Kapitel 11

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„Sie ist auch abgehauen und hat nicht daran gedacht, dass sie Hilfe brauchen könnte!",konterte Clara und erntete einen bösen Blick von Paddy, der langsam ein paar Schritte auf sie zu ging.
„Ach nein, wie hättest du denn reagiert?"
Direkt vor ihr blieb er stehen. Die zwei Polizisten schauten skeptisch, ließen die Situation aber ununterbrochen.
„Wenigstens ein bisschen nachgedacht!",antwortete Clara und hielt dem stechenden Blick von Paddy stand. Diesem stieg seine Wut langsam zu Kopf.
„Ich habe auch Geschwister, aber so kalt, wie du, könnte ich nie zu ihnen sein. Deine Schwester lebt nicht mehr lange und du denkst trotzdem nur an dich und deine Vorteile, wenn sie endlich weg wäre? Schäm dich! Gerade jetzt könnte sie deine Unterstützung nur zu gut gebrauchen, aber nein, die nette Dame will sie ja lieber aus dem Hause haben und dazu noch einen Aufstand machen!"

Bella schluckte, als sie realisierte, was er da gerade eigentlich gesagt hatte.
Es bedeutete ihm scheinbar etwas, dass Bella nicht weg musste, sonst hätte er sie einfach mit den Polizisten gehen lassen.
Unbemerkt streichte Joelle Bella über die Hand als Zeichen, dass sie nicht alleine war. Und wieder musste sie schlucken. Gerade Joelle, die eben noch so fremd und unantastbar für sie war, war plötzlich für sie da.

„Urteile gefälligst nicht über mein Leben! Wieso mischst du dich überhaupt hier ein?!",schrie Clara und Paddy blickte kurz zur Küchentür, durch die Bowie sich gerade mit eingeklemmten Schwanz verzog. Er spürte, dass die Situation angespannt war und die Luft um sie herum schon fast mit kleinen Blitzen versehen werden konnte.

„Ich denke auch, dass das genug ist. Wir ne...-"
„Fassen Sie mich nicht an!",sagte Paddy plötzlich laut und unterbrach somit den Polizisten, der ihn an der Schulter etwas von Clara entfernen wollte.
„Sie wissen, dass es eine Straftat ist, uns von unserem Job abzuhalten?",versicherte der Polizist sich verbissen, aber Paddy ging auf diese Frage nur indirekt ein.
„Vielleicht sollten sie mal etwas mehr Verständnis und Mitgefühl in ihren Job bringen!"
„Ich mache nur meinen Job und es ist nicht gesta...-"
„Ich mache auch nur meinen Job. Raus hier und zwar Sie alle!"

Er blickte erst zu den Polizisten, dann zu Clara, auf die er wieder ein paar Schritte zu ging, um ihr etwas zu sagen. Die Polizisten erkannten jedoch den Ernst der Lage und drückten ihn, mit viel Gegenwehr und Geschrei seinerseits, mit dem Bauch zu Boden. Immer noch wehrte er sich gegen die Ungerechtigkeit, bis er schließlich Handschellen angelegt bekam und so gut wie bewegungsunfähig auf dem Boden lag.

Bella nahm die Situation wie in Trance wahr. Auch, als sie am Arm gepackt und mit sich gezogen wurde, blieb ihr Blick an Paddy hängen, der nun leise fluchend auf dem Boden lag. Erst als sie die Haustür verlassen hatte und ihr das kalte Wetter entgegen kam, wehrte sie sich gegen den Griff ihrer Schwester. Chancen hatte sie keine, denn schnell saß sie, mit ihrem Gepäck, in dem Polizeiauto auf den Weg Richtung Hospiz.

Der eine Polizist war bei Paddy geblieben und beobachtete diesen, wie er sich versuchte wenigstens zu setzen. Joelle wurde aus dem Raum gebeten. Sie verstand, warum Paddy so war. Er sah sich in der gleichen Situation, aber trotzdem ging er zu weit und mit den Konsequenzen musste er nun selber klar kommen.
„Kann ich sie wieder los machen, oder greifen Sie mich dann an?",harkte der Polizist skeptisch bei Paddy nach, welcher nur leicht beschämt nickte. Er wusste nicht, was ihn dazu gebracht hatte, so zu reagieren.
Der Polizist befreite ihn, weshalb Paddy sich kurz die Handgelenke rieb und mit dem Satz:„Sorry, all too much." aufstand.

Viele Worte wechselten sie nicht. Er wusste, dass eine Strafe wegen seinem Verhalten nicht ausbleiben würde und auch dies machte ihm der Polizist klar, bevor er verschwand.

Paddy suchte nach seiner Frau, die er schließlich weinend im Schlafzimmer ausfindig machte.
„Was ist?",fragte er einfühlsam nach. Joelle drehte ihm die kalte Schulter zu und ignorierte seine Hand, die er auf ihrer Schulter ruhen ließ.
„Was war das gerade?",wollte sie leise von ihm wissen. Sie kannte Paddy nicht so. Eher als Mann, mit dem man Stundenlang diskutieren konnte, bevor er mal lauter wurde.
„I don't know.",gab er wahrheitsgemäß zurück und fuhr sich mit der Hand, die soeben noch auf ihrer Schulter lag, durch die Haare.

Er kannte Bella kaum, trotzdem setzte er sich so für sie ein. Jedoch hatte dies bezeugt, dass er ihr nicht helfen konnte. Er war machtlos gegen die Mächte des Schicksals und genau dies machte ihn fertig. Joelle merkte seine Nachdenklichkeit und zog ihn sanft zu sich herunter, sodass er neben ihr auf der Bettkannte saß, um ihm einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen, den Paddy gerne erwiderte, mit den Gedanken aber nicht ganz dabei war.

Bella war währenddessen in ihrem neuen Zuhause angekommen. Das Gebäude befand sich an einem schönen See, umgeben vom nicht's. Wahrscheinlich war Paddy's Haus wirklich das einzige, was hier ansatzweise in der Nähe stand. Und selbst dieses war 20 Minuten Autofahrt weit entfernt.
Wortlos trottete Bella neben ihrer Schwester her, die soweit alles klärte, während sie sich im Eingangsbereich umblickte. Alles deutete auf Klinik hin, mit dem einzigen Unterschied, dass die Wände blass gelb und nicht kahl weiß waren.
Sie nahmen im Empfangsbereich platz. Bella schenkte ihrer Schwester keinen Blick und auch als sich der Chef persönlich bei ihnen vorstellte, stand Bella stumm auf und lief ihm hinterher. Ohne Clara. Diese blieb zurück und blickte ihnen hinterher, bevor sie schließlich ging und Nick anrief, damit dieser sie abholen konnte.
Dr. Schmidt, der Leiter, erklärte Bella alles. Von den Behandlungen, bis hin zu den Hausregeln, den täglichen Ablauf und Aufgaben, die sie jeden Tag zu bewältigen hatte. Interessiert hörte sie zu, sagte aber kein Wort. Hier bleiben wollte sie wirklich nicht. Alle schauten sie an, als wäre sie ein Alien, aber diese Blicke ignorierte sie gekonnt. Ihr Entschluss stand fest. Sie würde hier drin mit niemandem ein Wort wechseln. Sie sollten ruhig merken, dass ihr diese Entscheidung deutlich gegen den Strich ging. Die Flure waren wenigstens etwas Weihnachtlich dekoriert und auch darüber, dass sie ein Einzelzimmer hatte, war sie mehr als dankbar.
„Hast du noch irgendwelche Fragen?"
Bella schüttelte den Kopf und stellte ihren Koffer neben dem Bett ab, auf welches sie sich setzte und aus dem Fenster blickte.

Sie hatte eine perfekte Sicht auf den See und generell war die Umgebung eine Idylle.
Trotzdem seufzte sie. Sie wusste nicht weiter. Hier raus kam sie nicht so einfach und selbst wenn hatte sie absolut keine Ahnung, wo sie überhaupt hin sollte.
Ein paar Tränen bildeten sich in ihren Augen, die sie versuchte weg zu blinzeln. Dr. Schmidt verließ das Zimmer. Er spürte, dass Bella Zeit für sich brauchte, die diese auch sofort nutzte und ihren Tränen freien lauf ließ.
Wie konnte es sein, dass sich ihr ganzes Leben plötzlich so verändert hatte. Und das nur, wegen der Bekanntschaft mit Paddy.
Aber vor allem geisterten viele Gedanken in ihrem Kopf herum. Wieso hatte er sich so für sie eingesetzt?

Wenn Musik mein Herz erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt