Kapitel 26

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„Na, der ausgemachte Termin war dann doch etwas weit gesteckt.",versuchte eine Krankenschwester die Situation zu lockern.
Paddy war etwas entspannter. Er wusste Bella in guten Händen und konnte somit beruhigt neben ihr sitzen. Zum Spaßen war Bella aber auf keinen Fall.

Sie versuchte möglichst ihre schweren Augen offen zu halten und merkte förmlich, wie ihr die Energie aus dem Körper gezogen wurde, wobei sie nur ein EKG am laufen hatte. Sonderlich bequem war die Liege im Behandlungsraum auf Dauer auch nicht. Als die Krankenschwester dann endlich das Zimmer verließ, atmete sie erleichtert aus. Sie wollte ihre Ruhe haben und nicht von fremden Leuten bei Laune gehalten werden.
„Schlaf ruhig ein bisschen. Ich weck dich schon auf, wenn der Arzt kommt.",schlug Paddy ihr vor, aber Bella schüttelte nur den Kopf. Sie wollte diese Erschöpfung nicht zu lassen und griff, fast schon selbstverständlich, nach Paddy's Hand. Dieser hatte damit kein Problem und war eher erschrocken, dass Bella's Hände so extrem kalt waren.
Sie jedoch genoss die Wärme, die von Paddy's Hand und seiner Anwesenheit ausging. Auch, wenn es ihr unangenehm war, dass Paddy sie so sah, war sie froh, dass er für sie da war.
„Ist das normal, dass die Krankenschwestern hier keine Auskunft geben?"
„Hm. Die nehmen Blut ab, schließen alles an und verschwinden dann wieder.",erzählte Bella leise und schloss schließlich doch ihre Augen. Sie fühlte sich unbeschreiblich schwach und kraftlos.

Es dauerte nicht allzu lang, bis Dr. Mai, Bella's zuständiger Arzt, leise den Raum betrat. Verschlafen blinzelte Bella ihn an, fühlte sich aber viel zu kraftlos, um ihm zur Begrüßung die Hand zu geben. Dies übernahm Paddy.
„Was ist los?",erfragte Dr. Mai bei ihm, weshalb Paddy kurz die Situation und den Grund erläuterte, warum sie eigentlich hier waren. Genaue Auskunft darüber, was Bella eigentlich hatte, hatte ihm bis jetzt noch niemand gegeben. Er wusste zwar, dass sie einen angeborene Herzfehler hatte, aber wie dieser sich genau auswirkte, war ihm noch ein Rätsel.
Interessiert verfolgte Paddy den Arzt, wobei er Bella stets beruhigend über den Handrücken strich. Dr. Mai maß derweil den Sauerstoffgehalt in ihrem Blut und legte ihr schließlich eine Nasenbrille mit Sauerstoff an. Es dauerte nicht lange, bis Bella wieder zu ihrem normalen Atem Rhythmus fand. Ihre Augen ließ sie, trotz allem, geschlossen und versuchte sich auf ihren Atem zu konzentrieren.
„Wie lange behandeln Sie Bella schon?",wollte Paddy wissen und brach somit leise die Stille.
Dr. Mai blickte kurz zu ihm und lächelte knapp, bevor er Bella etwas in den Arm spritzte.
„Seit sie 5 Jahre alt ist. Sie und ihre Familie waren damals extra hier her gezogen, um hier die Medizin in Anspruch zu nehmen, da ihre Krankheit längst nicht überall geläufig ist, aber helfen konnten wir ihr damals auch nicht. Die Krankheit führt, ohne Operation, unweigerlich zum Tod.",erklärte er knapp. Paddy schluckte. Mit diesen direkten Worten hatte er wirklich nicht gerechten. Nun hatten diese aber seine letzten Hoffnungen zur Nichte gemacht. Ein kleiner Funken war wohl noch geblieben, der ihm stets versuchte einzureden, dass er Bella nicht verlieren würde.
„Aber vielleicht kommen sie mit mir rüber, solange sie sich etwas ausruht. Ich erzähle ihnen mehr über ihre Krankheit und nachher können Sie sie wieder mit nehmen, wenn sie soweit stabil bleibt.",schlug der Arzt vor. Sofort nickte Paddy. Er wollte wirklich erfahren, was genau ins Bella's Körper vor sich ging
Diese war bereits eingeschlafen. Die Erschöpfung hatte überhand über ihren Körper genommen, tat diesem aber gleichzeitig sehr gut. Ihre Hände nahmen langsam wieder eine normale Farbe an und auch ihr Gesicht wirkte nicht mehr so, als hätte sie eine Leiche gesehen.

Leise verließen die beiden Männer den Raum, um sich in das Büro des Doktors zu begeben, welches sich direkt gegenüber des Behandlungsraumes befand.
„Setzen sie sich doch."
„Du und Patrick reicht vollkommen.",bot Paddy ihm an, bevor er sich setzte und der Arzt leicht lächelte, während er sich hinter seinem Schreibtisch niederließ und Paddy interessiert anschaute.
„Also, was möchtest du wissen?"
Kurz suchte Paddy nach den richtigen Worten, bis ihm auffiel, dass er tatsächlich alles rund herum wissen wollte.
„So viel es geht.",antwortete er deshalb, weshalb Dr. Mai nickte und anfing zu erzählen.

„Im Grunde hat Bella eine Krankheit, die man im frühen Kindheitsalter gut durch eine Operation behandeln kann. Dies wurde bei ihr auch gemacht, jedoch hat sich die Krankheit zurückgebildet und sie blieb nicht lange beschwerdefrei. Immer wieder wurden Korrekturen vorgenommen, aber Wirkung zeigte keine von diesen. Ihre komplette Kindheit verbrachte sie im Krankenhaus und auch in ihrer Jugend war sie hier ein oft gesehener Gast. Irgendwann war auch ich mit meinem Latein am Ende. Es ist ungewöhnlich, dass Bella mit dieser Krankheit immer noch lebt. Normalerweise ist die Lebenserwartung, ohne Operative Hilfe, nicht sehr hoch."
Paddy schluckte. Er war erschrocken, was Bella alles durch machen musste. Zwar hatte sie das Ganze schon einmal angedeutet, aber dies von einer außenstehenden Person so geschildert zu bekommen, erschrak ihn dann doch.
„Und wie kann man sich diese Krankheit vorstellen?",harkte Paddy interessiert nach.

„So einfach ist das tatsächlich nicht zu sagen. Bei der Krankheit haben ein paar Fehlbildungen ihre Hände im Spiel. Grob kann man es sich aber so vorstellen: Das größte Problem ist, dass sich in den meisten Fällen ein Loch in der Scheidewand zwischen der Linken und Rechten Herzkammer befindet. Ansich nicht schlimm, jedoch fließt so das Sauerstoff arme und reiche Blut zusammen. Dazu kommt ein weiteres Problem. Die Hauptschlagader, die für den Bluttransport, von dem Herzen, in den Körper, zuständig ist, liegt mehr mittig, sodass das sauerstoffarme Blut den Hauptbestandteil bildet. Außerdem gehört meistens, bei Bella auch, eine Verengung der Hauptschlagadern des Herzens dazu, weshalb das Herz viel mehr Druck braucht, um das dickere Blut durch die anderen zu pumpen. Dadurch bildet sich der Herzmuskel mehr aus und kann schließlich wieder zu Komplikationen führen.",beendete der Arzt seine Erklärung, bei welcher er, anhand eines Modells des Herzens, anschaulich zu erklären versuchte, wo die Probleme bei dieser Krankheit lagen.
„Oh, wow.",war das einzige, was Paddy heraus brachte. So kompliziert hatte er sich das Ganze dann doch nicht vorgestellt. Tausende Fragen schwirrten noch in seinem Kopf, einen Anfang von diesem zu finden gestaltete sich jedoch als schwierig.
„Aber wenn sie zu wenig Sauerstoff in ihrem Blut hat, geht das nicht auf Dauer auf die Organe?"

„Dann passiert genau das, was heute passiert ist. Sie wird in einer bestimmten Zeit vollkommen auf den zusätzlichen Sauerstoff angewiesen sein. Es bleibt abzuwarten, ob sie im Endeffekt wirklich an Herz, oder sogar Organversagen stirbt."

Paddy strich unruhig mit seinen Händen über seine Beine. Er mochte es nicht, wenn ihn jemand so direkt mit dem Tod konfrontierte auch, wenn ihm klar war, dass dies nun öfter Thema werden würde.
„Kann man ihr denn irgendwie helfen?",erfragte Paddy und blickte Hoffnungsvoll zu Dr. Mai, welcher seinen Blick auffing und nun langsam anfing mit dem Kopf zu schütteln.

„Eine Operation könnte ihr das Leben retten, aber ich gehe nicht davon aus, dass diese gelingen würde. Dafür sind schon zu viele Fehlgeschlagen. Außerdem hat Bella und vor allem ihr Herz nicht mehr die Kraft dazu, eine solche Operation auszukurieren. Wahrscheinlich würde sie diese nur noch zeitiger umbringen."
„Fuck.",sagte Paddy überfordert zu sich selbst und fuhr sich durch die Haare. Er wollte sich gar nicht vorstellen, durch welche Hölle diese junge Frau die letzten Jahre ihres Lebens gehen musste, nur um gesagt zu bekommen, dass sie bald sterben würde. Auch der Doktor fühlte bei Bella's Schicksal mit. Er kannte sie von klein auf, wusste, dass sie ein Kämpfer Herz hatte auch, wenn dieses gehandicapt war.

„Ich bitte dich nur darum. Bella ist eine tolle junge Frau und ich weiß, wie viel ihr an dir und deiner Musik liegt. Glaub mir, ich glaube bei jedem Termin hat sie mir von dir erzählt, zumindest ab da, wo sie dich und deine Familie kannte. Ich finde es toll, dass du dich ihrem Schicksal so annimmst, aber bitte. Finde dich selbst damit ab, dass sie bald nicht mehr da sein wird."
Er nickte.
„Ich versuche es.",erwiderte er leise und richtete den Blick vor sich auf den Schreibtisch, woraufhin er einen besorgten Blick ab bekam.
„Alles in Ordnung?"
„Yes, nur etwas viel.",gab Paddy ihm zurück und zwang sich ein leichtes Lächeln auf die Lippen.
„Ich weiß. Vor allem so mit dem Tod umzugehen ist nicht einfach."
„Damit habe ich Erfahrung, das ist nicht das Problem.",antwortete er und strich sich erneut durch die Haare.
Dr. Mai harkte nicht weiter nach. Er wusste, dass es schwer war über solche Themen zu reden und wollte keine alten Wunden bei Paddy aufreißen.
„Wenn du noch Fragen hast, melde dich einfach. Ich erkläre dir nachher einmal alles, was in der Pflege und auch in Zukunft wichtig sein wird. Ansonsten kannst du erst einmal nachhause fahren, bis Bella wieder bei Kräften ist.",teilte der Doktor ihm mit und stand auf. Paddy jedoch schüttelte den Kopf. Er wollte bei ihr bleiben.
Zuhause würde er nur verrückt werden, weshalb er schließlich wirklich wieder zu Bella ging, die tief und fest schlief.

Ein Lächeln Schlich über Paddy's Lippen, während er sich zu ihr setzte und vorsichtig ihre Hand in seine nahm.

Wenn Musik mein Herz erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt