Kapitel 35

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Jonas und Gerrit saßen vor dem Computerbildschirm und sahen sich ein Foto der St. Andreas Kirche an.
„Hier gibt es eine neue Seite, die hat der neue Pfarrer im Frühling eingestellt, letztes Jahr hatten wir die noch nicht gefunden,“ stellte Jonas fest.

Unsere Pfarrkirche, damals und heute



„Hier, lies dir das mal durch,“ sagte Jonas und Gerrit starrte auf die Buchstaben. 
„Ich kann es nicht so richtig lesen. „Foto von 1928 und Foto von Januar 2008,“ entzifferte Gerrit mühsam und wandte sich ab.
„Ich kann das nicht wirklich lesen....dabei versuche ich es doch schon die ganze Zeit über. Aber....“

„Du liest doch schon recht gut,“ wandte Jonas ein, aber Gerrit schüttelte den Kopf. „Nein, ich glaube....ich bin da ein wenig zu...dumm zu!“

Jonas schüttelte den Kopf. „Sag das doch nicht immer. Du bist nicht dumm! Du kannst doch einigermaßen lesen, und dass du es damals, zu deinen eigentlichen Lebzeiten, nicht gelernt hast, ist doch nicht deine Schuld. Und selbst wenn du es damals gekonnt hättest, hättest du jetzt wahrscheinlich Schwierigkeiten. Die Schrift hat sich doch wahrscheinlich ein wenig verändert....“

Gerrit antwortete nicht und Jonas kam zu dem Schluss, dass dem anderen ein wenig mehr Selbstvertrauen nicht schaden konnte, in manchen Dingen hielt Gerrit einfach immer noch viel zu wenig von sich selbst. 
„Dabei gibt es dazu doch überhaupt keinen Grund. Außerdem sind Selbstzweifel so ziemlich das letzte, das er brauchen kann,“ dachte Jonas und deutete auf die beiden Fotos.
„Das eine zeigt die alte Kirche, da steht die Statue. Und das andere stammt ja vom Anfang des Jahres, nachdem ich sie das erste Mal zerstört habe. Da fehlt das Ding natürlich!“

„Die Kirche sieht wirklich vollkommen anders aus als früher,“ seufzte Gerrit. „Nur diese Stelle, links neben dem Eingang sieht aus, als wäre sie gleich geblieben!“

Jonas verglich die beiden Fotos miteinander. „Du hast recht! Auf dem alten Bild sieht man da ganz eindeutig einen kleinen Bogen, so, als gäbe es da eine zugemauerte Tür. Darüber sind ein paar Steine angebracht.....der Bogen ist verschwunden, aber die Steine sind geblieben....mir wäre das gar nicht aufgefallen, sag also nicht noch mal, du wärst zu dumm!“

„Den Bogen hat man wohl vermauert, so dass er zur neuen Kirche passt! Vielleicht befindet sich dahinter ja so etwas wie ein Raum....“, vermutete Gerrit aufgeregt.

Jonas schüttelte den Kopf. „Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Ich war schon öfters in der Kirche, hinter der Eingangstür befindet sich lediglich der Kirchenraum, da hätte ein weiterer, noch so kleiner Raum keinen Platz!“

Gerrit dachte einen Augenblick nach, ehe ihm eine Idee kam.„Aber diese Göttin sagte doch, dass der Dämon manche Orte selber geschaffen habe! Vielleicht ist 
das so ein Ort, und er ist nur für den Dämon sichtbar oder betretbar. Sie meinte, ich müsste jetzt, wo ich das Schwert habe, eigentlich erkennen, wo sich solche Orte befinden....sie müssten so rötlich leuchten....“

Jonas erhob sich und sah aus dem Fenster, Schnee fiel zur Erde und er dachte an Julia in Raichelbach. „Dort wird noch viel mehr Schnee liegen. Ich wünschte, ich wäre jetzt da...“

Er drehte sich zu Gerrit um. „Eigentlich sollten wir nach Raichelbach zurück kehren und mit deiner Ausbildung beginnen. Du hast einiges zu lernen....“

Gerrit wollte davon nichts hören, obwohl auch seine Augen bei der Erwähnung von Raichelbach leuchteten.„Aber was ist mit Dennis und Sebastian? Vielleicht befinden sie sich ja in diesem Raum und sagte die Göttin nicht auch, ich könne dort hin gehen? Dann kann ich den Raum wahrscheinlich auch zusammen mit ihnen verlassen. Wir müssen es einfach versuchen!“

Jonas seufzte. „Du bist manchmal ziemlich stur, weißt du das?“

Der andere stimmte dem zu. „Das hat der Richter auch immer gesagt......“

Jonas grinste kurz. „Nun, da hatte er ausnahmsweise einmal mit etwas recht, so ungern ich das auch zugebe. Aber wir sollten Sebastian und Dennis wirklich helfen, das habe ich dir ja schon gesagt. Das heißt, dass wir morgen zur Kirche fahren und ich versuche den Dämon irgendwie abzulenken. Dann versuchst du die beiden zu finden.....hoffentlich funktioniert es.....“

„Ja, hoffentlich,“ sagte Gerrit mit einem Mal verunsichert. „Was wirst du machen, falls er dich angreift?“

„Eine Weile werde ich ihn mir vielleicht mit meinem Schwert vom Leib halten können, natürlich kann ich ihn nicht besiegen, und du solltest ihm noch nicht zu nahe kommen.Außerdem müssen wir an Dennis und Sebastian denken, der Alte und die Göttin sagten doch, dass sie es nicht überleben würden, falls wir den Dämon besiegen, so lange wir sie noch nicht gefunden haben!“, antwortete Jonas und sah wieder aus dem Fenster. „Vielleicht....“

„Dann würde es nichts bringen, wenn ich versuche, mich an ihn heran zu schleichen, während du ihn ablenkst, nicht wahr?“, erkundigte sich Gerrit unsicher. „Nicht, wenn wir gleichzeitig Dennis und Sebastian retten wollen.“

Jonas zögerte einen Augenblick, ehe er etwas sagte, das ihm früher nicht ernsthaft in den Sinn gekommen wäre. 

Aber galt es nicht auch, manchmal unliebsame Entscheidungen zu treffen? Entscheidungen, die ihm zwar auf den Magen schlugen und wahrscheinlich immer auf ihm lasten würden, aber notwendig waren? Weil es um eine wichtigere Sache ging?

„Wir könnten es tatsächlich so machen, ich lenke den Dämon ab und du versuchst, ihn zu enthaupten. Allerdings ließe sich dies nur schwer bewerkstelligen, wenn wir gleichzeitig Dennis und Sebastian suchen und vielleicht auch retten....vielleicht bekämen wir keine weitere Gelegenheit, uns dem Dämon auf diese Weise zu nähern.....“

„Du willst die beiden....sterben lassen?“, erkundigte sich Gerrit aufgebracht. „Das kann nicht dein Ernst sein!“

„Sebastian hatte bei dir damals weniger Bedenken,“ wandte Jonas ein. Aber dieses Argument galt nicht für Dennis.....

„Wenn wir es so machen, dann sind wir nicht besser als Engelmann, der Dämon, Sebastian, Stefan oder dieser alte Mann, ganz egal ob er nun, wie ich glaube, ein Engel ist oder nicht....“, sagte Gerrit und lehne Jonas Vorschlag somit ab. 
„Einen ähnlichen Vorschlag hätte er sicherlich auch gemacht. Und was willst du denn Britta sagen, oder später ihrer Tochter?“

Jonas schien fast schon erleichtert darüber zu sein, dass Gerrit bei diesem Vorhaben nicht mitmachen würde. „Es ist mir auch nicht leicht gefallen, so einen Vorschlag zu machen. Aus rein strategischer Sicht wäre es wahrscheinlich das beste. Aber.....du hast recht. Warum sollten wir noch gegen Dämonen kämpfen, wenn wir genauso schlimm sind wie sie. Auf der anderen Seite wird er weiterhin Menschen töten, wenn uns mit Dennis und Sebastian die Flucht gelingt.....so schnell können wir dann keinen neuen Versuch starten, dann müssen wir zunächst einmal sehen, dass du ein wenig....besser oder vielmehr stärker wirst. Was den Schwertkampf und solche Dinge angeht....“

Dämonische Statuen - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt