13. Boris: Oma

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„Oh mein Lieblings-Blumenlieferant!" Oma fiel Charlie um den Hals, der dazu fast auf die Knie gehen musste.

Ich sah mir das ganze lächelnd mit an.

Charlie überreichte Oma die Blumen,  von denen er darauf bestanden hatte, sie ihr mitzubringen und wir traten ins Haus.

„Hallo Bobo, Schatz" Auch mich begrüßte Oma sehr herzlich und tätschelte mir mit ihrer faltigen Hand über die Wange.

„Sag mal, bist du größer geworden?" Aus großen Augen sah sie mich an.

Ich lachte leicht. „Ich war doch erst letzte Woche da, Oma, da war ich genauso groß wie jetzt auch. Ich bin 26. Da wächst man nicht mehr"

Sie sah mich kurz misstrauisch an, ehe sie Augen weiter öffnete. „Ach ja. Schau, ich hab so viel zu tun, da vergisst man sowas ganz gerne" Sie winkte ab, widmete sich dann lächelnd den Blumen, die sie von Charlie bekommen hatte und lief voraus in die Küche.

„Ich glaube, sie wartet immer noch auf einen Antrag von dir", schmunzelte ich zu Charlie hoch.

Er grinste leicht. „Tja, wenn ich dich nicht hätte, wäre ich deiner Oma schon lange angetraut"

Ich lachte. „Ach gut, dass ich nach wie vor deine Nummer eins bin bei dieser Konkurrenz"

„Immer", versprach er mir nuschelnd an meinen Lippen und gab mir einen kurzen, aber liebevollen Kuss.

„Kommt schon rein, Kinder, oder wollt ihr da draußen Babys machen?!", rief Oma.

Charlie legte einen Arm um meine Hüften und zog mich so ins Esszimmer, wo Oma gerade die Blumen in einer Vase auf den Tisch stellte.

Es roch hier so vertraut. So nach meiner Kindheit. Ich fand es großartig. Ich liebte dieses Haus, obwohl mir durchaus bewusst war, dass mein Dad Alica und mich damals, nachdem er meine Mum umgebracht hatte, nur hierhin abgeschoben hatte, um „Forschungen" zu betreiben, wie er Vampire killen konnte.
Trotzdem war meine Kindheit ein Traum gewesen, dank Oma, Silas und Alica. Auch, wenn ich das niemals so zugeben würde, liebte ich meine Familie sehr.

„Wie sieht's aus? Kaffee?", fragte Oma mich.

Ich nickte. „Klar gern, aber ich mach das schon"

Ich wollte aufstehen, aber sie sah mich streng an.
Ich lieferte mir ein Blickduell mit ihr.
Sie war so alt, ich fühlte mich mies dabei, mich von ihr bedienen zu lassen.
Aber sie bestand darauf und das wusste auch Charlie, der mich, weil ich zu stur war, um nachzugeben, einfach auf seinen Schoß zog und festhielt. „Schnell, Gerti, jetzt oder nie!"

Oma kicherte und rauschte, so schnell sie eben konnte, in die Küche.

Ich verdrehte grinsend die Augen. „Immer verbündest du dich gegen mich"

„Gar nicht wahr!" Charlie zog einen Schmollmund.

Gott, wie konnte man nur zugleich so heiß und süß sein? Das war doch unfair allen normalen Lebewesen gegenüber!
Ich küsste seine vorgeschobene Unterlippe, konnte einfach nicht anders.

„Wie wär's, wenn wir heute hier schlafen? Dann haben wir mal komplett unsere Ruhe.", schlug ich Charlie vor.

Ich meine, Oma hörte ohne ihr Hörgerät so gut wie gar nichts mehr und da sie das beim Schlafen nicht trug, waren Charlie und ich hier komplett ungestört. Und wir würden uns am nächsten Tag keine dummen Kommentare zu unserem Sexleben anhören müssen von diesen ganzen Neidern bei uns Zuhause.

Er durchschaute mich. „Durchaus eine gute Idee. Aber ich weiß nicht, ob wir die drei Idioten alleine lassen können"

Ich stöhnte genervt auf. „Mann, Charlie, du bist nicht ihr Dad. Es ist nicht deine Aufgabe, sich ständig um alle zu kümmern. Der einzige, dem du deine ungeteilte Aufmerksamkeit, Sorge und vor allem Liebe schenken musst, das bin ich..."

„Schon gut", unterbrach Charlie mich schmunzelnd.

Ich quiekte fröhlich auf, umarmte ihn und presste meine Lippen oft auf seine Wange.

Er lachte leicht, strich mir über die Taille. „Aber denk bloß nicht, dass ich dich flach legen werde, wenn wir im selben Haus sind wie deine Großmutter"

Mein Mund klappte auf, meine Freude war dahin. „Aber..."

Er schüttelte den Kopf. „Nichts aber, mein Schatz. Ich bin der, dessen Geschlecht du im Hintern haben willst und ich sage nein"

Jetzt war es an mir, eine Schnute zu ziehen und ihn mit meinem Hundeblick anzusehen.

„Nein", wiederholte er streng.

Ich machte traurige Laute dazu, von denen ich mir einbildete, dass sie unglaublich süß waren.

Charlie verdrehte kopfschüttelnd die Augen über mich.

„Nur ein bisschen anfassen, okay?", versuchte er deinen Kompromiss vorzuschlagen.

„Damit kann ich arbeiten", stimmte ich zu und strahlte ihn wieder glücklich an.

Wir wussten beide, dass es ohnehin wieder darauf hinauslaufen würde, dass ich bekam, was ich wollte, wenn wir erstmal anfingen.

Wir verhielten uns etwas wie verknallte Teenager, bis meine Oma zurück kam und Kuchen auf den Tisch stellte.

„Oder wollt ihr euch lieber gegenseitig vernaschen?", fragte sie mich lieblich.

Ich verdrehte die Augen, rutschte von Charlies Schoß.

Sie war doch nur eifersüchtig, weil dieser Hammer-Typ meins war.

„Später, Oma", meinte ich nur.

Sie kicherte, holte mir meinen Kaffee und dann aßen Oma und ich unseren Kuchen und Charlie unterhielt sich mit Oma, während er über meinen Oberschenkel strich.

Ich war froh, dass sich die beiden so gut verstanden. Oma hatte echt einen starken Beschützerinstinkt bei ihren Enkeln, aber mit Charlie kam sie eigentlich von Anfang an sehr gut klar. Sie meinte, er sei gut für mich, auch wenn sie ihn manchmal den Vater für mich nannte, den ich nie hatte. Das fand ich ehrlich gesagt dann immer etwas fies, aber irgendwo hatte sie ja Recht. Trotzdem kümmerte sich Charlie ja nur so um mich, weil er mich als seinen Mann liebte und nicht als Sohn. Das wäre irgendwie eklig...

Naja jedenfalls hatten wir einen schönen Nachmittag mit Oma. Ich vermisste sie ziemlich, seit ich ausgezogen war, aber wir besuchten sie ja regelmäßig.

Mir fiel auf, dass sie immer älter wurde, vergesslich, schwächelnd. Wenn man bedachte, dass sie nun schon 87 war, war das aber wohl normal. Für ihr Alter schlug sie sich ganz gut, fand ich. Ich hielt es nur für schade, dass sie nicht immer diese sprunghafte Frau bleiben konnte, die mich aufgezogen hatte. Ich fand es schade, dass sie irgendwann würde sterben müsste. Und ich fand es schade, dass ich meine Großmutter ansah und froh darüber war, mein Altern durch meinen Wunsch verhindert zu haben.

Allein, wenn ich daran dachte, dass ich irgendwann so daher gekommen wäre wie sie jetzt und Charlie immer noch er wäre... Gott, da hatte sich jeder Nervenzusammenbruch gelohnt, den ich gehabt hatte, nur wegen diesem Thema.

Aber Charlie hatte damals recht gehabt. Ein Leben zusammen im Glück war zwar schön, aber, was, wenn etwas schief ging? Was, wenn etwas passierte, das wir nicht bedacht hatten? Was, wenn das dann kein Leben in Liebe nach sich zog, sondern in Leid?

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