24. Chad: Mein kleiner Bruder

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Nachdem Dale alles wusste, was wir wussten und die Jungs darüber informiert waren, was im Krankenhaus passiert war und wussten, dass Austin wirklich nichts angestellt hatte, war es ruhig und jeder hing seinen Gedanken nach, um alles zu verarbeiten.

Es gab viel zu klären und aufzudecken, aber für den Moment schien irgendwie alles gut zu sein.

Klar war ich verwirrt, ich war in Sorge, aber ich war auch unglaublich glücklich, dass Dale hier vor mir saß und ich mit ihm reden konnte.
Es ging ihm gut. Zwar erinnerte er sich an nichts, aber vielleicht würde das zurückkommen. Genauso wie er zurückgekommen war.

Mein kleiner Bruder.

Ich hatte ihn auch schon gefragt, ob er wusste, warum er seinen letzten Auftrag hatte und was dort passiert war, aber keine Chance, er wusste nichts mehr. Kurz bevor ich dieses Thema für heute ruhen lassen wollte, weil ich Dale nicht überfordern wollte, kam Boris mit einer Idee.

„Wir sollten Alica herholen", meinte er nachdenklich, wodurch er unsere Aufmerksamkeit auf sich hatte.

Boris sah nur Dale an. „Alica ist meine Schwester. Sie kann, im Gegensatz zu mir, in die Vergangenheit und Erinnerungen von Menschen sehen. Sie könnte versuchen, bei dir was zu erkennen und deine Erinnerungen irgendwie in dein Bewusstsein zurückzuholen. Natürlich nur, wenn du dazu bereit bist. Aber ich verspreche dir, dass wir ihr vertrauen können"

Ich hatte ihn selten so einfühlsam erlebt, aber wusste ja, dass er auch richtig erwachsen sein konnte, wenn es notwendig war.
Als er mich darum gebeten hatte, mich nach Jays Tod um Austin zu kümmern zum Beispiel. Ich fand es schade, dass Charlie Boris solche Vorschriften machte und fand, das war eine Intervention wert, doch das stand in Moment nicht an erster Stelle auf meiner To-do-Liste.

Dale sagte nichts zu dem Vorschlag, den Boris da erbrachte. Er dachte nach, das sah man ihm an.

„Das hat sie bei mir auch mal gemacht", sagte Austin nach einer Zeit zu Dale. „Es tut nicht weh, man spürt auch gar nichts. Alica weiß, was sie tut. Danach ist man ein bisschen benommen, aber das regelt sich nach ein paar Minuten sofort wieder. Wir können natürlich ein paar Tage warten, ob deine Erinnerungen zurückkommen, aber falls nicht, wäre das die beste Variante."

Ich nickte zustimmend und drückte Dales Hand, damit ich seine Aufmerksamkeit bekam.
Er war seit dem ersten Moment ziemlich auf Austin fixiert. Das störte mich nicht, im Gegenteil, ich war so neben der Spur gewesen, dass ich erleichtert war, das Austin so einen guten Einfluss auf Dale hatte. Und es schien Austin selbst ja auch irgendwie zu helfen.

„Es geht nicht nur darum, unsere Neugier zu stillen", erklärte ich Dale. „Ich will nicht, dass du in Gefahr bist, denn früher oder später wird herauskommen, dass es dir wieder gut geht und die Person, oder wer auch immer dich ins Koma befördert hat, wird es vielleicht wieder versuchen, wenn er oder sie weiß, dass du wieder auf den Beinen bist. Du wurdest schon mal fast getötet. Ich lasse das nicht nochmal zu"

Dale nickte verstehend und sah dann zu Boris. „Meinetwegen kann deine Schwester mit dem seltsamen Namen es versuchen"

Das war einer der längsten Sätze, den er seit seinem Erwachen von sich gegeben hatte.
Boris nickte und entschuldige sich, um zu telefonieren.

Dann sah Dale wieder zu mir. Ich sah ihn fragend an, da er so wirkte, als läge ihm etwas auf der Zunge.

Er zog seine Hand unter meiner hervor und legte seine dann auf meine, etwas, das ich so schnell nicht erwartet hätte. „Ich... also ich wollte mich bedanken... Du hast ziemlich viel für mich riskiert... Ihr alle" Dabei sah er in die Runde.

Meine Freunde nickten ihm zu, versicherten ihm, dass es „Eine Sache der Ehre" gewesen sei, ihrem Freund, also mir, zu helfen.

Dale nickte verstehend, doch wirkte betrübt. „Ich weiß nicht, wie ich das wieder gut machen kann..."

„Das musst du nicht", versicherte Austin ihm sofort.

Seine Hand bewege sich auf den Arm meines Bruders zu, doch er zog sie sofort wieder zurück und räusperte sich dann. „Naja, ich meine... theoretisch haben wir dich ja umgebracht und hatten vor, deine Leiche zu verbrennen..."

„Und trotzdem lebe ich", sagte Dale.
Er sah Austin mit einem Ausdruck in den Augen an, den ich noch nie bei ihm gesehen hatte.

Ich hielt es für Bewunderung... Dumm, ich weiß, aber in diesem Moment war mein Hirn einfach überfordert und mit anderen Gedanken beschäftigt. Aber ich wusste, dass es nicht half, stundenlang über denselben Gedanken zu brüten und deshalb wollte ich mich ein bisschen ablenken.

„Sag mal, hast du Hunger?", fragte ich meinen kleinen Bruder.

Er sah zu mir, nachdenklich. „Weiß nicht"

Ich musste leicht lachen. „Ich mache dir was und dann schauen wir einfach mal, okay?"

Er nickte zustimmend.

Ich ging in die Küche, um meinem Bruder etwas zu essen zu machen, blieb aber nicht lange alleine.

Austin stieß dazu. „Ich helfe dir", schlug er vor.

Ich wusste ja, dass er der Koch in diesem Haus war, auch wenn er nichts selbst aß.

„Nudeln mit Tomatensoße?", fragte ich schlicht.

Er nickte und wir machten uns an die Arbeit.

Es bleib eine Weile still, wir hingen unseren Gedanken nach, doch irgendwann unterbrach Austin die Stille. „Hör zu, wegen der Sache im Krankenhaus... Ich hätte mich da vielleicht nicht so vordrängen dürfen..."

Ich sah ihn verwirrt an.

Austin räusperte sich. „Naja, als es darum ging, Dale beim Laufen zu helfen und so..." Ihm schien es unangenehm zu sein, er wich meinem Blick aus.

Das brachte mich leicht zum Lachen. „Willst du mich verarschen?"

Ich legte das Messer weg, mit dem ich den Basilikum geschnitten hatte, und wandte mich komplett Austin zu. „Ich bin dir unglaublich dankbar, dass du da warst und das alles übernommen hast, Austin. Ich war so überfordert... Glaub mir, ich bin alles andere als böse auf dich"

Er sah mich kurz musternd an und atmete dann erleichtert aus. „Ich dachte schon."

Ich lachte leicht und umarmte ihn dann, obwohl ich ja noch dreckige Hände hatte.

Er hatte kein Problem damit und umarmte mich zurück.

Als wir uns wieder lösten und ansahen, wirkte er so, als wolle er mir noch etwas sagen, das ihm schwer auf dem Herzen lag, doch er wandte sich einfach wieder unserer Arbeit zu und damit war das Thema erledigt.

Austin wusste, wenn er wollte, konnte er mit mir reden.
Aber ich wusste nicht, dass es dabei um seine Gefühle für meinen kleinen Bruder ging.

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