Am späten Abend parkte Julia den Wagen erschöpft vor Frau Hubers Gasthof in Raichelbach. Sie hatte darauf bestanden, ihren Freund am Steuer abzulösen. Nun saß Jonas auf dem Beifahrersitz, hatte den Kopf an die Scheibe gelehnt und war döste vor sich hin.
Gähnend stieß Julia ihn an. „Aufwachen! Wir sind da! Zum Glück, aber kann es sein, dass jetzt noch mehr Schnee liegt als bei unserer Abfahrt? Unterwegs hatten wir ja auch einiges an Schnee.....“
In der Tat hatten sie sich auch ihren Rückweg durch dichtes Schneetreiben erkämpfen müssen und die Nachrichten sprachen von weiteren zu erwartenden Schneefällen.
Einige höher gelegene Bergdörfer waren mittlerweile fast vollständig von der Außenwelt abgeschieden.
„Will der Dämon uns im Schnee ertränken? Oder wird das irgendwann wieder besser werden? Siegt irgendwann doch Mutter Natur?“, stellte Julia einige Überlegungen an.
Jonas öffnete die Augen. „Sind wir da? Ich wäre ja selbst gefahren, aber....“
„Aber du wärst irgendwann eingeschlafen! Selbst der stärkste Dämon wird irgendwann mal müde. Vor allem, wenn etwas dermaßen einschläfernd ist wie diese lange Fahrt,“ zog Julia ihren Freund auf und er nickte verschlafen. „Vielleicht sollten wir so künftig Dämonen bekämpfen. Sie zu Tode langweilen.....und sie eintönige Dinge tun lassen!“
Bald darauf saß Gerrit in Frau Hubers gemütlichem Wohnzimmer und freute sich, als sie ihm einen Teller mit Keksen hin stellte.
„Die sind noch vom Nikolaus...ich weiß, du bist zu alt, um noch an ihn zu glauben. Und die Kleine von Dennis und Britta ist noch zu klein, um sich um so was zu kümmern.....“
„Nun ja, das ändert sich ja noch, irgendwann glaubt sie an ihn,“ vermutete Gerrit und die Gastwirtin setzte sich neben ihn.
Aber anstatt weiterhin über Nikoläuse und kleine Kinder zu plaudern wechselte sie das Thema.
„Ich mache mir Sorgen um dich! Erzähl mir jetzt genau, was eigentlich geschehen ist, als du mit Jonas.....unterwegs warst, um Sebastian und Dennis zu finden. Etwas ist in der Zeit geschehen, nicht wahr? Oder warum hast du jetzt sein altes Schwert, das doch eigentlich gar nicht mehr existieren dürfte. Ist es nicht zerbrochen?“
„Ich wusste nicht....“, stammelte Gerrit, aber die Gastwirtin sah ihn streng an. „Glaubst du, ich hätte das Ding nicht erkannt? Ein wenig mehr könntet ihr mir ja doch zutrauen!“
„Tut mir leid!“, sagte Gerrit, peinlich berührt darüber, geglaubt zu haben, dass Frau Huber nicht ihre eigenen Schlüsse zog.
Und nun erzählte er ihr alles, was sich zugetragen hatte. Er sprach über seine Familiengeschichte und die Göttin, auch der alte, unfreundliche Mann, den er für eine Art Engel hielt, wurde erwähnt.
„Dann musst du jetzt gegen diesen Dämon kämpfen! Gerrit, du glaubst doch nicht wirklich, dass ich das zulassen werde? Gerade du solltest dich von diesem Wesen fern halten! Hast du nicht schon genug mitgemacht?“, sagte Frau Huber aufgebracht. „Ich möchte nicht, dass du gegen diesen Dämon kämpfst!“
„Aber ich hab da nicht so groß die Wahl. Ich...wenn ich es nicht mache, dann wird es niemand hin bekommen....“
Frau Huber legte ihren Arm um Gerrit und drückte ihn an sich. „Es ist wirklich notwendig, nicht wahr? Aber....es ist nicht einfach für mich....du stehst mir doch mittlerweile fast so nahe wie eins meiner Kinder oder Enkelkinder....“
Die Gastwirtin zwang sich mit Mühe zu einem Lächeln. „Aber ich sollte dir hier nicht die Ohren vor jammern.“
„Aber das ist doch gar nicht so.....ich könnte es natürlich verstehen, wenn das alles zu viel ist. Niemand will sich immer Sorgen machen müssten. Ich....könnte mir was anderes suchen....“, erwiderte Gerrit schuldbewusst.
„Natürlich bleibst du hier!“, stellte Frau Huber mit Bestimmtheit fest. „Als ob ich dich vor die Tür setzen würde!“
Die Zuneigung, die Frau Huber ihm entgegen brachte, tat Gerrit gut und er genoss es, ein wenig umsorgt zu werden, auch wenn ihn gleichzeitig das schlechte Gewissen plagte. Es kam ihm irgendwie nicht richtig vor, ihr solche Sorgen zu bereiten.
Frau Huber seufzte und drückte Gerrit noch einmal an sich.„Dein Leben ist eben nicht so wie das von anderen Achtzehnjährigen. Das war mir schon klar, als ich dich bei mir aufgenommen habe. Es wird immer....anders sein. Aber ich komme damit zurecht. Ich bin halt manchmal eine sentimentale ältere Dame.....die sich zu viele Sorgen macht....“
„Ich werde sehr vorsichtig sein,“ versprach Gerrit. „Morgen werden Jonas und ich mit dem Training anfangen....ich hab ja nicht allzu viel Ahnung davon.“
Am nächsten Morgen, Jonas stand gerade unter der Dusche, klingelte sein Handy. „Gehst du mal ran?“, rief er Julia zu und er fragte sich, wer ihn an rief.
Er hoffte, dass es sich nicht um seinen Chef Herrn Cremer handelte, noch mehr Ärger im Beruf wollte und konnte er im Augenblick nicht gebrauchen.
Jonas stieg aus der Dusche und trocknete sich gerade ab, als Julia ihm den Hörer reichte. „Du wirst es nicht glauben.....aber das ist Jessica....deine Ex...“
Überrascht nahm Jonas das Handy in die Hand und hielt es sich dann ans Ohr, während Julia das Badezimmer verließ.
Sie wollte einem Gespräch ihres Freundes mit seiner Ex-Freundin nicht unbedingt mit an hören.
Julia verließ das Zimmer, das sie in der Pension bewohnten, und traf in der Gaststube mit Lucas zusammen, der gerade nachdenklich sein Frühstück, das aus zwei belegten Brötchen bestand, aß.
„Gut, dass ihr zurück seid. Heute wird Jonas mit Gerrits Training anfangen, oder? Lisa wollte zusehen. Aber sie muss zur Schule....“
„Nun, das ist Gerrit vielleicht auch ganz recht so. Dann sieht sie nicht, wie er auf dem Hintern landet. Das wäre ihm vielleicht doch ein wenig unangenehm!“, erwiderte Julia mit einem Lächeln. „Was ist mit dir? Wirst du dabei zusehen?“
Lucas schüttelte den Kopf. „Nein, da stünde ich wahrscheinlich nur im Weg rum....“
Julia sah den Jüngeren nachdenklich und ein wenig besorgt an. Seine Antwort hatte irgendwie ein traurig geklungen.
Fühlte er sich unter Umständen überflüssig, seitdem Jonas doch recht viel Zeit mit Gerrit verbrachte? Diese Zeit hatte früher eher Lucas gehört....
„Wenn alles vorbei ist sollten er und Jonas mal wieder was unternehmen. Irgend etwas, das nichts mit Dämonen zu tun hat,“ dachte Julia als ihr Freund die Gaststube betrat und sich zu ihnen an den Tisch setzte.
„Ich hab auf dem Weg nach unten Sebastian getroffen. Er sah ein wenig besser aus. Leider kratzt sein Arm unter einem Gips ein bisschen....aber er trägt es tapfer....“
„Was wollte Jessica?“, platzte es aus Julia heraus.
Jonas wandte sich an Lucas. „Das wird vor allem dich interessieren. Wie Julia gerade sagte, hat Jessica angerufen. Wir haben uns eine Weile unterhalten.....es ging hauptsächlich um ihren Bruder, Andy. Er hat uns zusammen mit einem Mädchen aus deiner Klasse dabei beobachtet, als wir gegen den Dämon an der Kirche gekämpft haben. Zum Glück hat der Dämon ihn wohl nicht gesehen, jetzt ist Andy bei Jessica in München unter gekommen. Es geht ihm wohl den....Umständen entsprechend....“
„Armer Andy,“ sagte Lucas. „Er hat nie an diese Dämonen geglaubt. Aber gut, dass er bei Jessica ist. Dort ist er doch sicher, oder?“
„Nun ja, Jessica meinte, dass sie dort auch schon Ärger mit Dämonen hatten. Aber ich glaube schon, dass Andy dort gut aufgehoben ist. Aber ich konnte es ihr zum Glück ausreden, dass sie uns helfen möchte....sie könnte doch nicht allzu viel ausrichten!“, sagte Jonas und legte einen Arm um Julia.
„Ist vielleicht besser so....auch wenn wir jemand brauchen können, der in etwa weiß, wie man ein Schwert anfasst....für den Notfall solltest du dir ihre Telefonnummer vielleicht doch mal merken!“, antwortete Julia und schließlich stimmte Jonas ihr zu. „Aber das sollte wirklich eine der letzten Notlösungen sein.“
Als nächster betrat Gerrit den Gastraum. „Ich bin so weit....wir können mit dem Training anfangen! Also los, zum Glück liegt ja Schnee. Da falle ich wenigtens weich, wenn ich auf den Boden knalle.....“
Das volle Telefonat zwischen Jonas und Jessica kann man bei Interesse in Kapitel 86 in „Dämonische Statuen – Jessicas Geschichte“ nachlesen.
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Dämonische Statuen - Teil II
Mystery / ThrillerDieses Buch ist der zweite Teil von "Dämonische Statuen". Aufgrund der Länge habe ich die Geschichte in zwei Bände aufgeteilt. Erneut geschieht Unheimliches, die Dämonen sind nicht wirklich verschwunden...