Kapitel 25

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(Mia)

Łukasz hat es mir verboten, weiterhin mit Roman zu trainieren. Aber das kann er vergessen! Fußball ist neben Łukasz das einzige, wofür ich überhaupt noch aufstehe. Deswegen sehe ich es auch nicht ein, das Training jetzt abzubrechen. Also mache ich es einfach heimlich. Immer wenn es soweit ist, mache ich in meinem Zimmer Musik an und schließe die Tür. Dann weiß Łukasz, dass er mich nicht stören sollte, weil ich gerade "Hausaufgaben mache". Mich dann aus dem Haus zu schleichen ist immer eine Kunst, aber bis jetzt lief es ganz gut. Ich hoffe auch, das bleibt so. Ich möchte nicht wissen, wie Łukasz reagiert, wenn er das herausfindet.

Ich brauche Fußball einfach. Das lenkt mich ab und schenkt mir wenigstens etwas Lebensmut. Chloe erreicht täglich das Gegenteil. Die letzten zwei Wochen ist es noch viel extremer geworden. Das ich noch lebe ist ein wahres Wunder. Nicht weil sie mich verprügelt oder so, aber sie macht mich psychisch einfach fertig. Ich will es aber niemandem sagen, einfach weil ich niemanden mit meinen Problemen belasten will. Mir hat damals schon keiner geholfen, und damals habe ich es meinen Freunden gesagt. Aber die sind dann nur auf Abstand gegangen und haben mich fallen lassen. Ich war komplett alleine. Eigentlich müsste ich dadurch ja schon abgehärtet sein. Aber was Chloe abzieht, dass spielt schon in einer ganz anderes Liga. 
Dieser Stress mit Chloe und trotzdem diesen Druck, meine Leistungen zu halten und dazu muss ich noch das Training mit Roman verheimlichen. Das macht mich fertig! 

Ich habe auch angefangen mich wieder zu ritzen. Ich wollte es nie wieder tun, aber ich finde im Moment keinen anderen Ausweg. Zumindest habe ich keinen gefunden, bis ich letztens bei Łukasz im Keller den Alkohol entdeckt habe. Ich habe dieses Zeug vorher nie angerührt, aber dieses Brennen, wenn die Flüssigkeit deinen Hals hinunter fließt, war einfach befreiend. Es hat abgelenkt. Also Zweck erfüllt, oder?

Ich habe heute wieder Training, aber ich fühle mich überhaupt nicht gut. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich heute an der Flasche hing. Grasovka, polnischer Vodka. Schmeckt nicht, aber es lenkt ab. Nur habe ich jetzt Probleme, mich zu konzentrieren. Ich habe auch das Gefühl irgendwas vergessen zu haben. Roman kommt auf mich zu und will mich wahrscheinlich gerade darauf ansprechen, da höre ich Łukasz seine Stimme. Scheiße, er hat es heraus gefunden. Jetzt fällt es mir auch wieder ein. Ich habe meine Musik heute nicht angemacht, bevor ich gegangen bin! Łukasz schreit uns regelrecht an und ich habe das Gefühl meine Schädel explodiert gleich. Heul nicht Mia, du bist selbst Schuld. Roman und Łukasz schreien sich regelrecht an, bis Roman mich mit ins Spiel bringt. Ich leide doch nicht wegen Łu. Er ist einer der wenigen Gründen, warum ich überhaupt noch stehe. Ich schreie sie an, dass sie doch keine Ahnung hätten und laufe dann einfach weg. Scheiß auf das Umziehen. Ich stopfe meine normalen Sachen in die Tasche, schnappe mein Board und haue ab.

Ich habe keine Ahnung mehr wo rechts und links ist, aber irgendwo werde ich schon ankommen. Es dreht sich alles um mich, ich sehe nur noch verschwommen, obwohl ich nicht weiß wovon das kommt. Ob das vom Weinen oder vom Alkohol kommt, ich weiß es nicht. Ich bekomme fast gar nichts mehr mit, meine Sicht verschwimmt immer mehr. Irgendwann spüre ich einen dumpfen Aufprall, einen Schmerz auf meiner rechten Seite, die Kälte des Bodens, der langsam in meinen Körper strömt. Schwach nehme ich noch wahr, wie jemand etwas ruft. Ich kann weder die Stimme, noch das Gerufene deuten. Meine Augen werden immer schwerer, langsam wird mir schwarz vor Augen. Sterbe ich gerade?

Ein hohes Piepen bekommt meine Aufmerksamkeit. Eine angenehme Wärme durchströmt meinen Körper. Ich versuche zu identifizieren, wo die Quelle dieser Wärme ist, bis ich einen leichten Druck an meiner Hand spüre. Ich versuche meine Augen zu öffnen, muss den ersten Versuch abbrechen, da ich fürchterliche Kopfschmerzen habe. Beim zweiten Versuch schaffe ich es, meine Augen zu öffnen und sehe um mich rund herum nur weiß. Bin ich doch tot?
"Mia! Oh mein Gott, du bist wach.", nehme ich Łukasz seine zittrige Stimme war. Langsam drehe ich meinen Kopf zu ihm und schaue ihn an. Gerötete Augen, verwuschelte Haare und eine einzelne Träne, die über seine Wange rollt. "Łu.", sage ich leise, "Was ist passiert?" "Du bist weg gerannt, weil Roman und ich uns gestritten haben. Wir haben uns dann aufgeteilt, um dich zu suchen. Roman hat dich dann gefunden, den Krankenwagen gerufen und mir Bescheid gesagt. Ich bin so schnell es geht, zu euch gerannt. Als ich ankam warst du schon im Krankenwagen, Roman stand völlig aufgelöst an der Seite. Ich, ich habe ihn einfach nur angeschaut. Ich konnte in dem Moment nichts sagen. Dann bin ich nach Hause gefahren, um dir ein paar Sachen zu holen. Und dann bin ich gleich hierher gekommen.", erzählt er mir und muss immer wieder unterbrechen und schluchzen. Ich drücke leicht seine Hand und streiche über seinen Handrücken. "Mia, du bist mit deinem Board gestürzt und hast eine Gehirnerschütterung. Und reichliche Schürfwunden. Und du warst...betrunken. Ich will dich nicht vollmeckern oder so, aber...warst du im Keller an meinem Schrank?", fragt er ruhig. "Ja, es tut mir leid Łu. Aber ich wusste nicht...es ist gerade so...", fange ich an, doch Łukasz unterbricht mich. "Das machen wir in Ruhe, wenn du wieder zu Hause bist, bei mir.", sagt er sanft, "Ich würde dann auch nach Hause fahren und morgen früh wieder kommen. Brauchst du irgendwas?" Ich schüttel den Kopf. Aber eine Frage habe ich noch. "Wo ist Roman?", frage ich unsicher. "Wahrscheinlich zu Hause. Ich geh dann mal.", sagt er schnell und küsst meine Stirn. 

Als die Tür dann ins Schloss gefallen ist, seufze ich laut. Oh man wie blöd kann ich eigentlich sein? Plötzlich bewegt sich etwas unter meinem Bett und Roman kommt hervor gekrochen. "Was machst du denn hier?", frage ich erschrocken. "Sorry Mia. Ich war schon vor Łukasz da. Ich bin direkt dem Krankenwagen hinterher gefahren. Und als er dann gekommen ist, wusste ich nicht, wo ich hin sollte. Dass er ganze drei Stunden da bleibt, konnte ich ja nicht wissen, sonst hätte ich mir ein anderes Versteck gesucht. Ein bequemeres.", sagt er und schmunzelt am Ende leicht. Auch ich muss schmunzeln, als er so verlegen von seiner Aktion erzählt. Wir reden noch ein bisschen über alles mögliche. Natürlich auch viel über Łukasz. "Ich wüsste zu gerne, was mit ihm los ist.", sagt er leise und schaut nach unten. Ich wüsste ja, was mit ihm los ist. Aber soll ich ihm das jetzt einfach sagen? Ich kann doch nicht einfach sagen, was Łu für ihn fühlt. Oder doch?


Ich hoffe das Kapitel gefällt euch!
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~M💛

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