**1. Boris

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Viele Paare, die schon länger zusammen sind, haben in ihrer gemeinsamen Zeit viel durch gemacht. Ich würde Charlie und mich auf jeden Fall dazu zählen.

Wir haben uns kennengelernt, als ich 17 war. Das ist jetzt 18 Jahre her. Wir haben in dieser Zeit jede Seite von uns selbst und dem anderen kennen und lieben gelernt.

Wir haben zusammen gelacht, geweint, gefeiert und getrauert. Wir haben viel gewonnen, den Krieg zum Beispiel, neue Freunde, aber auch viel verloren. Silas ist das Erste, was mir dabei in den Sinn kommt.

Der Tod meines Cousins ist heute auf den Tag genau 10 Jahre her.

Vor 10 Jahren hat sich die Vision erfüllt, die mich seit dem Ausbruch meiner Kräfte begleitet hat, mir schlaflose und angsterfüllte Nächte beschert hat. Ich hatte immer die Hoffnung, es würde nicht passieren, die Zukunft würde sich verändern. Aber nach all der Zeit habe ich begriffen, dass es Silas' Bestimmung war, sein Leben für Raphaels zu geben, sodass dieser der Welt den Frieden bringen kann. Ich habe begriffen, dass mein Cousin, mein Bruder, als Held gestorben ist.

Ich finde keine Worte, um zu beschreiben, wie stolz mich das macht, aber auch keine, um darzustellen, wie traurig.

Ich vermisse ihn. Wir alle tun das. Aber das Leben geht weiter, auch ohne ihn und obwohl wir das alle anfangs gar nicht glauben wollten.

Heute ist aber nicht nur der traurigste Tag meines Lebens, sondern auch der glücklichste. Nein, nicht der Tag meiner Zeremonie mit Charlie, sondern das Ende des Krieges. Der Beginn des Friedens.

Die ganze Welt feiert diesen Termin und ehrt ihre Helden. Ganze Paraden werden veranstaltet, am meisten wird dabei Silas als Gesicht des Friedens genommen.

Im Vampirreich ist alles dekoriert worden, ein offizieller Ball wird im Schloss veranstaltet. Es ist zwar keine Pflicht, ihn zu besuchen, aber es tut trotzdem jeder, um zu zeigen, dass er hinter dem Frieden steht und für ihn eintreten würde.

Charlie und ich sind schon länger hier, um beim Aufbauen zu helfen. Ich habe meinen Mann aber schon seit einer Weile nicht mehr gesehen. Weiß der Teufel, wo der sich schon wieder herumtreibt.

...

Je mehr Leute sich hier einfinden, desto mehr bekannte Gesichter begegnen mir. Meine reizende Schwester und ihre Frau zum Beispiel, welche beide in schlichten, aber sehr schönen Kleidern zu mir schlendern und mich umarmen.

„Das habt ihr echt schön gemacht. Es ist was Besonderes dieses Jahr", meint Alica und sieht sich staunend um. Amy nickt zustimmend.

Ich schiebe meine Hände in die Hosentaschen meines Anzugs, von dem Charlie mich dazu gezwungen hat, ihn zu tragen. Er denkt nach wie vor, er hätte bei uns die Hosen an...

Jedenfalls beschwere ich mich bei Alica und Amy darüber, dass die ruhig auch hätten mithelfen können, aber die beiden bestehen darauf, dass sie sich so lange fertig machen mussten. Solche Zicken.

Nach kurzer Zeit gesellen sich auch Philipp und Mara zu uns. Ich frage mich echt, wie Mara es noch schafft, Türrahmen zu durchqueren mit dieser riesen Babykugel, die sie da vor sich hinschiebt. Philipp besteht darauf, dass sein Schuss einen großen, starken Kerl hervorbringen wird. Was er nicht weiß und Mara mir aber schon anvertraut hat, ist, dass es ein Mädchen wird. Wohl ein ziemlich fettes...

Eine Weile unterhalten wir uns gut, bis Phil mir leicht seinen Ellbogen reinrammt und dann quer durch den Saal zum Büfett nickt. „Was macht dein Mann da?"

Ich folgte seiner Geste mit meinem Blick und beginne leicht zu kichern, als ich sehe, wie Charlie versucht, unauffällig Pralinen mitgehen zu lassen. Er ist so goldig.

Ich haue Phil leicht auf die Schulter, als ich an ihm vorbei gehe und meine „Ich regle das, bevor er noch verknackt wird", ehe ich zu meinem Mann gehe.

Er greift gerade nach weiteren Stückchen, die er sich verpackt in Servietten in die Jackentaschen stecken will, als ich ihn am Handgelenk aufhalte.

Er schaut mich ertappt an, wirkt aber dann erleichtert, als er erkennt, dass ich es bin. „Erschreck mich doch nicht so!" Schnell verstaut er sein Diebesgut und grinst mich dann verschmitzt an. „Ich hab uns was für später gesichert"

Er wirkt stolz, aber das nur solange, bis ich amüsiert schnaube. „Klar, uns. Als hättest du vorgehabt, mit mir zu teilen"

„Natürlich hab ich das!" Er sieht mich empört an und zieht mich an Hüften zu sich. „Ich teile doch schon mein Leben mit dir, das Essen ist nur ein kleiner Teil davon" Er klingt versöhnlich, aber ich habe Lust zu spielen und schiebe ihn daher weg von mir. „Seit du wieder menschlich bist, liebst du Essen doch viel mehr als mich, gib es zu!"

Sein Gesichtsausdruck entgleist ihm völlig.

Er befürchtet wohl, dass ich ihm jetzt eine Szene mache.

„Aber...", setzt er an und wird durch mein Lachen unterbrochen.

Ich schlinge die Arme um seinen Nacken und hauche ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. „Ich mach doch nur Spaß, Schatz." Ich beginne zu kichern, als er erleichtert ausatmet. „Dein menschliches Ich ist so leicht einzuschüchtern"

Er schnalzt mit der Zunge und streichelt leicht über meinen Hintern. „Nur, wenn es darum geht, dass du Stress machen willst. Das kannst du nämlich besonders gut. Dann wünsche ich mir meistens meine Kräfte zurück, nur um dich zum Verstummen zu bringen"

„Ach und wie würdest du das machen?" Ich ziehe fragend, aber auch herausfordernd meine Augenbrauen hoch.

Er grinst breit, kommt mir mit seinem Kopf näher und flüstert in mein Ohr: „Ich würde dich ans Bett ketten und dir hart und schnell das Hirn rausvögeln, sodass du gar nicht mehr auf den Gedanken kommen kannst, deine Spielchen mit mir zu spielen"

„Klingt nach Spaß", grinse ich ebenso, drücke dabei meine Hüfte an seine.

Er ist so leicht heiß zu machen, seit er wieder menschlich ist. Er hat es richtig nötig.

Obwohl es gerade ziemlich unpassend ist, muss ich gerade an Luzifer denken, der mir mein Glück mit Charlie möglich gemacht hat.

Nur ein paar Wochen, nachdem er wieder im Himmel war, stand Charlie plötzlich vor unserer Tür. Nicht mehr als Engel, nicht mehr als Vampir, sondern als Mensch.

Man könnte meinen, er sei deshalb enttäuscht gewesen, aber eher das Gegenteil ist der Fall. Er liebt es, wieder ein Mensch zu sein. Er liebt es, in der Lage zu sein, Emotionen zu spüren, ohne dafür gewisses Blut zu trinken. Er liebt es, mir zu zeigen, was er als Mensch alles kann. Er liebt es, sein Leben mit mir gemeinsam verbringen zu können.

Denn ich habe schon ein paar Tage nach Ende des Krieges erfahren, wieso mir mein Wunsch, ewig zu leben damals gewährt wurde. Michael wollte die Möglichkeit, mir meine Kraft zu nehmen, da es kein Wesen außer mir kann, in die Zukunft zu sehen und niemand so mit dem Tod verbunden ist wie ich.

Michael hatte wohl die Intention, damit ganz neue, bessere Kräfte zu bekommen und mächtiger zu werden, aber nachdem Michael  aufgrund seiner zahlreichen Verbrechen in der Hölle weggesperrt wurde, ist auch mein Wunsch rückgängig gemacht worden, was mich also wieder sterblich macht.

Charlie ist jetzt körperlich 30 und ich 36, aber man sieht uns das nun wirklich nicht an. Ich finde es toll, dass ich jetzt stärker bin als er, weil ich zum einen noch immer meine Jägerkraft habe und zum anderen auch noch seine Vampirkraft, die auf mich übergegangen ist, als er zum Engel wurde.

Er findet das meistens nicht so klasse, weil es seinen Ansichten unserer Rollenverteilung widerspricht, aber ich nutze es mal ganz gerne, um ihn damit zu nerven. Dann kommt er damit an, dass ich älter bin als er und vor ihm Falten bekommen werde und dann bin ich meistens ruhig und schmolle, solange bis er mich zum Versöhnungssex überzeugt.

Ja, unser Leben ist wirklich schön so wie es ist. Es hat lange gebraucht und wir mussten viel durchmachen, um dazu zu kommen, aber jetzt sind wir hier und glücklicher als wir es uns hätten vorstellen können.

Unsere Geschichte ist zwar alles andere als perfekt, aber gerade die schweren Zeiten sind die, die beweisen, dass man wirklich zusammen sein will und bereit ist, dafür auch alles zu tun. Sie beweisen, wie stark Liebe sein kann und sie sind es, die Geschichte schreiben.

Only YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt