Kapitel 86

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(Roman)

Nachdem Mia abgehauen ist, stand ich da und wusste nicht was ich tun soll. Mir kamen sofort so viele Gedanken. Wie erzählt sie es ihm? Was erzählt sie? Glaubt er es? Spricht er die drei Worte aus, die mich auf den Boden werfen werden und mich nach unten drücken?
"Roman? Was will Mia damit sagen?", fragt Mama leise und legt ihre Hand auf meine Schulter. "Die Wahrheit.", kommt es als Hauch von Stimme aus mir heraus. Am liebsten würde ich jetzt losheulen, mich einfach fallen lassen. Aber es geht nicht. Ich kann nicht! Ich hab zu viel Angst.
Angst...das ist es. Angst davor weggestoßen zu werden. Angst davor, dass ich mit Łu keine gemeinsame Zukunft verbringen darf. Angst davor mich zwischen ihm und meiner Familie entscheiden zu müssen. Angst am Ende alleine zu sein.

"Roman das stimmt nicht und das weißt du auch. Was ist los?", fragt Mama weiter. "Nichts. Ich war nur verwirrt und dann sagt man Dinge, die man gar nicht so meint.", versuche ich mich raus zureden, "Wollen wir nach Hause fahren?" Mama schaut mich mitfühlend an, ruft dann Papanund Marco und wir fahren zu mir nach Hause. Dort fängt Mama an in meiner Küche hin und her zu rennen. "Was brauchst du denn?", Frage ich verwirrt. "Mehl, Milch und alles was man für einen Kuchen braucht. Ich werde jetzt backen und keine Widerrede. Du brauchst etwas, was dich glücklich macht!", sagt sie und lächelt mich an. Auch ich muss schmunzeln. Mama ist einfach der Hammer. Wie damals als ich klein war helfe ich ihr dabei und ich werde wirklich etwas abgelenkt.

Nachdem wir etwas spät dann Kaffee getrunken und Kuchen gegessen haben, wollte Marco unbedingt Fifa spielen. Also setzte ich mich mit ihm vor den Fernseher und fangen an zu zocken. Mama und Papa bleiben in der Küche und unterhalten sich. "Sag mal Marco. Was hast du eigentlich gegen Łukasz?", frage ich während wir das erste Spiel spielen. "Keine Ahnung. Ich kann mich mit ihm einfach nicht anfreunden. Vielleicht irre ich mich auch. Wie findest du ihn denn? Du siehst ihn ja jeden Tag beim Training.", meint Marco. Wie ich ihn finde? Hinreißend, atemberaubend, wundervoll, einmalig, es gibt so viele Worte die ich jetzt sagen könnte. "Ich äh finde ihn...", fange ich an, doch Marco unterbricht mich. "Ha da ist das 1:0!", freut er sich, "Sorry, du wolltest was sagen." "Ja ich finde ihn nett. Er lebt für den Sport, ist ein liebevoller Vater. Ein super Fußballer natürlich auch.", sage ich und in mir kribbelt alles. Gott, dieser Junge macht mich so fertig. Ich brauche ihn, ich will mich jetzt liebend gerne an ihn kuscheln. Ihm geht es bestimmt auch nicht besser. Wahrscheinlich liegt er in seinem Bett und weint. Ich hoffe Mia ist bei ihm und für ihn da. Auch wenn sie ihm alles erzählt, dann muss ich damit leben, dass es sehr wahrscheinlich vorbei sein wird. "Roman du spielst gar nicht richtig. So macht das kein Spaß.", beschwert sich Marco und schaut mich an. Als er mein Blick sieht, rutscht er näher an mich ran und legt seinen Arm um mich. "Hey Großer, was ist denn los? So kenne ich dich gar nicht.", fragt er. "Bin ich komisch Marco?", nuschel ich leise. "Was? Nein, wie kommst du denn darauf? Du bist du. Du bist Roman. Der beste Bruder den man wünschen kann. Offen und ehrlich.", lacht er mich an. Offen und ehrlich? Wenn er wüsste, dass er sich so in seinem Bruder irren kann. "Danke Marco.", sage ich und schaue ihn an. "Nicht dafür. Dafür bin ich schließlich da.", grinst er und geht nach oben. "Ich gehe schlafen Roman. Bis morgen und mach dir nicht so viele Gedanken.", sagt er, wünscht Mama und Papa noch gute Nacht und geht nach oben.

Lange warte ich auch nicht mehr damit und gehe wenige Minuten später ins Bad und dann ins Bett. Dort ist es wie die letzten Tage auch. Ich liege wach, schaue mir Bilder von mir und Łu an. Wie wir in die Kamera lachen, wo die Welt noch in Ordnung war. Bilder, wo ich meine Arme von hinten um ihn lege und meinen Kopf auf seiner Schulter bette. Man sieht einfach sofort wie glücklich wir sind. Wie glücklich wir waren. Hat er die Bilder noch? Oder hat er sie gelöscht? Seufzend hole ich den Schlüsselanhänger aus meinem Nachtschrank und schaue ihn an. Dieser Abend war einfach wunderschön. Unseren ersten Monatstag zusammen zu verbringen, sein Lächeln, seine Berührungen, wenn er mir durch die Haare streicht, alles ist einfach so voller Liebe. Und ich mache das alles kaputt, weil die Angst alles andere unterdrückt. Mein Handy piept, Mia hat geschrieben.

M: Es tut mir leid wegen heute. Es war nur so...traurig. Du liebst ihn doch! Warum lügst du ihn an und verheimlichst deine Gefühle vor deinen Eltern? Roman, es sind deine Eltern, sie lieben dich egal was ist. Hör dir das hier mal an.

Sie schickt mir einen Link zu einem Video. Aber das Lied kenne ich doch. Das ist dieses "No Matter what", was auch heute im Radio lief.

R: Mia..ich weiß selbst nicht, warum ich das gemacht habe. Aber ich habe einfach Angst zwischen Łu und meiner Familie zu stehen. Hast du es ihm erzählt, was heute passiert ist?

M: Nein, ich habe überlegt ob ich es machen soll, aber Papa leidet schon genug. Aber spätestens wenn du dich bei ihm entschuldigst, musst du ihm auch von dieser Situation erzählen.

R: Warum hast du mich nicht verraten?

M: Es ist deine Aufgabe ihnen zu sagen, was du fühlst, nicht meine. Schlaf gut Roman

R: Du auch. Und danke.

Ich höre mir das Lied an, höre auf den Text, auf diese Stimme die tief aus der Seele kommt.

Ich rannte nach Hause, ich sah meine Mutter, es stand mir ins Gesicht geschrieben.
Ich fühlte, als hätte ich ein Glasherz kurz vorm Brechen.

Sie sagte: "Ich liebe dich egal was ist. Ich will nur, dass du glücklich und immer so bist, wie du bist."
Sie schlang ihre Arme um mich, sagte: "Versuche nicht zu sein, was du nicht bist. Weil ich dich liebe egal was ist."

Ich höre dieses Lied einmal, zweimal in immer und immer wieder. Irgendwann fange ich an zu weinen und zu schluchzen, vergrabe meinen Kopf in meinem Kissen und zittere am ganzen Körper. Die Tür geht auf und meine Mutter setzt sich neben mich, legt ihre Hand auf meine Schulter und streichelt darüber. "Roman, es reicht jetzt. Ich kann es mir nicht mehr mit ansehen. Was ist los?", fragt sie leise. "Ich...ich...", fange ich an, stoppen aber ab. Ich bin schwul und mit Łukasz zusammen! Komm schon Roman, es kann so einfach sein!
"Ich..ich kann nicht...."



Ich hoffe das Kapitel gefällt euch!
Lasst gerne Feedback da :)
~M💛



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