Kapitel 46

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(Mia)

Zwei Wochen war ich jetzt bei meinen Eltern eingesperrt. Und es war die Hölle! Natürlich, was erwartet man auch, wenn man gegen seinen Willen in ein Auto gezerrt wird und mit zurück zu seinen Eltern muss. Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe tatsächlich geschafft, das Schloss der Tür zu knacken. Wie im Film, mit einer Büroklammer. Auch wenn bei mir mehr als nur eine daran glauben musste. Nur hat meine Mutter schnell gemerkt, dass die Tür auf war und hat sie sofort wieder verschlossen.
Jetzt warte ich bis es tief in der Nacht ist, damit ich ungestört abhauen kann. Aber nicht nur vor meinen Eltern, sondern auch vom Jugendamt. Klingt verrückt? Ihr werdet es schon verstehen.

Rückblick

Wie immer sitze ich auf meinem Bett und versuche mich irgendwie zu beschäftigen. Ich muss hier raus, sonst drehe ich durch. Ich rede ja schon mit der Wand. Lange halte ich das nicht mehr aus. Es muss jetzt zwischen 15:00 und 16:00 Uhr sein, da der Duft von frischem Kaffee wahrzunehmen ist. Das ist das einzig gute an diesem eingesperrt sein. Die Sinne verschärfen sich, zumindest mein Geruchs- und Gehörsinn. Ich lausche dem Klirren des Geschirrs, dem Gemurmel meiner Eltern, der Musik die aus dem Radio zu hören ist.
Plötzlich zucke ich zusammen, als das laute Schellen der Klingel ertönt. Meine Mum öffnet die Tür und fragt: "Kann ich ihnen helfen?" "Guten Tag Frau Jansen. Schubert mein Name, ich bin vom Jugendamt. Ich würde gerne mit ihrer Tochter sprechen.", sagt eine Frau. "Wieso, wenn ich fragen darf?", meint Mama schnippisch. "Wir haben Informationen von Kollegen erhalten, dass Mia hier schlecht behandelt wird. Ich möchte mir gerne ein Bild davon machen.", meint diese Frau Schubert und schon nähern sich Schritte meiner Zimmertür. "Frau Jansen, können sie mir erklären, warum die Tür abgeschlossen ist?" "Sie wollte ihre Ruhe haben und die hat sie bekommen.", lügt meine Mum. Ich hoffe einfach, dass diese Frau nicht komplett dumm ist, so wie Frau Richter und das nicht glaubt. Die Tür öffnet sich und eine nett aussehende Frau kommt hinein. "Hallo Mia.", begrüßt sie mich freundlich. "Hallo.", gebe ich emotionslos zurück. "Wie geht es dir denn?" "Beschissen.", meine ich ehrlich und lasse mich in das Kissen fallen, "Woher haben sie die Informationen?" "Ist denn das so wichtig?", fragt sie sanft, worauf ich nur nicke, "Aus Dortmund." Sofort setze ich mich auf und schaue sie mit großen Augen an. War Łukasz dort? Hat er gesagt, dass es mir hier wahrscheinlich nicht gut geht? "Mia, du musst jetzt ehrlich sein. Wie geht es dir hier? Erzähl mir bitte alles! Nur so können wir dir helfen, sollten die Vermutungen stimmen.", sagt sie in einem ernsten Ton, ist aber dennoch rücksichtsvoll. "Es war schon immer so, dass sie mich vernachlässigt haben. Ich war gut in der Schule und es hat keinen interessiert. Ich wurde gemobbt und meine Eltern waren nicht für mich da. Dann dieser blöde Polenurlaub! Ich habe es nicht mehr ausgehalten, bin abgehauen. Dann haben sie mir geschrieben, dass ich nicht mehr zur Familie gehöre. Und auf einmal stehen sie vor der Tür und nehmen mich mit, sperren mich hier ein. Wie es mir geht ist ihnen egal, Hauptsache sie bekommen das Kindergeld. Ich sitze jetzt seit zwei Wochen hier und ich will nicht mehr!", rede ich mich in Rage. Frau Schubert schaut mich geschockt an. "Mia, das tut mir wirklich leid. Kein Kind hat das verdient. Wir werden alles tun, um ihnen das Sorgerecht zu nehmen. In der Zeit wirst du in einer Pflegefamilie untergebracht." Was? Nein! Ich will nicht in irgendeine Familie, ich will zu Ltu! "Kann ich mir die aussuchen?", stelle ich vorsichtig die Frage. "Wenn diese Familie dazu bereit wäre, dann natürlich. Hast du etwa eine im Visier?" Ich nicke schnell. "Zu Łukasz Piszczek. Ich war die letzten zwei Monate bei ihm und er hat sich sehr um mich gekümmert. Bitte!" Frau Schubert schaut mich an, muss sich ein kurzes Auflachen verkneifen. "Łukasz Piszczek? Der Fußballer? Oh Mia, du musst ganz schön gelitten haben. Wir werden eine gute Familie für dich finden. Verlass dich drauf. Und halt die Ohren steif.", meint sie und verabschiedet sich dann. 
Ich kann es nicht glauben. Die glaubt mir nicht. Es ist zwar schon schwer die Sache mit Łukasz zu glauben, aber warum sollte ich denn in der Situation lügen? Ich pack das nicht. Heute Nacht bin ich weg!
Wie damals in Polen ist es mitten in der Nacht und ich warte auf den richtigen Moment, mich hier raus zu schleichen. Drei Uhr nachts lege ich dann los. Es dauert nicht lange, da habe ich die Tür tatsächlich aufbekommen. Bevor ich mich endgültig aus dem Staub mache, suche ich noch meine Tasche. In der Küche finde ich sie und will mir für den Weg noch was zu Essen mitnehmen. Im Schrank fällt mir ein Briefumschlag entgegen auf dem groß "Kindergeld" steht. Ohne zu überlegen stecke ich das Geld ein. Ist ja schließlich nur dank mir hier. Dann schnappe ich mir eine Packung Kekse und meine Tasche und verlasse die Wohnung.

Rückblick Ende

Jetzt sitze ich im Zug nach Leipzig. Von dort aus nehme ich dann den nächsten Zug nach Dortmund und dann will ich nur noch zu Łu. Will er mich überhaupt sehen? Fängt er an zu weinen?  Ich weiß es nicht, aber ich hoffe einfach, dass dann alles gut wird.
"Nächster Halt Leipzig Hauptbahnhof", ertönt die Durchsage. Schnell steige ich aus und suche den Gleis, von welchem aus der Zug fährt. Ich war oft hier, aber heute wird es das letzte Mal sein. Mit einem entschlossenen Schritt steige ich in den Zug und setze mich ans Fenster. Müde fallen mir die Augen zu und ich weiß, dass ich, wenn ich aufwache kurz vor Dortmund sein werde. Und dann bin ich endlich wieder zu Hause!



Ich hoffe das Kapitel gefällt euch!
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~M💛

Wie ein Vater!? Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt