Kapitel 64

52 6 0
                                    

Sebastian saß in Frau Hubers Gaststube, diese war mittlerweile vom letzten Gast verlassen worden und auch die Gastwirtin war zu Bett gegangen und hoffte darauf, trotz ihrer Sorge um Gerrit, ein wenig Schlaf in dieser Nacht zu finden. Sebastian bezweifelte, dass dies ihr oder auch Britta gelingen würde.
Die einzige, die wahrscheinlich friedlich im Bettchen schlummerte, war die kleine Anna-Lena. Oder spürte auch sie die Abwesenheit ihres Vaters und die Angst ihrer Mutter?

„Ich werde nicht zur Ruhe kommen,“ dachte Sebastian bedrückt und dachte darüber nach, sich ein Bier aus der Küche zu holen. Er stand auf, besann sich dann aber eines Besseren.

Was brachte es schon, in dieser Nacht all seine Ängste im Alkohol zu ertränken?

Statt dessen blieb er stehen und ein Gedanke schlich sich bei ihm ein. Ein Gedanke, den er bislang immer verdrängt hatte. Den sie alle verdrängt hatten.....
Was geschah eigentlich, wenn Jonas und die anderen am nächsten Tag scheiterten? Wenn Gerrit es nicht schaffte?
„Er ist ein kleiner, schwacher Junge, der, als ich ihn damals, im Garten des Richters, das letzte Mal sah, mehr tot als lebendig war! Gut, er hat sich ein wenig verändert. Aber er wird doch niemals wirklich mit dem Dämon fertig werden....“

Mit einem Mal schienen die Wände der einsam da liegenden Gaststube den jungen Mann zu erdrücken und er lief hinaus, auf den Flur. Doch auch dort wurde das Gefühl, sich in großer Gefahr zu befinden, nicht besser.

Mit einem Mal stürmten alle Erinnerungen der letzten Wochen und Monate wieder auf ihn ein.

Er hatte alles verkehrt gemacht, was man verkehrt machen konnte. Seine Angst vor den Dämonen hatte ihn dazu getrieben, auf Gerrit zu schießen und ihn beinahe zu töten. Wäre dies gelungen, dann gäbe es jetzt überhaupt keine Hoffnung mehr, den Dämon zu besiegen.
Den Dämon, der es auch auf ihn, Sebastian, abgesehen hatte. Er und Dennis hatten sich bereits in dessen Gewalt befunden, er wollte Rache an ihnen nehmen.....

Ein weiterer Gedanke fuhr Sebastian in den Sinn und dieser hätte fast dazu geführt, dass er sich am Treppengeländer der Treppe, die zu den Gästezimmern führte, fest geklammert hätte.
„Wenn sie scheitern....dann wird der Dämon sich nicht damit zufrieden geben, sie getötet zu haben oder in der Stadt zu wildern....er wird seine Rache wollen, nach wie vor. An Dennis, Julia, Britta und an....mir! Weil wir Jonas damals geholfen haben.....“

Die Vorstellung, erneut diesem Dämon zu begegnen, trieb Sebastian den Angstschweiß auf die Stirn und am liebsten hätte er ein Wimmern von sich gegeben. Er wusste, dass er keinen sonderlich tapferen Anblick ergab, aber war dies denn weiter verwunderlich? Er fürchtete sich halb zu Tode und wusste nicht, wie es weiter gehen sollte....
„Sie werden vielleicht scheitern! Wenn diese geschieht, dann bin ich hier auch nicht mehr sicher! Ich muss....weg! So weit weg, wie möglich! Ein paar hundert Kilometer sind sicherlich nicht genug, oder? Ich muss....weiter weg!“

Sebastian dachte einen Augenblick nach, dann stand sein Entschluss fest und er betrat kurz darauf Frau Hubers Wohnung und schlich zu einer Truhe, die sich im Wohnzimmer befand.

Vorsichtig öffnete er sie und suchte nach einer Waffe. „Die Schwerter und die Dolche haben sie mitgenommen....aber der Bogen und die Pfeile, die könnte ich noch brauchen.....ich kann nicht damit umgehen....aber besser als gar nichts!“

Sebastian nahm den Bogen und die in ein Tuch gewickelten Pfeile heraus und wollte gerade wieder aus der Wohnung heraus schleichen, als sich die Tür zum Schlafzimmer öffnete und Frau Huber, nur mit einem Nachthemd bekleidet, heraus kam. Offenbar hatte auch sie nicht schlafen können.

„Wo willst du denn mit dem Bogen hin, Sebastian?“, fragte sie ein wenig ratlos und Sebastian sah seinen Plan, mitsamt einer Waffe, mit der er sich im Ernstfall verteidigen konnte, zu fliehen, gefährdet. Sicherlich würde die ältere Dame ihn doch nicht fort gehen lassen.....

Doch was sollte sie schon gegen ihn ausrichten? Er ließ den Bogen und die Pfeile fallen und packte Frau Huber, die vollkommen überrascht und überrumpelt war, und schob sie ins Schlafzimmer zurück.
Noch ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte Sebastian die Tür verschlossen.

„Spätestens morgen früh wird Britta sie finden, dann kommt sie doch immer mit der kleinen Anna-Lena runter, damit Frau Huber sie verwöhnen kann! Und Lisa wird bestimmt auch noch mal vor der Schule vorbei sehen,“ dachte Sebastian, während die Gastwirtin gegen die Tür pochte.
„Mach auf der Stelle auf! Wo willst du denn hin?“

„Ich sehe zu, dass ich hier weg kommen! Will nicht mehr hier sein, falls der Dämon auftaucht und nach mir sucht....ich haue ab, weit weg.....“, antwortete Sebastian und schnappte sich, außer dem Bogen und den Pfeilen noch einen kleinen Topf mit Eisenkraut, der auf einem Fensterbrett lag.

Er verließ die Wohnung und stieg kurz darauf in das Taxi, das er sich, bevor er die Waffen aus der Wohnung holte, telefonisch gerufen hatte.

„Wohin soll es denn gehen, so mitten in der Nacht?“, fragte der Fahrer, nachdem er die große Reisetasche, in die Sebastian die Waffe und ein paar Kleidungsstücke gepackt hatte, in den Kofferraum geräumt hatte.

„Zum nächsten Bahnhof! Ich will weit, weit weg....,“ antwortete der junge Mann und kurz darauf verließ das Taxi Raichelbach....



Am nächsten Morgen wurde Frau Huber von Britta und Lisa, die fast gleichzeitig die Wohnung betraten, befreit.
„Das ältere Ehepaar aus Ulm wartet auf sein Frühstück...die sitzen schon in der Gaststube,“ sagte Britta, als sie das Klopfen an der Schlafzimmertür hörte. Sie drückte Lisa ihre kleine Tochter in den Arm und ließ die Gastwirtin hinaus.
„Was ist denn passiert? Wer hat das gemacht?“, erkundigte sich Britta beunruhigt. „Ein Einbrecher? Das fehlte gerade noch.....“

Die Gastwirtin ließ sich im Wohnzimmer auf das Sofa fallen. „Danke, dass ihr mich raus gelassen habt! Um die Gäste kümmere ich mich gleich....aber dieser Sebastian hat mich eingeschlossen. Und er hat den Bogen mitgenommen! Warum nur? Er sagte, er wolle weg, bevor der Dämon kommt!“

Lisa zuckt zusammen. Gerrit und die anderen hatten doch noch gar nicht gegen die Statue gekämpft und verloren, oder?

„Keine Sorge, ich bin mir sicher, es geht ihnen gut. Aber Sebastian ist ein wenig....wie soll man sagen....labil! Oder nenn es von mir aus auch durchgeknallt....“, sagte Britta beruhigend und lächelte Lisa aufmunternd zu.
„Ich mach mir doch genau so große Sorgen wie du. Aber Dennis hat mir vor einer halben Stunde, bevor ich runter gegangen sind, noch eine SMS geschrieben. Es ist alles in Ordnung!“

„Nur nicht mit Sebastian! Wenn dieses Höllending nicht besiegt wird, dann ist er doch nirgendwo mehr sicher! Wo will er denn nur hin? Und mit dem Bogen kann er doch nicht viel anfangen....wahrscheinlich wollte er einfach nur eine Waffe, egal welche. Und da die Dolche und Schwerter alle fort sind, hat er die jetzt genommen!“, klagte Frau Huber kopfschüttelnd. „Na warte, der kann was erleben, wenn er zurück kommt!“

Ein wenig leiser fügte sie hinzu: „Aber ich schätze ihn fast schon so ein, dass er sich mit dem Bogen versehentlich selber umbringt, sollte er jemals auf einen Dämon oder gar den Höllendämon selbst treffen.....“

Dämonische Statuen - Teil IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt