Sebastian legte den Telefonhörer auf, nachdem er mit seinem Chef gesprochen und sich erneut krank gemeldet hatte.
Schließlich konnte niemand von ihm erwarten, dass er am frühen Morgen, wenn es noch dunkel war, sein Haus verließ und bis zum Auto ging. Das würde erst dann wieder möglich sein, wenn er in eine andere Stadt versetzt worden war.
„Diese Statue hat es bestimmt auf mich abgesehen,“ dachte Sebastian und zuckte nervös zusammen, als er Schritte im Treppenhaus hörte.
Handelte es sich um einen Nachbarn? Oder die Statue, die gekommen war, um ihn zu töten? Auch Sebastian hatte von den drei Todesfällen gehört. Er war sich sicher, dass sie auf das Konto der Statue gingen.
Am Morgen hatte dann ein weiterer Bericht in der Zeitung gestanden. Dieses Mal war, am Vortag, ein Polizeibeamter ermordet worden und ein Fernsehsender hatte darüber berichtet.
„Hoffentlich unternimmt irgend jemand was dagegen!“, dachte er und atmete erleichtert auf, als die Schritte an seiner Tür vorbei gingen.
Also hatte es sich doch nur um einen der Nachbarn gehandelt.
„Ich habe nicht mal mehr meine Pistole im Haus! Ich kann nichts machen!“, murmelte er und war nahe daran, in die Küche zu gehen und sich eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank zu holen. So schlecht hatte er sich seit Monaten nicht mehr gefühlt und mittlerweile machte er sich Vorwürfe, die Fotos im Computer gelöscht zu haben.
„Vielleicht glaubt Jonas mir auch ohne Fotos,“ dachtet Sebastian und zitterte, als das Telefon klingelte.
Er nahm den Hörer ab, aber am anderen Ende meldete sich lediglich seine Mutter.
„Es geht mir gut!“, murmelte Sebastian und legte auf. Er wollte mit niemandem sprechen und schlurfte statt dessen in sein Schlafzimmer.
Er hatte in der vergangenen Nacht keinen Schlaf finden können und statt dessen, bei eingeschaltetem Licht, auf die herunter gelassenen Rollläden gestarrt. Immerhin war er in seiner Wohnung sicher.
Auf sämtlichen Fenstern standen Blumentöpfe mit Eisenkraut und dieses wurden gehegt und gepflegt und mit Spezialdünger behandelt.
Außerdem war Sebastian stets darum besorgt, die Wohnung nicht wieder verkommen zu lassen. Das letzte, was er gebrauchen konnte war, dass seine Eltern ihn am Ende doch noch in ein Krankenhaus steckten, wenn sie der Ansicht waren, er habe sein Leben nicht mehr im Griff.
„Ich gehe da nicht hin!“, dachte Sebastian entschlossen und schloss die Augen....
Er schreckte zwei Stunden später aus dem Schlaf, als es an der Tür klingelte. Sebastian erhob sich und schlich zur Tür.
Er sah durch den Türspion und erwartete halb, eine Statue dort stehen zu lassen. Doch es handelte sich um seine Eltern. Seufzend öffnete er die Tür und ließ sie hinein.
„Sebastian, was ist mit dir los? Ich weiß mir keinen Rat mehr! Du benimmst dich in der letzten Zeit wieder so seltsam! Dein Vater und ich machen uns Sorgen um dich!“, begann seine Mutter vorsichtig ein Gespräch.
Der Vater ging zum Fenster und griff nach einem der Blumentöpfe. „Diese Pflanzen finde ich wirklich sehr hübsch, versteh das bitte nicht falsch. Aber du hattest doch früher kein Interesse an Blumen! Und es muss sich immer um Eisenkraut handeln. Lena sagte neulich, sie habe dir einmal eine andere Pflanze mitgebracht, eine kleine Minipalme. Aber die hätte sie dann ein paar Tage später im Mülleimer gefunden. Du hättest sie weg geworfen.....“
„Weil sie den Platz weg genommen hat! Da muss Eisenkraut hin!“, antwortete Sebastian heftig. Hatte seine Schwester wie ein Kleinkind zu den Eltern rennen und petzen müssen?
„Sebastian, wir möchten dir helfen! Wir fürchten, dass du wieder Probleme hast! Darum habe ich vorhin einen Termin bei einem Arzt ausgemacht! Wir möchten, dass du uns jetzt begleitest und mit uns kommst! Bitte zwing uns nicht dazu, andere....Maßnahmen zu ergreifen!“, sagte der Vater ernst.
Sebastian sprang wütend und erschrocken zugleich auf. „Ihr wollt mich in die Klapse stecken lassen? Das würdet ihr mir antun? Ich dachte, ihr wärt meine Eltern und ihr würdet euch Sorgen um mich machen. Und da steckt ihr mich zu den Gestörten?“
„Wir wollen dir doch nur helfen,“ sagte seine Mutter leise und ihre Stimme klang sehr unglücklich. „Bitte komm mit uns mit! Sonst ....“
„Sonst ruft ihr die Typen mit den Zwangsjacken? Vergesst es!“, rief Sebastian und schlug die Hand seines Vaters fort, als dieser nach ihm greifen wollte.
Er wolle nur noch weg, raus aus dieser Wohnung, fort von seinen Eltern. Nun musste er sich also nicht nur vor der Statue, sondern auch noch vor seiner eigenen Familie fürchten...
Sebastian riss die Haustür auf und stürmte hinaus. Doch fast sofort wurde es ihm bewusst, dass dies ein Fehler gewesen war.
„Ich muss zur Kirche gehen! Zur St. Andreas Kirche! Ich muss dahin! Das Eisenkraut....schützt mich nicht mehr!“
Hatte die Statue nur auf einen solchen Moment gelauert? Oder hatte er ihr Rufen nicht schon den ganzen Morgen unterschwellig vernommen, war aber durch das Eisenkraut abgeschirmt gewesen? Was sollte er nun machen? Zurück in die Wohnung kehren? Konnte er dies überhaupt noch? Und wartete dort nicht die Irrenanstalt auf ihn?
Trotzdem blieb Sebastian stehen. Handelte es sich dabei nicht um das kleiner Übel? Aber er konnte seine Füße nicht dazu zwingen, zurück zu seinen Eltern zu kehren. Statt dessen führte sein Weg ihn zur St. Andreas Kirche.
Was würde ihn dort erwarten?
Sebastian hielt sich den gesamten Nachmittag in der Nähe der Kirche auf und umrundete sie mehrmals.
Von Zeit zu Zeit setzte er sich auf eine Bank und die Leute schüttelten den Kopf über den jungen Mann, der lediglich eine Jogginghose, ein T-Shirt und nur Socken an den Füßen trug. Seine Schuhe hatte Sebastian in der Eile in der Wohnung gelassen.
Fast hoffte er, dass jemand die Polizei rufen und diese ihn fort bringen würden. Wenn es sein musste sogar in die Psychiatrie oder in eine Gefängniszelle. Alles war besser als dieser Ort, an dem ihn etwas Schreckliches erwarten würde.
„Junger Mann, ist Ihnen nicht kalt? Und ist das jetzt modern? Ohne Schuhe rum laufen?“, fragte ihn am späten Nachmittag eine ältere Dame. „Also das mit dem bauchfrei hat mir ja schon nicht gefallen. Aber jetzt auch noch Schuhfrei? Ich glaube nicht, dass sich das durchsetzen wird.....“
Da Sebastian ihr keine Antwort gab, ging die Frau kopfschüttelnd davon. Gerne hätte er sie um Hilfe gebeten.....
Die Sonne war bereits untergegangen, als schließlich das geschah, was Sebastian bereits den ganzen Tag über befürchtet hatte.
Die Kirchturmglocke schlug zehn Mal und dann zog Nebel auf, die Umgebung war inzwischen menschenleer.
Er wusste nur zu gut, was dies bedeutete....
Schließlich erschienen die Umrisse der Statue über der Kirchentür und der Dämon starrte auf ihn hinab.
„Du dachtest wohl, das Kraut könne dich schützen? Und und du hast immer nach mir Ausschau gehalten. Aber mir entkommst du nicht! Du hast ihm damals geholfen.....dafür wirst du bezahlen!“
Sebastian stieß ein klägliches Wimmern aus, als die Statue von ihrem Platz hinab sprang und mit dumpfen Schritten auf ihn zu kam. Grob packte sie seinen Arm und verdrehte ihn.
S
ebastian schrie auf, als er spürte, dass ein Knochen brach. Würde die Statue ihn nun so zurichten wie die anderen vier bedauerlichen Opfer? Doch statt dessen lachte der Dämon gehässig und packte ihn an seinem verletzten Arm und zog ihn hinter sich her. „So einfach mache ich es dir nicht.......“
Sebastian wurde es schwarz vor Augen, als der Dämon noch fester zu packte.....
Am nächsten Morgen saßen Sebastians Eltern in einem Büro auf dem Polizeirevier einem Beamten gegenüber.
Dieser sah sie bedauernd an. „Ihr Sohn ist volljährig. Würde es sich jetzt um ein Kind handeln, dann würden wir sofort eine große Suchaktion starten. Aber bei einem erwachsenen jungen Mann von fast Mitte zwanzig ist so etwas nicht üblich, wenn wir kein Verbrechen vermuten.“
„Aber Sebastian hat psychische Probleme! Er trug nicht einmal Schuhe, als er davon lief! Wir machen uns wirklich große Sorgen um ihn!“, sagte Sebastians Mutter. Ihr Gesicht war blass.
Der Beamte notierte etwas auf einem Formular und gab sich dann einen Ruck. „Eine Vermisstenanzeige machen wir natürlich trotzdem! Wir werden bei den Krankenhäusern nachfragen, ob jemand eingeliefert wurde. Bislang gibt es ja zum Glück keinerlei Hinweise auf ein Verbrechen!“
Sebastians Vater nickte. „Wir haben schon bei seinen Kollegen angerufen, aber die wussten auch nicht, wo er sein könnte. Allzu viele Freunde hat er leider nicht mehr, aber ich habe seiner Ex-Freundin noch auf die Mail-Box gesprochen. Vielleicht hat er sich ja bei ihr gemeldet! Wir machen uns wirklich Sorgen, immerhin sind doch in der letzten Zeit schon drei junge Männer und ein Kollege von Ihnen ermordet worden! Das brachte man sogar schon im Fernsehen!“
„Bislang wurde kein Toter gefunden, weder in der Nähe der Kirche noch sonst wo,“ murmelte der Beamte und Sebastians Mutter sah ihn fragend an.
Der Polizeibeamte schüttelte den Kopf. „Dort wurden, Sie werden es durch die Presse wissen, bereits zwei der Opfer gefunden! Ein drittes ist bislang nicht bekannt! Also stehen die Aussichten, dass es ihrem Sohn gut geht und er am Leben ist recht gut. Sicherlich meldet er sich bald bei Ihnen!“
Sebastians Eltern verließen bedrückt das Polizeirevier und hofften, ihren Sohn bald gesund und vor allem lebendig wieder zu sehen.
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Dämonische Statuen - Teil II
Misterio / SuspensoDieses Buch ist der zweite Teil von "Dämonische Statuen". Aufgrund der Länge habe ich die Geschichte in zwei Bände aufgeteilt. Erneut geschieht Unheimliches, die Dämonen sind nicht wirklich verschwunden...