nur ein Titel

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"Kleine, alles okay?" Jonas setzte sich neben mich, starrte mich an und ich streckte ihm nur mein Handy entgegen. Dort hatte ich mir gerade Minute um Minute den selben Artikel über den Anschlag auf unseren Bus durchgelesen und immer und immer wieder konnte ich nicht fassen, wie Verdammt ekelhaft Menschen doch waren. "Scheiße..." jammerte Jonas und legte einen Arm schützend um mich. Ich nickte nur und seufzte.

"Und jetzt bin ich wieder allein." Flüsterte ich dann in mich hinein, doch Jonas schüttelte den Kopf und sah mich beunruhigt an.

"Es gibt immer jemanden, der für dich da ist, der auf dich aufpasst."

"Mein Vater ist tot." Flüsterte ich wieder und reagierte nicht auf Jonas' Anspielung. Für mich war mein Vater alles gewesen, doch das Schicksal nahm mir mein Alles und jetzt war es dabei, mir auch den letzten Rest meines mickrigen Lebens zu nehmen. Dass Jonas bei seiner Aussage sich gemeint haben könnte und er mich damit eigentlich klar machen wollte, dass er immer für mich da war und dass er auf mich aufpassen würde, verdrängte ich, komplett im Gedanken daran, dass nächste Woche der Todestag meines Vaters sein würde.

"Es tut mir leid, dass ich Frage, aber van Basten-"

"Ist nicht mein Vater." Murmelte ich stur. Dann sah ich wieder auf mein Handy, dass mir sagte, dass es mittlerweile schon zwei Uhr morgens war und dass ich eigentlich so langsam schlafen gehen sollte. Ebenso die Jungs auch, die morgen gegen Argentinien spielen würden.

"Du trägst seinen Namen." Bemerkte Jonas, sah mich verwirrt an und auch bei ihm sah man, dass es mittlerweile schon morgens war und dass wir alle Schlafmangel hatten. Schlafmangel, der uns ganz schön zu schaffen machte. Schlafmangel, der uns wie Tiere werden ließ. Tiere, die aufeinander einschlugen.

"Ich trag diesen Namen ungern..." grummelte ich, dachte daran, wie Marco van Basten jetzt irgendwo in den Niederlanden in seiner fetten Villa liegen würde und jede Frau anmachen würde, die bei drei nicht auf einem Baum saß.

"Beim Herren da oben, das musst du mir jetzt erklären. Ich bin richtig raus." Murmelte der Verteidiger und sah sich verwirrt um, ehe er sich zurück lehnte und sich tief in die Lehne des Sessels fallen ließ.

"Van Basten ist nicht mein Vater." Begann ich, schüttelte den Kopf. "Also eigentlich schon, irgendwie. Er ist mein Erzeuger." Begann ich und sah den Verteidiger an, der immer noch nicht ganz mitkam. "Mein Vater ist gestorben. Van Basten hat meine Mutter verlassen, als ich zwei Jahre alt war. Dann lernte sie meinen Vater kennen und seit dem ist van Basten van Basten und mein Vater... Mein Vater." Erklärte ich, mit dem Hintergedanken, dass der Titel Vater nur ein Titel war, den Menschen sich verdienen mussten und van Basten hatte ihn definitiv nicht verdient.

Jonas nickte also, sah mich an und grummelte: "Van Basten ist aber ein echt geiler Kerl." Protestierte er dann und wies auf van Bastens Trainerkarriere hin.

"Aus menschlicher Sicht ist er einfach nur ein miserables Arschloch." Sagte ich unbeeindruckt, starrte an die Decke und überlegte, ob ich es rechtzeitig hier weg schaffen würde, um meinem Vater Blumen an das Grab bringen zu können.

"Du musst es ja wissen." Lachte Jonas und stand auf, als er merkte, wie schläfrig er wurde. "Ist eben nur 'n Titel, den man sich verdienen kann." Behauptete er dann und ich lächelte breit. Der Kerl hatte genau meine Ansichten und dafür hätte ich ihn küssen können.

Hätte, hab ich Aber nicht, weshalb ich auch nur Aufstand und einen Schritt von ihm weg machte, weil ich mich umziehen und schlafen gehen wollte.
"Genau so wie Schlaubi Schlumpf, da gehört auch unglaublich viel zu, um sich diesen Titel zu verdienen." Kicherte ich und Jonas drehte sich empört um.

"Ist das jetzt gut, oder schlecht?" Lächelte er leicht verlegen, weil er nichts mit meiner Aussage anfangen konnte. Doch ich zuckte nur mit den Schultern.

"Such dir was aus."

Es könnte UNS geben, doch es gibt SIE.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt