des Menschen größte Angst

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Also saß ich nun hier. In einem kleinen Bus des Borussia Dortmund, als Trainerin der F Junioren und starrte aus dem Fenster. Wieso auch nicht?

Die Kinder schliefen alle und dadurch, dass wir nicht mit vierzehn Acht-jährigen, Halbstarken nach Bayern fliegen konnten, mussten wir wohl oder übel sechshundert Kilometer via unseres kleinen Mannschaftbusses nach München fahren. Das schlimmste daran war definitiv nicht die volle Autobahn.

Das schlimmste daran war definitiv die unendliche Zeit zum Nachdenken. Menschen sollte man keine Zeit zum Nachdenken bieten. Menschen dachten zu viel nach. Über die Vergangenheit, über die Zukunft. Über ihre Pläne, über Dinge, die sie ändern wollten.

Ich seufzte schwer, sah mich nochmal um und blickte dann aus dem Fenster. Ich wusste nicht, wieso Menschen immer so sehr Angst vor der Stille hatten. Egal was es war, man würde immer ein peinliches Schweigen umgehen und egal wie schön der Anblick war, man versüßte ihn sich immer mit Kopfhörern in den Ohren.

War denn die Stille so angsteinflößend? Ich wusste es nicht. Ich hatte keine Ahnung, aber was ich wusste war, dass ich Angst davor hatte, dass ich noch einmal Fehler machen würde.

Menschen strebten immer danach, perfekt zu sein. Klappte es aber ohne Fehler durch das Leben zu treten? Eher nicht, oder?

Als dann mein Handy klingelte, schreckte ich hoch und sah auf den Bildschirm. Er zeigte einfach nur eine Nummer, weshalb ich erst nicht abnehmen wollte.

Aber als mir einfiel, dass ich Jonas meine Nummer gegeben hatte und dass ich seine neue Nummer nicht hatte, da er sich sicher gerade ein neues Handy gekauft hatte, ermutigte ich mich doch und ging ran. "Ist meine Wohnung abgebrannt? Nein, noch schlimmer: gibt's einen Rohrbruch?"

Jonas am anderen Hörer lachte einfach nur monoton auf. "Nein, eigentlich wollte ich nur eine Erklärung für dein Verschwinden heute Morgen und wieso du das Weltallerbeste Rührei unangetastet lassen hast."

Ich seufzte wieder, versuchte ernst zu bleiben, musste dann aber doch lachen. "Oh. Tut mir leid!" Irgendwie fand ich das gerade so unglaublich lustig, dass ich mich kaum einbekam.

"Naja, wie dem auch sei." Er seufzte und mache eine kurze Pause. "Wo bist du?" Humorlos lachte er auf und ich konnte mir sein verlegenes Kratzen am Hinterkopf extrem gut vorstellen.

"Ich bin auf den Weg nach München." Erklärte ich einfach nur Wahrheitsgemäß und starrte aus dem Fenster. Ich hasste den Frühling. Er war einfach nur ekelhaft nass und grau.

"Allein?"

"Nein, mit meiner F-Jugend." Ich zuckte mit den Schultern, was ich im Nachhinein ziehmlich lächerlich fand, er konnte mich ja nicht sehen.

"F-Jugend?"

"Ach Jonas, das wird mir jetzt zu anstrengend. Ich erklär dir das Morgen." Und damit legte ich auf und seufzte laut. Wen hatte ich da nur an der Angel?

"Mit wem hast du da gerade telefoniert, Leo?" Liza schaute mich mit ihren unglaublich süßen Knopfaugen an, lächelte sanft und stand auf, um sich neben mich zu setzen.

Ich musste schmunzeln, machte neben mir Platz und lächelte sie ebenfalls an. "Mit einem..." Ich stoppte kurz, um kurz nach zu denken. "Kollegen."

Dann zuckte ich mit den Schultern und lehnte mich zurück in meinen Sitz. Vielleicht war das auch die größte Angst des Menschen. Vielleicht hatten wir alle einfach nur Angst, etwas falsches zu sagen, weil wir Angst hatten, dass das Schicksal ganz andere Pläne mit uns hatte.

Wie auch immer es war, ich wusste nicht mehr, ob ich Jonas einen Kumpel nennen konnte.

"Einen aus der Nationalmannschaft?" Mit großen Augen sah sie mich an. Ihre braunen Augen funkelten nur so vor Aufregung und Neugierde.

Ich nickte nur, lachte amüsiert auf. "Rate mal, mit wem." Ich musste breit Grinsen. Natürlich würde sie gleich ganz laut Jonas rufen. Er war ihr Lieblingsspieler.

"Jonas?" Fragte sie kleinlaut und sobald ich nickte, rastete sie innerlich total aus. Von außen tat sie natürlich auf total cool.

Kinder halt.

Doch sobald ich ihr erzählt hatte, dass Jonas sogar zur Zeit bei mir in der Wohnung saß und sich an meinem Kühlschrank bediente, war bei ihr alles Vorbei.

Aber es war nicht schlimm, schließlich konnten Kinder noch nicht zwischen Mut und Angst unterscheiden.

•••

Hey Jo, Fußballfreunde! Alles fit im Schritt?

Ich möchte kurz etwas erwähnen: DERBYSIEGER WHOOOOOOOOO

Ok. Reicht dann auch. Ich habe so rumgeschrien und so gelacht... Bayern besiegt, Schalke besiegt, Tabellenführer - was will man mehr?

Ich hoffe euer Verein hatte diese Woche auch so viel Glück?

Es könnte UNS geben, doch es gibt SIE.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt