Die letzte Nacht der Titanic

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Stirnrunzelnd beobachtete ich wie Kevin die Kamera einstellte und sich dann neben mich setzte. In seiner Hand hielt er das Script für das Schulmusical. Es gab jedes Jahr eins und nie hatte ich mitgemacht. Es war nicht mein Ding vor so vielen Leuten aufzutreten. Das überließ ich lieber anderen. "Sierra, danke, dass du dir für mich Zeit nimmst.", sagte Kevin.
"Hör zu, Kev. Ich weiß, was du willst.", unterbrach ich ihn, weil ich vermutete, dass er mich überzeugen wollte mitzuspielen. Er versuchte es jedes Jahr, doch ich hatte bis jetzt noch nie eingelenkt. "Ich mache eine Dokumentation über unsere Produktion von Carrie das Musical. Das wird 'ne Bombe. 70er Glamour wie der Sissy Spacek Film. Und du wirst unsere Videofilmerin."
Lächelnd sah ich ihn an.
"Bin am Start.", sagte ich. Kevin neben mir grinste triumphierend.

Ich richtete die Kamera auf die anderen, die sich in einen Stuhlkreis gesetzt hatten. "Ich bin Archie, ich spiele Tommy Ross, den Nachbarsjungen.", stellte Archie sich vor, weil Kevin darum gebeten hatte.
"Ich bin Betty, ich spiele Sue Snell, das gute Girl."
"Veronica Lodge, ich spiele die Zicke Chris Hargensen."
Diese Rolle passte ja wie Faust aufs Auge.
"Ich bin Cheryl Blossom, ich spiele die umwerfende Carrie White.", strahlte Cheryl und erhob sich sogar. Allerdings wusste ich nicht, ob sie das Buch je gelesen hatte, denn Carrie war gar nicht so umwerfend wie sie dachte.
"Wer spielt deine Mutter, Margaret White?", fragte Ethel.
"Die spiele ich.",ertönte es von Mrs Cooper. Belustigt richtete ich die Kamera auf sie.
"Ist das ihr ernst?", fragte Ethel.
"Komm runter. Ja, ja es ist unüblich, aber es gibt nichts amateurhafteres als einen nicht dem Alter entsprechenden Cast.", erklärte Kevin. Wie auch immer er darauf kam, ich feierte es und konnte nur schwer ein Lachen unterdrücken.
"Ich freu mich darauf, herauszufinden wer diese Frau ist, ihr irgendwie unter die Haut zu kriechen.", warf Mrs Cooper aufgeregt ein. "Und natürlich etwas Zeit mit meiner Tochter zu verbringen."
Weniger begeistert lächelte Betty.
"Entschuldigt, ich dachte, die Probe ist im Musikraum.", kam es von Chuck, der die Aula betrat und sich zu uns gesellte. Kevin winkte ab.
"Ach, kein Problem. Hier sind alle herzlich Wilkommen."

Nach den Proben knöpfte ich mir jeden einzelnen vor, um Informationen für die Dokumentation zu kriegen.
"Also, Chuck Clayton. Warum wolltest du bei dem Musical mitmachen?", fragte ich neugierig und richtete die Kamera auf den Jungen.
"Ich muss mein Image ein bisschen aufpolieren. Und ja, ich weiß, es ist bestimmt unlogisch jetzt den Bösen zu spielen, aber ich mein, jemand muss es doch tun. Und ich hoffe, es wird gut. Ich will mich reinhängen. Ich will dabei sein. Zum Team gehören. Und wer weiß, vielleicht ändern die Menschen dann wieder ihre Meinung über mich.", erklärte er.
Da er mich langweilte, ging ich hinter die Bühne zu Betty und Archie.
"Schon komisch, huh? Dass wir beide den Freund und die Freundin spielen.", meinte Archie.
"Vorsicht, Archie. Big Brother is watching you.", witzelte ich.
"Nein, ich mein nur. Zwischen uns fünf ist es grad ein bisschen angespannt. Aber wir sind für Kevin hier und um zu spielen. Und das machen wir so gut wir können, okay?", stellte Archie klar und lachte nicht über meinen Witz.
"Archie, Veronica hat uns angelogen. Jeden von uns. Und dich eingeschlossen. Ein Komplott mit ihren Eltern gegen die ganze Schule? Ich mein, ich versteh schon, dass du ihnen zur Seite stehst und sie verteidigst, genau wie Tommy Ross das tun würde. Aber so wie ich das sehe, ist Veronica genauso ein privilegiertes egoistisches gemeines Mädchen wie die Rolle, die sie spielt.",sagte Betty, was mich beeindruckt die Augen weiten ließ. Bis vor ein paar Tagen hätte sie Veronica noch verteidigt. Dieses Mal aber schien sie es nicht zu tun.

Nachdem ein Sandsack beinahe Cheryl auf der Bühne platt gemacht hatte, gingen Kevin und ich in einen Klassenraum, da er unbedingt etwas erzählen wollte. Vorsichtig stellte ich die Kamera ein und wartete, was er zu sagen hatte. "Ich muss ein düsteres Geständnis machen. Nach Cheryls Begegnung heute morgen mit dem Tod, fand ich das hier in meinem Schrank von jemandem, der behauptet, er wäre und ich kann nicht fassen, dass ich das gleich sage, naja Black Hood." Geschockt weiteten sich meine Augen. Augenblick schien alles vor meinen Augen vorbeizuziehen, das ich vor Wochen durchgemacht hatte. Kevin drehte einen Zettel um, auf dem mit ausgeschnittenen Buchstaben eine Nachricht geschrieben wurde.
"Ein Streich. Sehts euch an. Warum sollte Black Hood, der von meinen Vater erschossen wurde, fordern, dass Carrie umbesetzt werden sollte?", fragte Kevin.
"Naja, du hast recht. Das passt irgendwie gar nicht zu Black Hood.", erwiderte ich nachdenklich.
"Ja, dennoch, Sierra. Du... Erzähl keinem davon. Als offizielle Dokumentarfilmer bist du zur Verschwiegenheit verpflichtet. Außerdem, die Show, wie es heißt, muss weitergehen."
Obwohl Kevin recht hatte, dass es Black Hood nicht hätte sein können, breitete sich ein mulmiges Gefühl in meinem Magen aus.

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