Wind empfangen wurde, der ihr durch das Gesicht wehte. Genießerisch zog sie die Bergluft in ihre Lunge, zuckte jedoch leicht zusammen, als Paddy seine Hand auf ihre Schulter legte und sie sanft anlächelte.
„Du hast gleich noch genug Zeit um das alles zu genießen. Wir müssen nur bis um 20 Uhr wieder unten sein."
Bereitwillig ließ Bella sich von Paddy leiten, bis dieser sich schließlich umdrehte und ein Tuch aus seiner Jackentasche zog, welches er Bella schnell um die Augen band, was diese lachend zu ließ, jedoch auch keine Chance hatte um zu protestieren.

„Darf ich, my Lady?",erfragte Paddy höflich und griff vorsichtig nach Bella's Hand.
„Machst du doch sowieso.",erwiderte sie lachend, verschränkte dann jedoch ihre Finger mit seinen und folgte Paddy, der vorsichtig voran lief. Unsicher war sie schon. Schon damals hasste sie es, wenn sie anderen Leuten blind vertrauen musste, tat dies jedoch jetzt gerne. Ein kleines kribbeln löste sich in ihrem Bauch aus und ihr Lächeln veränderte sich zu einem großen Grinsen. Viel zu Glücklich war sie in diesem Moment.
Paddy kam zum stehen. Sein Blick glitt in die Tiefe, die sich direkt vor ihnen erstreckte und kurz hatte selbst er mit seinem Schwindel zu kämpfen, bevor er sich an Bella wandt, die unsicher neben ihm stand.

Ihr Grinsen glich dem von einem Honigkuchen Pferd, was Paddy schließlich selbst Lächeln ließ. Er freute sich, dass er Bella mit einer solchen Kleinigkeit eine so große Freude machen konnte und sie sichtlich gelöster war, als die letzten Tage.
Vorsichtig band Paddy das Tuch hinter ihrem Kopf auf und nahm ihr dieses von den Augen. Sofort klammerte Bella sich mehr an seiner Hand fest, die sie sofort wieder gegriffen hatte und starrte nach unten. Sie wollte gar nicht wissen, wie weit genau sie vom Erdboden getrennt waren. Unter ihnen bildeten sich ein paar Wolken ab, ebenso wie kleine Bäume in dem Tal, große Wiesen und kleine Flüsse. Staunend richtete sich ihr Blick nun auch geradeaus. Auf den höheren Spitzen des Berges lag Schnee und auch unter ihnen war davon ein wenig zu sehen. Der Himmel war blau und würde man das Wetter so betrachten, würde man nicht vermuten, dass es hier kalt war.

„Das ist einfach.... wow!",brach sie das Schweigen, ging jedoch trotzdem zwei Schritte zurück um sich ein wenig von der Kannte zu entfernen.
„Und das beste habe ich auf meinem Rücken.",versicherte er lächelnd und ließ seine Tasche von seinem Rücken gleiten, um diese auf die kleine Bank zu stellen. Neugierig blickte Bella in diese hinein, ließ sich dabei neben die Tasche nieder und blickte immer wieder zu Paddy auf. Ein paar Stränen seiner Haare hingen ihm auf der Stirn und seine Lippen umspielte ebenfalls ein leichtes Lächeln. Auch ihm und seiner Seele tat dieser Ausflug gut.
„Kuchen, warmer Kakao und alles, was man für die Seele braucht!",sagte Paddy, während er sich ebenfalls niederließ und neben dem genannten Kuchen und Kakao eine flauschige Decke aus seiner Tasche zog, die Bella sofort an sich nahm und sich in dieser einkuschelte, was Paddy lachend ließ. Dieser gab Bella eine Tasse mit warmen Kakao und ergatterte sich ebenfalls genug Decke, um sich da mit wenigstens etwas warm zu halten.

Die Stille war angenehm.
Für beide.
Sie genossen die kalte Luft, den Ausblick und einfach die Zweisamkeit, die so schien, als würde sie die beiden ein Stück näher zusammen bringen.
In Bella's Gedanken spielte sich jedoch nur ein Gedanke ab. Dies war das erste und wahrscheinlich letzte mal, dass sie nun hier war. Hier, hoch über dem Meeresspiegel. Unter ihr wirkte alles so endlos klein und obwohl sie wusste, dass sie ebenfalls nicht größer war, machte sich genau dieses Gefühl in ihr breit.
Das Gefühl von Größe und Stärke.

Paddy war es, der sie stärkte, auch wenn dieser ebenfalls keine leichte Zeit durch machte und stets versuchte sich davon nicht unterbekommen zu lassen.
Gedankenverloren legte Bella ihrem Kopf auf seine Schulter, blickte in die Ferne und wärmte ihre Hände an der warmen Kakaotasse. Lange blieben sie in vollkommenen Schweigen dort sitzen. Die Stille genießend und trotzdem spürten sie, dass sie nicht alleine waren. Niemand der beiden. Sie waren füreinander da und gaben sich gegenseitig genau diese Sicherheit. Bewusst war ihnen dies jedoch nicht. Zumindest nicht in so einem Ausmaß.
Die Sonne war bereits hinter den Spitzen der Berge verschwunden und Paddy wusste, dass es langsam Zeit war um aufzubrechen. Die Stille brechen wollte er aber nicht. Gerade als er aufstand übernahm dies auch schon das Klingeln seines Handy's und ließ somit Bella zusammenzucken und ihn schmunzeln, bevor er an den Anruf ran ging, der von seiner Schwester stammte.

Hätte er jedoch gewusst, dass dieser Anruf die ganze Situation verändern sollte, hätte er damit eindeutig bis Morgen früh gewartet.

Wenn Musik mein Herz erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt