8. Austin: Festes Ereignis

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Ich wurde langsam wach, war komplett ruhig und spürte eine Berührung an meinen Haaren.
Zaghaft öffnete ich die Augen, erkannte die Wohnzimmerdecke über mir, spürte einen warmen Körper an meiner Seite.
Weil ich den Kopf dorthin drehte, erkannte ich Boris, der neben mir lag und mir immer wieder durch die Haare strich und an ihnen herumspielte.

„Hei Schlafmütze", lächelte er, als er erkannte, dass ich wach war.

„Wo ist Charlie?", brummte ich in dem Wissen, dass er diese Nähe zwischen Boris und mir niemals zulassen würde.

„Er geht Blutnachschub holen, Silas ist einkaufen, Raphael wie immer in seinem Zimmer"

Ich nickte verstehend, versuchte mich zu erinnern, wie ich hergekommen war, doch konnte es nicht.

Fragend sah ich Boris an und er nickte, auf meine stumme Frage hin. „Raphael hat dich zum Schlafen gebracht. Geht es dir ein bisschen besser?"

Ich nickte.
„Willst du mich umarmen?", fragte ich ihn dann trotzdem.

Boris lächelte leicht. „Klar, lass dich knuddeln" Er rutschte näher an mich heran und strich mit einer Hand weiter durch meine Haare, während er mich umarmte.

„Besser?", nuschelte er dann.
Ich nickte, seufzte und drückte ihn. „Viel besser"

Wir blieben so lange so liegen, bis es irgendwie seltsam wurde und wir uns zeitgleich voneinander lösten.

Wir setzten uns aufs Sofa, ich noch immer in den Decken eingehüllt.

„Was hast du heute so vor?", fragte Boris, stützte sein hübsches Gesicht auf seiner Faust ab.

Ich zuckte mit den Schultern, ohne zu wissen, was ich antworten sollte.

Er seufzte. „Wenn Charlie wieder kommt, gehen wir wieder zu Benedikt. Es gibt viel zu besprechen. Wir suchen nach Möglichkeiten, die ausgebluteten Vampire wieder aufzuerwecken, ohne ihre Gefährten zu brauchen. Aber heute Abend können wir vielleicht zusammen spielen, was hältst du davon?" Er strich über meine Schulter.

Ich nickte. „Gute Idee. Aber lass mich bitte nicht wieder gewinnen, dann fühle ich mich so mädchenhaft"

Boris lachte leicht. „Das ist ja schrecklich, ich muss das Mädchen hier sein!", entrüstete er sich scherzhaft.

Es brachte mich zum Lächeln. „Du bist über die Jahre viel offener geworden mit dem ganzen Thema. Vor 8 Jahren hast du dir nicht Mal eingestehen wollen, auf einen Typen zu stehen, du hast dich geweigert, mich zu küssen, als wir so quasi was am Laufen hatten, und jetzt liebst du dieses Spielchen um eure Rollenverteilung"

Boris kicherte leicht. „Tja, was soll ich sagen? Bei Charlie hat man doch auch gar keine andere Wahl"

„Hättest du gern eine? Ich meine, die Möglichkeit auch mal zu wechseln oder so..."

Boris zuckte mit den Schultern und strich gedankenverloren durch die Haare an meinem Hinterkopf. „Ach ich weiß nicht. Ich denk da gar nicht so drüber nach. Klar ich fühlte mich oft echt ziemlich unmännlich bei Charlie, aber er gibt mir auch das Gefühl, dass es völlig okay ist, so zu sein. Bei ihm bin zu nichts verpflichtet, ich muss in keine Rolle passen oder der Vorstellung, einem echten Mann entsprechen" Dabei verstellte er seine Stimme, sodass sie total tief war und schnitt eine ernste Grimasse, weshalb ich leicht lachen musste.

Boris lächelte. „Ich war ja fast noch ein Kind, als wir uns damals kennengelernt haben. Ich hab mich selbst nicht mal gekannt. Aber durch Charlie weiß ich, wer ich bin, wie ich bin, dass ich das nicht zu verstecken brauch und vor allrem, dass ich ihm genauso gefalle. Also wieso sollte ich daran was ändern wollen?"

Ich nickte zustimmend, wusste aber nicht so recht, was ich dazu sagen sollte. Er machte Charlie sogar eine Liebeserklärung, wenn dieser gar nicht anwesend war und es nicht mitbekam. Das war echt süß und total romantisch.

Boris seufzte, als von mir jegliche Reaktion ausblieb und legte den Kopf auf meine Schulter.

„Vermisst du es?", fragte er ganz leise und spielte an meinem Daumen herum, als sei er der Schaltknüppel eines Autos.

„Was denn?" Ich flüsterte ebenso leise wie er.

„Naja... Jemanden zu haben..."

Ich atmete tief durch, schüttelte den Kopf. „Ich vermisse es nicht, irgendwen zu haben, sondern Jay zu haben. Wir waren ja nicht so lange zusammen, aber es... es hat sich nach etwas für die Ewigkeit angefühlt, weißt du? Es war viel zu schnell vorbei"

Boris nickte verstehend, rutschte auf meinen Schoß und umarmte mich lange.
„Ich weiß, dass es schwer ist, Austin", flüsterte er in mein Ohr. „Ich weiß, dass du Jay liebst. Aber du wirst dich wieder verlieben und wenn es so weit ist, dann hoffe ich, dass du stark genug sein wirst, deine Augen nicht davor zu verschließen, sondern dich darauf einzulassen. Es wird dich glücklich machen, das verspreche ich dir."

Ich schluckte hart, als er das sagte, starte auf den Esszimmertisch. „Hast du... meine Zukunft gesehen?"

Boris nickte leicht. „Aber nicht im Traum, sondern, als du geschlafen hast und ich dich angefasst habe. Weißt du, was das heißt?"

Ich nickte wie in Trance. „Dass das Ereignis feststeht"

Boris sah mich an, strich mit dem Daumen über meinen Haaransatz. „Tu mir bitte den Gefallen und versau es nicht, sobald es so weit ist, okay?"

Ich konnte kaum reagieren, sondern brachte es nur zu Stande, ihn zu fragen: „Was hast du gesehen?"

Boris seufzte. „Charlie sagte, ich soll das nicht erzählen"

„Sag es", Meine Stimme hatte seit Jahren nicht mehr so fest geklungen wie jetzt. Es hatte mir lange nichts mehr so am Herzen gelegen.

Boris begann leicht zu lächeln. „Du wirst einen Mann küssen. Ein bisschen kleiner als du, braune Locken, breite Schultern, Tattoo am Oberarm. Und er wird dich küssen. Als wäre es das einzige, das seinem Leben einen Sinn gibt"

Irgendwie waren seine Worte unglaublich schön, so lächerlich sie ausgesprochen auch klangen.

„Wenn ich ihn sehe, woher soll ich dann wissen, dass er der Richtige ist? Und was ist mit Jay?" Ich sah Boris verzweifelt an.

Er lächelte aufmunternd. „Das sind Fragen, die du nur für dich selbst beantworten kannst, Austin. Aber wenigstens weißt du jetzt, dass es noch Hoffnung gibt. Glaub daran"
Er gab mir einen Schmatzer auf die Wange, stand dann auf und ging zügig aus dem Raum.

Dieser Szenenwechsel erklärte sich ziemlich schnell, als die Haustür aufging und Charlie nachhause kam.

Vom Flur aus sah er zu mir, musterte mich, nickte mir zur Begrüßung zu und ging dann die Treppen hoch, ohne noch etwas zu sagen.

Ich ließ mich seufzend zurück ins Sofa sinken und wusste nicht, ob Boris' Worte ein Grund dafür waren, wieder nach der Liebe zu suchen oder nun erst recht vor ihr zu flüchten.

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