Die Satansweiber

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Angst ist das grundlegendste, das menschlichste Gefühl. Als Kinder haben wir vor allem möglichen Angst. Vor der Dunkelheit, vor den Monstern unterm Bett. Und wir beten, dass der Morgen kommt und dass die Monster verschwinden. Doch das tun sie nie. Nicht wirklich. Fragt mal Jason Blossom. Nie hätte ich gedacht, dass ich jemals bei Betty im Wohnzimmer sitzen und mit ihr und ihrer Mutter gemeinsam Pancakes essen würde. Ich war noch nie bei Betty, wenn ihre Eltern da waren. Ihre Mutter mochte mich nicht, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht war es, weil ich dunkle Kleidung trug und eine Außenseiterin war. Vielleicht lag es auch an meiner Liebe für Serienkiller. “Also, Sierra, dir haben wir also Bettys anhaltende Besessenheit von dieser Jason Blossom Fledderei zu verdanken.“, begann Mrs Cooper und sah mich streng an. Sofort hörte ich auf zu kauen und sah zu Betty.

“Ehrlich gesagt, Mum, ich hab Sierra gebeten mir beim Schreiben für die Blue and Gold zu helfen.“, erklärte Betty mit verschränkten Armen. Mrs Cooper begann zu lachen.

“Ganz ruhig, Betty. Das ist doch nur eine Konversation.“

Betty sah mich kurz an. Mein Zeichen.
“Ich müsste mal ins Badezimmer.“, sagte ich dann und stellte das Glas auf den Tisch, aus dem ich zuvor getrunken hatte.

“Komm, ich zeig's dir.“, sagte Betty fröhlich und stand sofort auf.

“Nein, nein. Ich zeig's ihr.“ Mrs Cooper stand auf und sah mich lächelnd an. “Ich geh mal vor. Sierra.“ Ich atmete durch und folgte Mrs Cooper dann.

~

Noch etwas Lustiges über Angst: Manchmal wird sie mit uns zusammen größer. Oder sie kauert in uns, zieht sich fest um unsere Eingeweide. In jedem Herbst veranstaltet die Riverdale High eine Talentshow. Die Schüler nehmen das sehr ernst. Doch statt wie Archie vor Lampenfieber einzugehen, schauten Betty, Jughead und ich uns im Blue-and-Gold-Büro an, was sie gefunden hatte. “Die Schwestern der stillen Gnade.“, las sie vor, was sie fotografiert hatte. “Was ist das? Ein Kirche? Oder ein Verein?“
Schnell tippte ich es in die Suchmaschine ein und gelangte auf eine Website.
“Nein. Es ist ein Heim für schwierige Jugendliche.“, erklärte ich.

“Wo Jugendliche wieder wichtige Werte lernen, wie Disziplin und Respekt, während sie ein Leben voll stiller Reflexion und Unterwerfung genießen.“, las Jughead den Text laut vor. Betty seufzte hörbar auf.
“Arme Polly.“

~

“Das geht schon Monate so. Es muss einen Grund geben, warum Bettys Eltern ihr verbieten Polly zu sehen.“, sagte ich nachdenklich und biss in einen Apfel.

“Aber es ist mir mittlerweile egal.“, kam es von Betty.

“Worüber redet ihr drei?“, fragte Archie, der mit uns draußen am Tisch saß. “Kann ich euch vielleicht helfen?“

“Naja, das ist sowas wie 'ne verdeckte Operation, Archie. Da können wir nicht mit der gesamten Scooby-Gang auftauchen, sonst fliegen wir auf.“, kam es von Jughead.

“Hast du nicht 'ne Probe? Für die Talentshow, Archie?“, fragte ich neugierig. Archie wechselte kurz einen Blick mit Valerie, die neben ihm saß.

“Nein, hab ich nicht.“, sagte er schließlich.

“Doch, Archie. Das hast du. Dank einer gewissen Veronica-ex-Machina.“, sprach Veronica und setzte sich zwischen Archie und Valerie.

“Was soll das heißen?“, fragte Valerie verwirrt.

“Ach, dass ich mit dem Regisseur/Moderator geredet hab, um ihn zu erinnern, dass er dich vorher schon singen gehört hat.“

“Auch wenn es meine künstlerische Integrität verletzt.“, warf Kevin ein, was mich leicht auflachen ließ.

“Kurz gesagt: Du hast einen Platz, wenn du ihn willst.“

“Und wieder hat der Hurricane zugeschlagen...“, murmelte ich leise, was Jughead zum lachen brachte.

“Veronica, danke, aber du hast gesehen, was passiert ist.“ , begann Archie.

“Haben wir alle.“, kam es von Kevin.

“Euch meine Songs vorzuspielen ist eine Sache, aber allein auf der Bühne zu stehen ohne jede Hilfe, ich weiß nicht, ob ich das bringe.“

“Wenn du eine Partnerin suchst, also Veronica Lodge ist mehr als bereit und fähig.“ Ungläubig sah ich Madame Wichtig an.

“Veronica, ich wusste gar nicht, dass du singen kannst?“, sagte ich lachend.

“Wie eine Nachtigal.“, entgegnete sie. “Was sagst du, Archielein? Bist du der Jay zu meiner Bey?“ Archie schien zu überlegen. Dann nickte er lachend.

~

Während Betty und Jughead zu Polly fuhren, saß ich bei der Talentshow fest, weil ich Fotos machen sollte. Ich war mehr als verwundert, als ich sah, dass Veronica bei den Pussycats mitsang, doch ich stellte fest, sie konnte tatsächlich singen. Nachdem alle applaudiert hatten, begab ich mich hinter die Bühne. “Eins muss man dir lassen, V. Du kannst wirklich gut singen.“, sagte ich. Grinsend sah sie mich an.

“Hast du was anderes erwartet?“, fragte sie selbstbewusst. Lachend schüttelte ich den Kopf und sah dann zu Archie, der nervös auf seine Gitarre starrte. Vorsichtig ging ich auf ihn zu. “Wie hälst du dich?“, fragte ich ihn leicht lächelnd.

“Die Aussicht auf 'ne völlige Blamage vor der gesamten Stadt ist ein wenig furchteinflößend.“

Aufmunternd sah ich den Rotschopf an. “Brauchst du Gesellschaft da draußen? Veronica is bestimmt noch hier.“, begann ich.

“Mehr als alles andere. Aber ich muss es alleine tun, Sierra.“

Ich nickte lächelnd.
“Tja, falls du da draußen erstarrst, konzentrier dich auf jemanden, der dir Sicherheit gibt.“, sagte ich.

“Hier ist Archie Andrews!“, hörte ich Kevin ins Mikrofon rufen.

“Das ist mein Stichwort, um tolle Fotos von dir zu schießen.“, lachte ich. Archie lachte ebenfalls. “Raus mit dir.“, sagte ich noch und ging von der Bühne. Die Leute applaudierten, während Archie sich auf den Hocker vor das Mikro setzte. Er wirkte sichtlich nervös, was die Sportler nicht übersahen. “Bleib beim Football!“, rief Reggie belustigt von hinten. Ich stellte mich in Position, nahm die Kamera in die Hand und sah Archie lächelnd an. Archie holte tief Luft und sah mich kurz an. Aufmunternd nickte ich. Er schloss die Augen und begann zu spielen. Und es war einer der schönsten Songs, die ich je gehört hatte.
Nach seinem Auftritt applaudierte und jubelte der Saal wie verrückt. Archie ging strahlend von der Bühne und wurde sogar noch auf dem Schulflur von allen bejubelt.

Das ist so ein Ding mit der Angst. Sie ist immer da. Die Angst vor dem Unbekannten. Die Angst sich einer Sache allein zu stellen. Die Angst, dass die, die dir am Nächsten stehen, die wahren Monster sind. Die Angst, dass sobald du ein Monster erledigt hast, schon das nächste darauf wartet seinen Platz einzunehmen. Die Angst, dass noch ein Monster am Ende des Flurs auf dich wartet. Polly war irgendwo da draußen, alleine, von Trauer erfüllt und haltlos. Wo wollte sie hin? Und was hatte sie vor?

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