Julia und Jonas telefonierten sehr lange an diesem ersten Abend, den sie getrennt voneinander verbringen mussten, miteinander.
Jonas hatte sich auf sein Bett gesetzt und sein Blick fiel auf den Mond, der zu seinem Fenster hinein schien. Eigentlich war es ein schöner Anblick und am liebsten hätte er ihn damit verbracht, mit seiner Freundin, warm angezogen, am Rhein entlang zu spazieren.
Leider drehte sich ihr Gespräch zum größten Teil um die Dämonenstatue und die damit einhergehende Bedrohung.
„Gerrit glaubt, dass Magnus auch nicht alles über das Ding wusste. Vielleicht hat er auch bewusst Informationen zurück gehalten!“, sagte Julia und Jonas Stimmung sank auf einen weiteren Tiefpunkt.
„Aber warum sollte er so etwas machen? Bei den wenigen Erinnerungen, die ich an ihn habe, war er ein freundlicher Mensch, der den Kampf gegen den Dämon sehr ernst nahm!“
„Vielleicht wollte er dir oder vielmehr Simon damit nicht schaden. Es wäre doch möglich, dass er mehr wusste, und es zunächst für sich behalten hat, um Simon nicht den ganzen Mut zu nehmen. Hätte er ihm gesagt, dass er die Statue nicht endgültig besiegen könne, hätte er sich vielleicht gar nicht getraut, zu kämpfen. Außerdem ist der Dämon ja stärker als vorher zurück gekommen. Das könnte wirklich demotivierend wirken....“, vermutete Julia, schien sich ihrer Sache aber nicht so sicher zu sein.
„Da hast du recht,“ stellte Jonas fest. „Wahrscheinlich hat Magnus auch nicht damit gerechnet, dass Simon den Kampf nicht überlebt. Er wollte es ihm vielleicht hinterher sagen und ihm Gelegenheit geben, sich besser vorzubereiten! Dazu ist es ja dann nicht mehr gekommen!“
Ironisch fügte er hinzu: „Wie rücksichtsvoll von Magnus!“
„Er wusste vielleicht selbst nicht alles! Ich habe das Gefühl, als würde noch viel mehr dahinter stecken. Keine Ahnung, warum. Irgendwie ist es alles....ein wenig verworren,“ stellte Julia nach einem Augenblick des Schweigens fest.
Leise fügte sie hinzu: „Du fehlst mir! Siehst du wirklich keine Möglichkeit, auch nach Raichelbach zu kommen?“
„Leider nicht,“ antwortete Jonas. „Nicht, so lange diese Statue in der Stadt herum schleicht! Ich werde morgen übrigens noch einmal zur Kirche gehen. Ich werde nach diesem alten Mann Ausschau halten. Vielleicht weiß er ja etwas. Und in der Gegend um die Kirche hat er sich immer herum getrieben. Natürlich gehe ich nur tagsüber dahin. Ich glaube, es würde momentan nichts bringen, noch eine Nacht vor der Kirche zu stehen und auf den Dämon zu warten!“
„Sei bloß vorsichtig! Nicht, dass der Dämon dir etwas antut! Dem traue ich es zu, dass er sich auch vor einer großen Menschenmenge auf dich stürzt. Wer weiß, wo seine Grenzen sind!“, sagte Julia und kurz darauf beendeten sie ihr Telefonat.
Jonas schlief in dieser Nacht sehr unruhig, immer wieder schreckte er aus dem Schlaf auf. Jetzt, wo er allein war, gestand er es sich ein.
Er hatte Angst. Angst vor diesem Dämon. Bislang war dies nicht so gewesen, die einzelnen Statuen, die er besiegt hatte, hatten ihm stets einen Schauer über den Rücken laufen lassen und er war dankbar gewesen, dass er ihnen nicht unbewaffnet und völlig arglos über den Weg gelaufen war.
Aber dieser Dämon machte ihm wirklich Angst.
Auch Julia fand in dieser Nacht keinen Schlaf. Unruhig warf sie sich hin und her und glaubte ein paarmal, draußen vor dem Gasthof Schritte zu hören. Einmal schlich sie sogar vorsichtig ans Fenster und sah hinaus. Doch es handelte sich lediglich um Gerrit, der trotz der späten Stunde, noch einen Müllsack hinaus brachte.
„Also ich an Gerrits Stelle würde mich Nachts gar nicht mehr aus dem Haus trauen,“ dachte Julia, als sie ins Bett zurück kehrte.
„Er hat doch wirklich mehr als genug schlechte Erfahrungen mit Statuen, die bei Nacht ihr Unwesen treiben, gemacht.....“
Sie beschloss, ihn bei Gelegenheit einmal darauf anzusprechen, auch wenn es ihr immer noch unangenehm war und das schlechte Gewissen sie nach wie vor plagte.
Das nächste Mal schreckte Julia auf, als sie Brittas kleine Tochter schreien hörte. Glücklicherweise schien Britta sich der kleinen Anna-Lena direkt anzunehmen, denn sie hörte ihre Freundin im Zimmer auf und ab gehen.
„Dass so ein kleines Baby so eine Lärm machen kann, hätte ich nicht gedacht,“ dachte die junge Frau mit einen schiefen Lächeln, ehe sie sich die Bettdecke über den Kopf zog und endlich ein wenig Schlaf fand.
Am nächsten Morgen kaute Julia lustlos an einem Brötchen herum, während Britta neben ihr saß und sich eine Tasse Kaffee ein goss.
Neben ihr stand ihr Kinderwagen, der am Vortag den gesamten Kofferraum verstopft hatte, und Anna-Lena strampelte fröhlich vor sich hin.
„Ihr macht das Ganze zum Glück am wenigsten aus,“ sagte Britta. „Aber ich glaube, sie vermisst Dennis. Vor allem letzte Nacht, da hat sie sich ganz verwundert umgesehen. Normalerweise trägt Dennis sie nämlich immer herum, wenn sie weint! Er wickelt sie dann und ich füttere sie anschließend. Und jetzt war nur die Mama da!“
„Kann so ein Baby überhaupt schon jemanden vermissen?“, entfuhr es Julia.
Britta sah sie streng an. „Natürlich! Sie ist doch kein vergesslicher Goldhamster! Sie weiß auch, wer normalerweise zu ihr kommt und sich um sie kümmert! Letzte Nacht habe ich ein gebrauchtes T-Shirt von Dennis ans Fußende von ihrem Bettchen gelegt. Natürlich ans andere Ende, damit sie es sich nicht über den Kopf ziehen kann. Das hatte mir meine Hebamme geraten, falls Dennis mal nicht da ist. Die wusste natürlich auch nicht, dass er unter solchen Umständen verschwinden würde!“
Julia wusste nicht, was sie darauf antworten sollte und war fast schon dankbar, als Gerrit bei ihnen am Tisch Platz nahm.
„Wo ist denn deine Freundin Lisa?“, erkundigte sich Julia.
„In der Schule,“ antwortete Gerrit und streichelte kurz über Anna-Lenas Bäckchen.
„Gerrit, ich muss dich was fragen. Ich hab dich gestern Nacht noch gesehen, wie du den Müll raus gebracht hast...“, sagte Julia ein wenig zögernd und Gerrit sah sie erstaunt an.
„Ja, das habe ich. Ich bringe hier immer den Müll raus. Meistens nicht so spät. Aber ich hab letzte Nacht über einiges nachgedacht und konnte nicht schlafen. Da bin ich aufgestanden und hab ich ein paar Sachen hier erledigt. Ich habe den Müll raus gebracht, einen Karton mit neuen Gläsern ausgepackt und die gespült....Frau Huber war schon böse deswegen. Sie meinte, das solle ich während des Tages machen. Aber ich musste wirklich über was nachdenken.“
„Hast du denn keine Angst, nachts raus zu gehen? Ich meine, nach all diesen Statuen und.....“, erkundigte sich Julia vorsichtig.
„Nein, ich hab keine Angst. Wovor denn? Vor einer Statue? Vor Dämonen? Das hab ich doch alles schon hinter mir. Schlimmer kann es nicht mehr kommen!“, antwortete Gerrit und ein wenig Verbitterung, die Julia durchaus verstand, klang in seiner Stimme mit.
„Tut mir leid,“ murmelte sie, aber Gerrit schüttelte den Kopf. „Das braucht dir doch nicht leid zu tun. Es hat ja irgendwie auch sein Gutes. Aber jetzt hab ich was vor, vor dem ich doch Angst habe.“
„Was denn?“, erkundigte sich Britta und nahm ihr Baby aus dem Kinderwagen. Die Kleine lehnte ihr Köpfchen an die Schulter ihrer Mutter und gab glucksende Laute von sich.
„Ich habe mir da was überlegt,“ sagte Gerrit nachdenklich. „Bei diesen Statuen in Grünenbach steckte doch eine in der Wand und die musste erst einmal zerstört werden. Es wäre doch möglich, dass es bei der Statue, die zurück gekommen ist, genauso ist, oder?“
„Das wäre möglich. Aber wie gesagt, es fehlten Hinweise in den Aufzeichnungen....“, antwortete Julia ein wenig zögernd. „Was hast du vor?“
„Mir ist da was eingefallen, wie ich Jonas vielleicht helfen könnte. Ich könnte mir diese Kirche, wo der die Statue steht, vielleicht einmal ansehen. Oder die nähere Umgebung. Vielleicht sehe ich ja wieder etwas, das irgendwo verborgen ist!“, schlug Gerrit vor.
„Aber das ist sehr gefährlich,“ wandte Julia beunruhigt ein. „Und dieser Dämon ist anders als die anderen. Wenn er nun bemerkt, wonach du suchst, greift er dich vielleicht an. Dann ist er auch noch hinter dir her. Solltest du ihn irgendwo sehen, obwohl andere ihn nicht sehen können, bist du dir sicher, dass du dann so tun kannst, als würdest du ihn nicht bemerken? Außerdem glaube ich nicht, dass sich in den Mauern der Kirche etwas verbirgt. Es ist ja nicht mehr die ursprüngliche Kirche. Sie wurde nach dem Krieg neu aufgebaut und die Statue kam wieder an ihren alten Platz.....“
„Es wäre trotzdem eine Möglichkeit. Vielleicht ist ja woanders etwas versteckt! Oder vielleicht kann ich den Dämon sogar aufspüren und Jonas sagen, wo er sich normalerweise aufhält, wenn niemand ihn sehen kann. Ich würde ihn wahrscheinlich trotzdem bemerken....“ sagte Gerrit und fügte hinzu. „Wir sollten es auf jeden Fall mal versuchen!“
„Vielleicht findest du auf diese Weise ja auch Dennis,“ mischte Britta sich mit einem Mal ein. „Einen Versuch ist es wirklich wert!“
![](https://img.wattpad.com/cover/20528060-288-k633198.jpg)
DU LIEST GERADE
Dämonische Statuen - Teil II
Mystery / ThrillerDieses Buch ist der zweite Teil von "Dämonische Statuen". Aufgrund der Länge habe ich die Geschichte in zwei Bände aufgeteilt. Erneut geschieht Unheimliches, die Dämonen sind nicht wirklich verschwunden...