Kapitel 69

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„Okay, möchtest du mir auch zu diesem Dach eine fast Selbstmordgeschichte erzählen?",harkte Bella skeptisch nach, als sie auf dem Dach stehen blieb und Paddy dabei beobachtete, wie er näher zur Kante lief.
Leise lachte er, blickte zu ihr und schüttelte dann den Kopf.
„Wie gesagt, ich war noch nie hier.",erwiderte er und wandte seinen Blick wieder ab, um diesen auf das Lichtermeer unter sich zu werfen.
Schon am Tag empfand er diese Stadt als wunderschön, doch New York nun auch in der Nacht von einem Hochaus aus zu bewundern, übertraf dieses Empfinden bei weitem. Wunderschön war gar kein Ausdruck für das, was unter ihnen lag. Tausende Lichter beleuchteten die Straßen der Stadt und auch die verschiedenen Sehenswürdigkeiten waren zu sehen.

„Du hast ein Gespür für schöne Momente.",brach Bella leise die Stille, als sie sich neben ihn stellte und ebenfalls auf die Stadt blickte. Paddy lächelte. Er wusste nicht wieso, aber irgendwie löste dieser Moment etwas in seinem inneren aus. Stumm flossen ihm seine Tränen über die Wangen, die er sich bloß lächelnd weg strich und sich im Schneidersitz an die Dachkante setze.
„Wenn du wüsstest.",nuschelte Paddy, woraufhin er den fragenden Blick von Bella auf sich spürte.
„Was hast du wieder vor?",harkte sie vorsichtig nach, während sie sich neben Paddy niederließ und ihre Hand auf seinen Oberschenkel legte.
„Wahrscheinlich etwas total dummes.",erwiderte er, richtete seinen Blick aber weiterhin auf die Stadt. Er hatte nicht die Kraft dazu, Bella ehrlich in ihre Augen zu blicken.

Diese strich ihm aber bloß seine Tränen sanft von den Wangen.
„Du möchtest darüber nicht reden?"
Er nickte. Tief in seinem inneren spielte alles verrückt. Alles in ihm schrie und warnte ihn davor, diesen Schritt zu wagen. Paddy war normalerweise kein Mann, der auf seinen Verstand hörte. Das hatte die Vergangenheit bereits einige Male gezeigt. Trotzdem tat er es nun und genau das machte ihm Angst. Was, wenn sein Verstand die falsche Entscheidung getroffen hatte und alles anders ausging, als er es ursprünglich wollte? Viel stand auf dem Spiel und bereuen wollte er diese Entscheidung keinesfalls.
„Hey, ist okay.",riss Bella ihn flüsternd aus seinen Gedanken und lehnte sich gegen seine Schulter, als Paddy seinen Arm um sie legte.
„Kennst du das? Du hast keine Ahnung wie es weitergehen soll und vertraust auf eine einzige Entscheidung und Hoffnung, die entweder alles besser machen, oder alles beenden könnte?",wollte er wissen und seufzte kurz schluchzend auf, als Bella ihm sanft über den Oberschenkel strich.
„Mach dir nicht so viele Gedanken. Egal worum es geht, du wirst schon die richtige Entscheidung für dich getroffen haben.",versuchte sie ihn zu beruhigen, lenkte somit das Gespräch aber nur in eine Stille. Auch Bella blickte nun auf die Stadt und lächelte, als Paddy seinen Kopf an ihren lehnte, der an seiner Schulter seinen Platz fand.

„Für mein Gewissen habe ich vielleicht die richtige Entscheidung getroffen, aber eigentlich kann ich diese Entscheidung nicht alleine treffen.",sagte er leise und unterdrückte seine weiteren Tränen.
„Das heißt noch lange nicht, dass du die falsche Entscheidung getroffen hast. Lass es auf dich zukommen."
Sanft nickte Paddy und schloss kurz seine Augen, bevor er seinen Kopf wieder von Bellas nahm und tief durchatmete. Als er seine Augen wieder öffnete wirkte die Stadt noch magischer auf ihn. Lächelnd blickte Bella zu ihm hinauf. In seinen Augen spiegelten sich die Lichter der Stadt.
Ohne etwas zu sagen richtete Paddy seinen Blick zu ihr und gab Bella einen Kuss auf die Stirn, der diese leise lachen ließ.

„Irgendwie ist das alles crazy. Ich meine, diese ganze Situation. Wenn man mal bedenkt wie wir uns kennengelernt haben, durch welchen Mist wir gegangen sind und wo wir jetzt sitzen. Ich meine, ich sollte zur Zeit eigentlich auf der Bühne stehen und ein Konzert geben. Du bist die erste, die mir so ins Gewissen geredet hat und es tatsächlich geschafft hat, dass ich langsamer mache.",gab er zu und schaute Bella kurz an, bevor er wieder auf die tausenden Lichter schaute.
„Frag mich mal. Ich dachte ursprünglich, dass das Konzert in München mein letztes sein sollte. Für mich ist das Konzert ja keinesfalls gut ausgegangen und ich habe mich so geärgert, dass ich dich nicht noch einmal sehen darf. Weißt du eigentlich wie komisch mir die Situation damals vorkam, als ich die ersten Male bei dir war? Bei meinem absoluten Lieblingssänger? Und jetzt sitzen wir hier."
Paddy lachte. Erst jetzt wurde ihm bewusste wie sehr er Bella doch damals überfallen hatte und wie seltsam es für sie gewesen sein musste.

