Jonas starrte in der Dunkelheit seines Schlafzimmers vor sich hin. Manchmal war es fast schon störend, im Dunkeln so gut sehen zu können. Er konnte die Schrift des Buches, „Der Ruf der Trommel“ erkennen, das auf Julias Nachttisch lag.
Genauso erkannte er natürlich die Gesichtszüge seiner neben ihm im Bett liegenden Freundin, die im Schlaf leicht lächelte.
In diesem Zusammenhang gefiel ihm diese Fähigkeit hingegen wieder.
„Sie ist so süß, wenn sei schläft. Dabei ist es ihr heute Abend wirklich schwer gefallen. Sie macht sich Sorgen wegen Sebastian. Er war bei unserem letzten Treffen ja wirklich ein wenig durcheinander. Ich hoffe, er taucht wieder auf. Ich werde aber morgen auf jeden Fall in die Stadt fahren. Dann ist endlich Wochenende und ich werde auch nach dem alten Mann Ausschau halten,“ dachte er und schloss die Augen.
Langsam döste Jonas ein......
Simon, der am Tisch eines der Gasthäuser der Stadt saß, zuckte zusammen, als ihn jemand an stieß und er blickte in das Gesicht seines Freundes Mathias. Sie arbeiteten seit ungefähr einem Monat beim Schmied und saßen nun für diese Nacht im Gasthaus der Stadt fest.
„Also bei Nacht können wir uns nicht nach Hause trauen! Wir müssten an der Kirche vorbei gehen und du weißt ja....“, sagte Mathias und grinste mit einem Mal.
„Aber die junge Frau da drüben lächelt dich die ganze Zeit über an, Simon. Du hast mehr Glück als ich. Mich starrt nur die Hässliche ohne Zähne an!“
„Dir fehlt doch auch schon ein Zahn, „antwortete Simon spöttisch und lächelte, als die junge Frau auf ihn zu kam und sich neben ihn an den Tisch setzte.
„Man sagt, in der Nacht würde hier etwas Unheimliches geschehen! Der Wirt meinte, ich und meine Begleiter sollten hier bleiben.....“
Simon nickte. „Das wäre wirklich sicherer. Vor allem die Kirche sollte man bei Nacht besser meiden! Wie ist dein Name?“
Die junge Frau lächelte freundlich. „Ich heiße Amalia. Ich stamme nicht von hier. Meine Freunde und ich haben unsere Waren hier in der Stadt verkauft. Ich fertige Kleidung an, vor allem schöne und warme Schals! Soll ich dir einen zeigen?“
Simon nickte und die junge Frau griff nach seiner Hand und zog ihn hinter sich her.
„Die will dir nicht nur ihre Schals zeigen, wenn das der Meister und seine Frau wüssten,“ spottete Mathias, als sein Freund der jungen Frau, die ein klein wenig älter als er sein mochte, folgte.
Jonas schreckte aus dem Schlaf auf und sein Blick fiel auf die noch immer friedlich da liegende Julia. Der Traum war merkwürdig gewesen. Eine Erinnerung an Simons Leben? Desjenigen, dessen Wiedergeburt er wahrscheinlich war? Mittlerweile hatte er sich ein wenig an diesen Gedanken gewöhnt.
Aber ein wenig ärgerte er sich auch. War Simon wirklich mit dieser Amalia mit gegangen? Was war denn mit seiner Greta? War die nicht seine große Liebe gewesen? Aber dann ging es ihm auf, dass er in diesem Traum jünger gewesen war als in seinen späteren Erinnerungen, als er gegen den Dämon gekämpft hatte. Irgendwie kam instinktiv er auf den Frühling des Jahres 1329. Der Kampf gegen den Dämon und sein Tod hatte zwei Jahre später statt gefunden.
„Das muss vor Gretas Zeit gewesen sein! Und was reg ich mich eigentlich über mein früheres Ich auf? Ich hab doch auch in diesem Leben schon Linda.....“
Doch der moralische Aspekt war eigentlich nebensächlich. Vielmehr wunderte er sich über den Grund dieses intensiven Traums.
Warum jetzt? Sicherlich hing dies doch mit den Ereignissen an der Kirche zusammen. Gleich am nächsten Morgen würden er und Julia aufbrechen. Auch Lucas würde sie begleiten...
„Diese Amalia hat mich an irgend jemanden erinnert. Aber an keine Frau, die ich aus....diesem....Leben kenne. Also weder an Julia, Jessica oder Nadine. Und auch nicht an Linda. Aber irgend etwas ist da, das mir bekannt vor kam! Was ist es nur?“
Jonas lehnte sich zurück und versuchte, wieder ein zu schlafen. Doch es dauerte eine Weile, bis ihm dies in seinem aufgewühlten Zustand gelang....
Simon erwachte auf dem harten Boden eines schäbig eingerichteten Zimmers. In diesem stand nur ein Bett und in dem lag ein älterer Mann und schnarchte laut. Die Morgensonne schien durchs Fenster und neben ihm räkelte sich Amalia.
Beide waren sie unbekleidet und Simon erinnerte sich an die vergangene Nacht, die sie miteinander verbracht hatten.
Nun grinste Amalia ihn belustigt an. „Hat Gregor dich mit seinem Geschnarche geweckt? Ich sage auch immer, damit könne man Tote aufwecken. Aber dass er uns gestern Abend aus dem Bett geworfen hat, war nicht sehr nett von ihm! Das werde ich ihm bei Gelegenheit noch mal sagen, und wenn er tausendmal der Vater meiner liebsten Freundin ist!“
Simon nickte unbehaglich. Er und Amalia hatten ein wenig erschöpft und unbekleidet auf dem Bett gelegen, als der Mann sie an den Haaren packte und unsanft hinaus beförderte.
„Führt euer Lotterleben wo anders fort! Und wenn ich dass deinem Vater erzähle, Amalia, dann kannst du dich auf was gefasst machen!“, hatte er das Paar an geherrscht und sich hingelegt.
„Wirst du Schwierigkeiten bekommen?“, erkundigte Simon sich mit Unbehagen, aber Amalia schüttelte den Kopf.
„Nein, werde ich nicht. Gregor ist eigentlich ein netter Mensch und er wird nichts weiter erzählen! Und nur wenn ich ein Kind bekomme, werden meine Eltern was merken! Aber das kann ja nicht passieren, ich habe das hier seit gestern immer bei mir! Das schützt vor einem ungewollten Kind!“
Sie griff nach einer handgroßen Strohpuppe, deren Bauch mit einer schwarzen Schnur umwickelt war. Sie zerbrach in der Mitte und Amalia steckte sie wieder zusammen.
„Die hat mir eine Frau auf dem Markt verkauft! Hat mich mein letztes Geld gekostet, aber wenn man so eine Puppe hat, dann wird man nicht schwanger! Ich hab das noch nicht ausprobiert, aber ich glaube, es stimmt. Eine andere Frau, die war bestimmt schon fünfzig Jahre alt, meinte, sie hätte seit fünf Jahren kein Kind mehr bekommen. Seitdem hätte sie die Puppe.... Die Händlerin sah so ehrlich aus! Wenn das dumme Ding nur ein wenig stabiler wäre! Gestern ist ein Arm abgegangen, den schwarzen Faden musste ich auch schon austauschen und gestern Abend, nachdem wir....fertig waren, hat ihr ein Bein gefehlt.
„Diese Frau auf dem Markt kriegt nur deshalb kein Kind mehr, weil sie mit fast fünfzig langsam zu alt dafür wird!“, kam es Simon in den Sinn. Doch Amalia schien überzeugt zu sein.
Sie legte die Strohpuppe zur Seite und der Kopf fiel ab. Amalia stopfte diesen unsanft wieder auf das kleine Strohpüppchen und nun löste sich ein Arm. Auch diesen stopfte sie wieder an die Puppe.
„Bist du dir sicher, dass das ein Schutz ist?“, äußerte Simon seine Zweifel. Die Frau seines Meisters hatte sich vor nicht zu langer Zeit auch so eine Puppe gekauft und gehofft, dadurch ihre Kopfschmerzen los zu werden. Sie sollte genau diesem Zweck dienen. Und auch sein Meister, der Schmied, hatte eine Puppe mit nach Hause gebracht. Angeblich würde er innerhalb eines Monats reich werden.....
„Der Armen tut der Kopf immer noch weh und mein Meister hat nicht eine Goldmünze mehr als sonst verdient,“ dachte Simon unbehaglich, während Amalia fröhlich aufsprang.
„Komm mit. Ich will mir diese unheimliche Statue an der Kirche bei Tag mal ansehen! Wir hatten unseren Stand an einer Stelle, wo ich sie gar nicht sehen konnte und wir reisen nachher schon ab!“
„Geht das mal ruhiger da unten? Ich will schlafen!“, brummte in diesem Augenblick Gregor und schnarchte fröhlich weiter.
Ein wenig später standen Simon und Amalia vor der Kirche und er deutete unsicher auf die dort stehende Statue.
„Dort ist sie. Aber sieh nicht zu genau hin. Das nimmt das Ding übel, so sagt man es wenigstens.
Amalia nickte und hob den Blick. Sie sah ins Gesicht des Wesens. Alle Fröhlichkeit verschwand. Sie wurde blass und schrie auf einmal gequält auf. „Das ist ja schrecklich!“
Sie brach zusammen und Simon hob sie auf. Er wollte sie zurück zum Gasthof bringen, aber die junge Frau öffnete schon wieder die Augen. „Ich will raus aus der Stadt! Sofort! Das Ding ist...schrecklich. Es....ist....wie aus der Hölle!“
Amalia begann zu schluchzen und Simon erblickte nun ihren Begleiter Gregor, der einen Leiterwagen, der von zwei Pferden gezogen wurde, lenkte. Hinter ihm saßen eine weitere Frau in Amalias Alter und ein junger Mann.
Besorgt sahen sie auf Amalia, als Simon sie auf den Wagen legte. „Ich weiß auch nicht so recht, was sie hat. Sie hat diese Statue gesehen....“
„Besser, wir verschwinden von hier! Hier führt sie am Ende noch ein Lotterleben mit dir!“, stellte Gregor missmutig fest und Simon starrte dem davon fahrenden Wagen unsicher hinterher, als sich eine Hand auf seine Schulter legte und er Mathias hinter sich erblickte.
„Und, hat sie dir ihre Schals gezeigt?“, fragte dieser grinsend. Simon schüttelte ein wenig verlegen den Kopf. „Nein, keine Schals. Aber.....“
„Aber was?“, grinste Mathias. „Also wenn das der Meister wüsste! Der ist doch so streng bei so was! Und seine Frau erst! Die gibt dir ein paar Ohrfeigen und du darfst dir die nächste Zeit das Gerede über ihre Kopfschmerzen wieder anhören. Dann wird sie sagen, dass du viel zu jung für so was bist.....“
Jonas erwachte und setzte sich im Bett auf. Mittlerweile war auch Julia erwacht und er hörte, dass sie unter der Dusche stand.
„Also dieser Traum war noch merkwürdiger als der erste. Ich, vielmehr Simon, hat also eine Nacht mit dieser Amalia verbracht, sie hat geglaubt, eine kaputte Strohpuppe, die sie sich hat auf schwatzen lassen, würde eine Schwangerschaft verhindern, und dann hat sie sich bei Tag vor der Statue erschrocken! Besaß sie vielleicht eine ähnliche Begabung wie Gerrit? Oder was war mit ihr los? Und Greta kannte Simon damals noch nicht...“
Jonas verglich in Gedanken die mittelalterliche Kirche und Stadt mit der heutigen. Es hatte sich sehr viel verändert.
„Aber die Statue ist geblieben. Oder vielmehr zurück gekehrt.....
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Dämonische Statuen - Teil II
Mystery / ThrillerDieses Buch ist der zweite Teil von "Dämonische Statuen". Aufgrund der Länge habe ich die Geschichte in zwei Bände aufgeteilt. Erneut geschieht Unheimliches, die Dämonen sind nicht wirklich verschwunden...