Kapitel 57

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Am späten Nachmittag parkte Stefan seinen Wagen, den er sich noch in der Schweiz gemietet hatte, vor dem Gasthof in Raichelbach und stieg aus. Er wusste, dass der Empfang nicht sonderlich warm ausfallen würde, trotzdem atmete er, froh darüber, die lange Fahrt hinter sich gebracht zu haben, die kühle Winterluft ein.

Schneeflocken tanzten vor seinen Augen und er schüttelte ein wenig entnervt den Kopf. Der lange Winter ging ihm von Tag zu Tag mehr auf die Nerven.

„Eigentlich sollten sie mir die Füße küssen. Immerhin komme ich und versuche zu helfen und lege mich mit einem Höllendämon an, für den eigentlich Jonas zuständig war. Gut, ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass jetzt der kleine Gerrit ran muss....aber trotzem....,“, dachte Stefan, als er missmutig fest stellte, dass es stärker zu schneien begann.

Allein schon wegen des Wetters wurde es höchste Zeit, dass der Dämon besiegt wurde. „Michaela wird unser Kind spazieren fahren wollen. Das geht nicht, wenn es dauernd schneit!“

Stefan schüttelte, voller Ärger über sich selber, den Kopf. Warum machte er sich Gedanken über solche dummen Dinge? Sicher, es ging um sein Kind und um die Frau, für die er sogar freiwillig zur Polizei und ins Gefängnis gehen würde.

Aber seitdem er für eine kurze Zeit wieder nahezu ohne dämonische Energie gewesen war, hatte sich einiges verändert.

Veränderungen, die bereits vor seinem Kampf gegen die Schlangen angefangen hatten. Waren sie durch die Gefühle, die er für Michaela hegte, zustande gekommen? Irgendwie gefiel ihm diese romantische Sicht der Dinge nicht sonderlich und hätte bei jedem anderen, der so etwas zu ihm sagte, wahrscheinlich verächtlich den Kopf geschüttelt.

Bereits in seiner Zeit als Mensch und während seiner kurzen Ehe hatte er einige romantische Illusionen eingebüßt und diese hatten der nackten Realität des Alltags Platz machen müssen.

„Ist doch egal, jetzt muss ich mich erst einmal mit diesen Weichlingen auseinander setzen. Wusste doch, dass die irgendwann mal meine Hilfe brauchen würden,“ dachte Stefan, als er die Gaststube betrat.

Einige ihm unbekannte Leute befanden sich dort. Ein junger Mann hielt ein vielleicht zwei oder drei Monate altes Baby auf dem Arm, während eine junge Frau diesem Kind über den Rücken strich.

„Du hast Glück, deine Frau lässt dich ans Kind ran! Du kannst dich kümmern und es aufwachsen sehen, aber das hat Sandra mir nicht gestattet und das wird Michaela auch nicht,“ fuhr es Stefan durch den Sinn  und beim Anblick der kleinen Familie  hätte er am liebsten den Gastraum wieder verlassen.

Wieder einmal wurde ihm bewusst, was er wahrscheinlich niemals haben würde und ein Teil von ihm bedauerte dies zutiefst. Aber machte diese kleine Familie sich nicht nur im Grunde etwas vor? So viel Harmonie konnte es doch gar nicht geben.

„Verachtenswert....,“ dachte Stefan und verdrängte seine Gefühle, als die junge Frau dem Mann nun  zu allem Übel und um das Maß an übeschäumender Harmonie voll zu machen und den Teildämon wirklich zu plagen, einen Kuss auf die Wange gab und dem Baby über den Kopf streichelte.

„Das ist ja schon ekelhaft niedlich,“ dachte Stefan mit einem Grinsen, aber dies verschwand, als er die Gastwirtin, die er bereits von seinem letzten Besuch in Raichelbach kannte, auf sich zukommen sah.

„Du....,“ fauchte sie und packte Stefan am Arm. Sie zog ihn ein Stück hinter sich her und sah ihn dann wütend an.

„Die haben dich angerufen, damit du hilfst, du ekelhaftes....was auch immer! Aber ich sag dir eins, lass die Finger von meinem armen Gerrit, lass Lucas in Ruhe und tu der kleinen Anna-Lena nichts! Das ist das Baby, das du vorhin angegafft hast! Wenn du dich in irgend einer Weise daneben benimmst, dann spieß ich dich mit einer Heugabel auf!“

Stefan sah dieser Frau an, dass mit ihr nicht zu scherzen war. Zwar würde er im Ernstfall mit ihr fertig werden, aber er wollte es lieber nicht auf einen Angriff mit einer spitzen Heugabel ankommen lassen.

„Ich bin nicht hier, um Ärger zu machen!“, sagte Stefan, als sich ihm jemand von der Seite näherte.

Er fuhr herum und sah sich Lucas gegenüber, der ihm seine Faust ins Gesicht schlug. Stefan fasste sich an die Nase und spürte, dass ein wenig Blut über seine Finger lief.

„Du kleiner Stinker schlägst ziemlich hart zu,“ murmelte er, während Frau Huber Lucas ein Stück zur Seite drängte.

„Glaub nicht, dass mir das allzu leid tut,“ sagte sie und ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ich bin ein friedlicher Mensch. Aber wenn ich dran denke, was du mit dem armen Jungen angestellt hast, dann war das mehr als verdient!“

Stefan rieb sich seine Nase und war froh, als die Blutung recht schnell zum Stillstand kam. Er warf Lucas einen spöttischen Blick zu und konnte sich eine boshafte Bemerkung nicht verkneifen. „Das letzte Mal warst du nicht so frech zu mir. Da hast du doch um dein Leben gewimmert.....oder wie war das noch mal? Hilf mir mal, mich zu erinnern!“

Lucas wollte einen Schritt auf Stefan zu machen, wurde aber von Frau Huber am Arm gepackt. „Geh doch mal zu Gerrit. Sag ihm und Jonas, dass dieser....was auch immer angekommen ist. Jonas hat ihn angerufen, soll er sich mit ihm herum schlagen!“

Stefan stimmte der Gastwirtin in diesem Punkt vollkommen zu. Er würde mit Jonas eingiges zu besprechen haben und die Zeit drängte.

Das Versprechen, das er Michaela gegeben und das ihm während der gesamten Fahrt durch die winterliche Landschaft auf der Seele gelegen hatte, kam ihm wieder in den Sinn.

Die kurze Begegnung mit Lucas hatte ihn von seinen trüben Gedanken für kurze Zeit abgelenkt und fast war er diesem Bengel, der ein wenig seit ihrer letzten Begegnung gewachsen zu sein schien, dankbar dafür.

Zu seinem Glück hinderte ihn Jonas Auftauchen im Flur nun ebenfalls am weiteren Nachgrübeln. Auch Jonas schien erleichtert zu sein, Stefan zu sehen. Seine Schwierigkeiten mit dieser Statue mussten also wirklich sehr groß sein, wenn er sich bereits über Stefans Erscheinen freute.

„Du hast ein Problem? Mit deinem Höllendämon? Oder nein, ich meine natürlich mit Gerrits Höllendämon....“

Jonas nickte. „Hast du schon die Nachrichten gehört? Sie brachten es heute morgen als ersten Beitrag, auch wenn sich niemand traute, Filmaufnahmen von der Stadt oder der Kirche zu machen. Die Reporter wagen sich da nicht mehr hin. Die haben nur ältere Aufnahmen gezeigt....“

„Ja, das kann ich mir denken! Ich stelle es mir allerdings durchaus interessant vor, wenn dein Dämon ein Kamerateam vor laufender Kamera meuchelt!“, antwortete Stefan, was ihm einen bösen Blick von Frau Huber einbrachte.

Sie griff noch einmal nach Lucas Arm, der seinem Bruder gefolgt war und Stefan weiterhin wütend anstarrte. „Komm, du hilfst mir jetzt mal beim Mittagessen für den Tisch dort drüben! Die haben vier Schnitzel bestellt!“

Es war allen klar, dass Frau Huber Lucas ein wenig davon abhalten wollte, noch einmal auf Stefan los zu gehen. Und es war auch sicher, dass dies nicht aus Sorge um den Dämonenjäger geschah.

Dämonische Statuen - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt