„Das ist wirklich schön hier."
„Hab ich doch gesagt.",behauptete Paddy besserwisserisch und schmunzelnd, während er in die Ferne blickte.
Zuvor hatten sie eine lange Diskussion darüber geführt, ob sie wirklich hier her kommen sollten.
Sie saßen auf einer Bank, etwas höher auf einer Lichtung des Waldes. Von hier sah man am Horizont das nächste Dorf und nun auch das Feuerwerk, welches um Punkt 0 Uhr seine Farben in die dunkle Nacht zeichnete.
Jedes Silvester verbrachte Paddy hier mit Joelle. Die beiden hielten nichts davon, die Raketen in die Luft zu jagen, aber das Ergebnis davon sahen sie sich gerne an. Umso skeptischer war Bella, ob es wirklich eine gute Idee war auch dieses Jahr hier her zu kommen. Zumal der Weg für sie wirklich anstrengend war und sie einige Pausen einlegen mussten.
Im Endeffekt war sie froh, dass Paddy sie, mit seiner dickköpfigkeit, überredet hatte und sie nun hier saßen.Mittlerweile war es kein befremdliches Gefühl mehr, dass Bella bei ihrem Lieblingssänger Zuhause unterkam. Sie waren sich wirklich näher gekommen und langsam lockerte sich die Stimmung zwischen ihnen immer weiter. Auch für Paddy war Bella eine gute Freundin. Zwar eine, die seine Musik liebte, aber auch eine, mit der er super über das reden konnte, was in seinem Kopf umher schwirrte. Gerade die Sache mit Lukas und Joelle kam ihm Spanisch vor. Er hatte das Gefühl, dass an der ganzen Geschichte etwas nicht stimmen konnte, ließ Joelle aber weiterhin in Ruhe.
Seufzend lehnte Bella ihren Kopf gegen seine Schulter.
Paddy blickte lächelnd zu ihr hinab, bevor er seinen Blick wieder an den Horizont richtete und seinen Arm um Bella legte. Auch sie lächelte. Sie war glücklich, dass sie diesen Tag nicht alleine, oder gar mit ihrer Schwester oder im Hospiz, verbringen musste.Aber auch Paddy war froh, dass er, sein jährliches Ritual nicht alleine vollbringen musste.
Es war still. Nur in der Ferne war das leise knallen zu hören. Der Wind strich kalt über die Lichtung.
„Paddy?",brach Bella, nach einer ganzen Weile, leise die Stille. Das Feuerwerk hatte schon lange aufgehört und sie war sich nicht sonderlich sicher, ob Paddy noch wach war. Immer noch lag ihr Kopf an seiner Schulter und er hatte einen Arm um sie liegen.
„Ja?",erwiderte er genau so leise, weshalb Bella zu ihm aufschmunzelte.
„Ich dachte schon du wärst eingeschlafen.",gestand Bella und rieb sich kurz durch die Augen. Sie war müde, wollte diesen Augenblick aber nicht beenden. Sie fühlte sich wohl. Wahrscheinlich etwas zu wohl.
„Und ich wollte dich nicht wecken."
„Ich habe nicht geschlafen.",beteuerte sie und blickte erneut in die dunkle Ferne.
„Ich schnarche auch immer, wenn ich hellwach bin.",neckte Paddy sie schmunzelnd, weshalb Bella ihm beleidigt in die Seite kniff und sich aufsetzte.
Lange hielt sie ihre gespielte Beleidigung aber nicht aus und musste ebenfalls schmunzeln. Paddy nahm seinen Arm wieder zu sich, blickte aber immer noch zu Bella.„Was wolltest du?",harkte er schließlich nach.
„Ich weiß es nicht mehr, aber Danke für das alles."Er lächelte und zum ersten mal, in den letzten Tagen, hatte Bella das Gefühl, dass dieses lächeln wirklich ernst gemeint war und tief aus seinem Herzen kam.
Er hatte selbst viel mit sich zu kämpfen, kümmerte sich aber immer um Bella und heiterte sie wieder auf, wenn sie kurzzeitig in ein Loch ihrer Gedanken und Gefühle fiel. Dafür war Bella ihm mehr als dankbar.
„Du musst dich dafür nicht bedanken. Ich sollte mich eher bedanken, dass du bei mir bleibst und es mit mir aushälst."
„Habe ich denn eine Wahl? Ich kann ja nirgends hin.",entgegnete Bella und bekam Paddy's Ellbogen leicht in die Seite, was beide zum lachen brachte.
„Du bist ganz schön frech!"
„Ich lerne ja auch von dem Meister persönlich.",konterte sie und lehnte ihren Kopf wieder an ihn, als er seinen Blick wieder in die Ferne schweifen ließ.Der Mond war die einzige Lichtquelle. Mystisch hing dieser über der Lichtung und erleuchtete diese somit ein wenig. Wäre Bella alleine hier gewesen, hätte sie wahrscheinlich Angst um ihr Leben, aber Paddy strahlte so eine Vertrautheit, Wärme und Ruhe aus, dass sie sich problemlos sicher fühlte.
„Wie fühlt sich das eigentlich an?"
„Was meinst du?",harkte Bella nach.
Ohne seinen Blick abzuwenden antwortete er: „Wie fühlt es sich an, wenn man weiß, dass man stirbt?"
„Du weißt doch auch, dass du stirbst.",erwiderte Bella leise.
„Schon, but I have more time."Seinen Gedanken nachhängend legte Paddy einen Arm um Bella, die besorgt seine Hand in ihre nahm, als sie sein zittern bemerkte.
Beide genossen dir Wärme, die von der Hand des jeweils anderen ausging.„Du hast Angst vor dem sterben, oder?",harkte Bella nach.
Kaum merkbar nickte Paddy, als er den Blick von Bella auf sich spürte.
„Warum?",wollte sie wissen.
„Naja, hast du keine Angst vor dem, was danach kommt?",erwiderte Paddy nachdenklich und versuchte vergebens sein Zittern unter Kontrolle zu bringen.
„Nein, eigentlich nicht.",gab Bella schlicht zurück und setzte sich wieder auf. Paddy ließ seinen Arm dies mal jedoch um sie liegen und auch Bella ließ seine, immer noch zitternde, Hand nicht los.Paddy bewunderte sie dafür, dass sie so leicht über dieses Thema sprechen konnte. Gerade sie sollte doch Angst davor haben, schließlich trat der Tod, mit Beginn des Jahres 2018, in eine greifbare Nähe für sie.
„Wovor hast du Angst?",harkte Bella nach und sah, dass sich Unsicherheit in seinen Augen widerspiegelte. Zwar waren diese nur von dem Mondlicht beleuchtet, aber diesen Ausdruck konnte auch die Dunkelheit nicht verbergen.
„Vor dem nichts? Schließlich weiß keiner, was uns dort erwartet."Sein Blick verfing sich in der Dunkelheit, durch die er hindurch, geradewegs in den Himmel blickte.
So viele bekannte Gesichter warteten dort oben auf ihn, aber die Unsicherheit blieb. Immer wieder redete er sich ein, dass es einen Himmel geben musste. Einen Ort, von dem man hinunter auf die Erde blicken und seine liebsten unterstützen könnte, aber eine Versicherung gab es dazu nicht. Es könnte ebenso einfach alles vorbei sein. Dunkel. Kalt. Allein. Leer.
„Wenn du daran glaubst, wird da etwas sein. Schließlich muss man irgendwo weiter leben, solange man in mindestens einem Herz weiter lebt.",antwortete sie und ließ ihren Blick ebenfalls zum Himmel schweifen.
Ein paar Sterne funkelten durch die Wolkendecke, die den nächsten Schneeschauer ankündigte.
„Außerdem gäbe es dann keine Sterne. Sie sind alle dort oben, schauen auf ihre Freunde und Familie hinab und passen auf sie auf. Auf uns auf."
Paddy merkte, wie sich eine Träne aus seinen Augen drückte, lächelte diese aber mit diesem schönen Gedanken weg.
„War ich im Kloster, oder du?",wollte er lächelnd wissen. Er hatte diese Worte nicht von Bella erwartet und trotzdem taten sie einfach nur gut.
Stumm lächelte sie ihn an und lehnte sich wieder an seine Schulter, als Paddy zurück lächelte.
Immer noch hielt sie seine Hand in ihrer.„Auf ein schönes Jahr."
DU LIEST GERADE
Wenn Musik mein Herz erfüllt
FanfictionDas Herz weiß sofort was es will, nur der Verstand ist sich immer unschlüssig!