„Ich bin froh. Über wirklich alles. Jede Entscheidung und jede Sekunde, die ich mit dir verbracht habe."
Bella schluckte.
„Das hört sich gerade an wie eine Verabschiedung.",stellte sie kleinlaut fest. Er zuckte mit den Schultern. Vielleicht war dies auch so.
„Wer weiß, was schon morgen sein kann. Du sollst nur wissen, dass ich für alles dankbar bin. Selbst für die Sache mit Joelle. Wer weiß, wie lange wir noch unglücklich verheiratet gewesen wären.",entgegnete er.
Bella griff nach seiner freien Hand und verschränkte ihre mit der seinen.
„Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Es gibt wohl keine Worte, die meine Dankbarkeit dir gegenüber ausdrücken könnten.",antwortete Bella verlegen und fing den Blick von Paddy auf, der sich nun wieder auf sie richtete.
„Wie wäre es hier mit?"

Erst jetzt blickte er Bella tief in die Augen.
Sie musste schlucken. Paddy's Augen strahlten gleichzeitig so viel Zweifel und Angst, als auch Zufriedenheit und Glück aus.
Ehe Bella sich versehen konnte, lagen Paddy's Lippen auf ihren. Unglaublich sanft verwickelte er sie in einen Kuss, der pure Dankbarkeit ausstrahlte. Sie erwiderte diesen Kuss ohne zu zögern und legte ihre Arme um seinen Nacken, um ihn ein Stück näher an sich zu ziehen.
In beiden tobten die Gefühle, während ihre Zungen miteinander tanzten.
Erst der Luftmangel konnte die beiden auseinander bringen und führte dazu, dass sie sich gegenüber saßen und bloß lächelten.
Langsam hob er seine Hand und legte diese an Bellas Wange, bevor er mit seinem Daumen über diese strich.

„Egal was passieren wird. Ich liebe dich und bin unglaublich dankbar, diesen Weg mit dir gehen zu dürfen, auch wenn es kein leichter ist.",flüsterte er und vereinte ein weiteres Mal ihre Lippen miteinander. Bella konnte mittlerweile ihre Tränen nicht mehr halten. Egal was Paddy vor hatte, dies klang eindeutig wie ein Abschied für sie und sie hoffte lediglich, dass er keinen Unsinn angestellt hatte, oder noch tun würde.

Noch lange blieben die beiden zusammen dort sitzen. Sie brauchten keine Worte. Verstanden sich auch so. Jeder ging seinen eigenen Gedanken nach, war aber trotzdem dankbar darüber, die Nähe des anderen spüren zu können.
„Lass uns schlafen gehen.",brach Paddy die Stille, als Bella bereits zum dritten Mal herzhaft gähnen musste.
Sie nickte und stand mit Paddy's Hilfe auf, der ihr die Hand hinhielt, bevor die beiden die kleine Treppe hinunter gingen, um ins Treppenhaus und schließlich zu dem Aufzug zu gelangen.

„Danke für den schönen Abend.",sagte Bella lächelnd, während die Tür des Aufzugs aufging.
„Danke, dass du mit hier her gekommen bist.",erwiderte Paddy und griff nach ihrer Hand, um mit ihr zusammen den Aufzug zu betreten.

Sie schluckte. Eine unglaublich schlechte Luft herrschte in dem Aufzug und als sie sah, wie sich die Tür langsam schloss, klopfte ihr Herz bis zum Hals. Einige Schritte wich sie zurück, bis sie gegen den großen Spiegel stieß und ihren Blick hektisch zu Paddy richtete, der sie irritiert musterte.
„Was ist los?",harkte er besorgt nach und ging auf Bella zu, um seine Hände an ihre Schultern zu legen.
Erneut schluckte Bella. Ihr Hals war zu trocken um eine vernünftige Antwort herauszubringen.
Immer wieder sprach Paddy auf sie ein, doch Bella nahm seine Stimme kaum mehr wahr. Viel mehr wirkte diese wie ein verzehrter Roboter, der tausende von Kilometer von ihr entfernt stand und versuchte, ihr etwas zu sagen.
Heftig hämmerte ihr Herz gegen ihre Brust und hinterließ ein heftiges stechen, welches sie auf die Knie sacken ließ. Der Schmerz zog in ihre linke Körperhälfte und sie versuchte vergebens, sich irgendwie auf Paddy zu konzentrieren, der mittlerweile vor ihr kniete und hektisch auf sie einsprach.

Ihre Sicht verschwamm zunehmend und nach einem weiteren stechen und einem gequälten laut ihrerseits, machte ihr Körper schlapp und sank nun kraftlos zu Boden. Einige Male schnappte sie verzweifelt nach Luft, bevor ihre Sicht endgültig ins leere ging und sie bloß schwarz sah.

Wenn Musik mein Herz erfülltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt