Kapitel 66

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Schweigend gingen sie durch die verlassenen Straßen der Stadt, nur von Zeit zu Zeit blieb Gerrit stehen und sah sich suchend um, um sich dann erleichtert an Jonas zu wenden. „Da ist er nicht. Sieht so aus, als könnten wir weiter gehen!“

„Vielleicht sollten wir leiser sein,“ fuhr es Julia in den Sinn. Hallten ihre Schritte nicht viel zu laut wieder?

Oder kam es ihr nur so vor, weil die Stadt so unnatürlich still war?

Sie erreichten nun die Fußgängerzone, in dieser wimmelte es für gewöhnlich an einem Samstagmorgen nur so vor Menschen, aber dieses Mal war weit und breit niemand zu sehen. Die Geschäfte hatten geschlossen, selbst im großen Kaufhaus brannte kein Licht.

Ein Elektroladen, in dessen Schaufenster sonst die Fernsehgeräte liefen und bunte Bilder aus aller Welt zeigten, lag still und dunkel da.

Die Fernsehgeräte schienen ihnen wie tot entgegen zu starren.....

Julia blickte auf und sah den Kirchturm der St. Andreas Kirche aufragen. Am liebsten hätte sie kehrt gemacht und wäre davon gelaufen, aber so tapfer wie irgend möglich stapfte sie hinter den anderen her.

Schließlich erreichten sie die Straße, in der sie gegen den Dämon kämpfen wollten.

„Ich werde dann mal hier warten,“ sagte Stefan und huschte in den Eingang eines Schuhgeschäftes. In den Schaufenstern befanden sich links und rechts die neuesten Waren, aber es handelte sich überwiegend um Winterschuhe.
Wären jetzt nicht eigentlich bereits die Sommermodelle ausgelegt gewesen? Aber offenbar hatte sich bereits seit längerem niemand mehr in diesem Laden blicken lassen. Auch die Angestellten und der Inhaber trauten sich also bereits seit längerem nicht mehr in die Nähe der Kirche.

Glücklicherweise war dieser Eingang für den Dämon nicht einsehbar und das Wesen aus der Hölle würde, in Gestalt von Stefan, eine unangenehme Überraschung erleben, sollte Jonas Plan funktionieren.
„Ich warte dann hier!“, sagte Stefan, dem anzusehen war, dass auch er sichtlich angespannt war.

„Ich und Gerrit gehen auf die andere Seite, gegenüber!“, stellte Lucas fest, aber Stefan schüttelte den Kopf.
„Jetzt nichts gegen dich, du....aber lassen wir das. Gerrit sollte vielleicht lieber zu mir kommen und hinter mir bleiben. Wenn der Dämon auf euch los geht, was glaubst du denn, was du gegen ihn ausrichten kannst, um Gerrit zu beschützen? Und wenn der Dämon ihn als ersten erwischt, dann können wir uns gleich ergeben und um Gnade winseln!“

Lucas wollte etwas Boshaftes erwidern, aber dann nickte er widerstrebend. „Du hast recht! Gerrit sollte bei dir bleiben, aber nicht hinaus kommen, bevor es für ihn wirklich so weit ist!“

Stefan legte Gerrit die Hand auf die Schulter. „Also, wir gehen jetzt da hin und vertreiben uns die Wartezeit mit Schuhe gucken!“

Lucas, Julia und Dennis versteckten sich ebenfalls in den nächsten Hauseingängen und hofften, nicht vorzeitig durch den Dämon entdeckt zu werden, als Jonas sich an Gerrit wandte.
„Das mit dem Schuhe gucken muss noch ein wenig warten! Du solltest mit kommen und mir sagen, ob der Dämon über der Kirche steht! Falls ja, dann geb ich dir drei Minuten, um wieder zu Stefan zurück zu kehren. Falls nicht....dann ist unser ganzer schöner Plan hinfällig!“

„Stimmt, falls er nicht sichtbar ist, kannst du ihn nicht entdecken!“, antwortete Gerrit zustimmend und gemeinsam mit Jonas brach er auf zur Kirche.

Unglücklich sah Julia ihrem Freund hinterher. Er würde sich gleich in sehr große Gefahr begeben und sie alle anschließend in ebenso große Gefahr bringen. Sie fühlte sich alles andere als wohl in ihrer Haut.



Sie spähten, aus ihrer Seitenstraße, die zu der Sackgasse führte, auf den Kirchenvorplatz und Gerrit zuckte zusammen.
Jonas begriff den Grund nur zu gut. Der Dämon stand, und fast war dieses Bild schon vertraut, über der Kirchentür.

„Er ist sehr stark geworden! Er leuchtet viel rötlicher als beim letzten Mal,“ flüsterte Gerrit sichtlich bedrückt und deutete dann auf einen zusammen gekrümmten Körper.

„Er hat sich ein neues, unvorsichtiges Opfer gesucht!“, stellte Jonas fest, als er die Gestalt eines Mannes sah, die vor der Tür lag.
„Und niemand kommt mehr her, um den Armen dort fort zu holen! Das muss wirklich endlich ein Ende haben!“

„Ja, muss es! Aber ich glaube, der Dämon wird ein wenig...übermütig. Er sieht keinen Grund mehr, sich zu verbergen und rechnet wohl nicht damit, dass ihm jemand etwas anhaben könnte. Du kannst es nicht mehr wirklich und sonst gibt es seiner Ansicht nach wohl niemanden. Auch wenn er eigentlich wissen müsste, dass Simon Nachfahren gehabt haben könnte, rechnet er wohl nicht damit, dass du es weißt. Oder dass noch jemand gefunden wurde....“, erwiderte Gerrit. „Ich gehe jetzt zu den anderen zurück und sage, dass du bald kommen wirst. Zusammen mit dem Dämon!“

„Nein, nicht zusammen. Ich werde total verängstigt und fluchtartig davon laufen und der Dämon wird mir folgen. Er wird sich freuen, dass er mich endlich erledigen darf. Meine Seele kann er ja nicht haben, trotzdem wird er seinen Spaß haben wollen!“, stellte Jonas mit düsterem Gesichtsausdruck fest.

Die Vorstellung, gleich von einem Höllendämon durch die Straßen gejagt zu werden gefiel ihm ganz und gar nicht.

„Wenigstens hat sich dieser grässliche alte Mann nicht blicken lassen!“, sagte Gerrit, aber Jonas schüttelte den Kopf.
„Du meinst, er hat sich noch nicht blicken lassen! Würde mich nicht wundern, wenn der noch auftauchen würde!“

Gerrit kehrte zu den anderen zurück und nickte Dennis zu, als dieser aus dem Eingang eines kleinen Blumenladens hinaus spähte. Gerrit erblickte Julia, die hinter ihm stand, während Lucas ihnen gegenüber Zuflucht gesucht hatte.
„Er kommt,“ sagte Gerrit halblaut und huschte anschließend zu Stefan, der scheinbar interessiert auf ein Paar Winterstiefel sah.
„Die sehen doch gut aus, oder? Aber im Knast kann man die so schlecht tragen....“

„Wie meinst du das?“, erkundigte sich Gerrit verwundert, aber Stefan schenkte ihm ein fast schon trauriges Lächeln. „Ist ja jetzt egal. Warten wir auf Jonas und dieses Höllending! Das hat jetzt Vorrang!“

Dämonische Statuen - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt