56. Silas: Ruhe

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Raphael und ich hielten Händchen, während wir nebeneinander her durch den Wald liefen.

Wir waren still, genossen die Ruhe der Umgebung und die Nähe zueinander, aber Boris und Austin, die hinter uns her trabten eher nicht so.

„Jetzt gib doch einfach zu, dass er einen süßen Arsch hat!" Boris klang schon ganz genervt. Ich konnte quasi bildlich vor mir sehen, wie er die Hände in die Luft warf und Austin auffordernd anstarrte.

Dieser widersprach aber, nachdem er einen frustrierten Stöhner von sich gelassen hatte. „Mann, Dales Arsch ist mir sowas von egal. Wenn er dir so gut gefällt, dann lade ihn doch zu einem Dreier ein"

„Und meinem besten Freund seinen zukünftigen Ehemann wegnehmen? Nein, so einer bin ich doch nicht"

Ich sah überprüfend nach hinten zu Boris, erkannte, wie er eine wegwerfende Handbewegung machte und Austin mich verzweifelt ansah. „Ich hoffe Charlie stopft ihm das Maul, sobald wir ihn gefunden haben"

„Oh ja!", freute sich Boris begeistert.

Ich musste leicht kichern, drehte mich wieder nach vorne und strich mit meiner freien Hand über Raphaels muskulösen Arm, sodass ich aussehen musste wie ein Fangirl, das sich an einen Celebrity klammerte. War ich ja irgendwie auch.

„Keine Sorge, Baby, dir wird heute auch noch..." Er machte mit zwei Fingern Gänsefüßchen in die Luft. „...Das Maul gestopft"

Angewidert verzog ich mein Gesicht. „Du kannst es gerne alles nennen, nur das nicht. Ist ja widerlich."

Raphael sah grinsend zu mir und ich musste es einfach erwidern. „Wir nennen es wie immer du willst. Das ist mir eigentlich egal, solange Du dir nur Mühe bei der Ausführung gibst"

Ich schüttelte den Kopf. „Kannst du bitte die Klappe halten? Sonst muss ich dir wohl noch den Mund stopfen"

„Hier und jetzt?", freute sich Raphael.

Ohne meine Antwort abzuwarten, drehte er sich zu Austin und Boris um. „Hei Jungs, geht schon mal ohne uns vor, ich will Silas noch ein bisschen einen blas..."

„Bist du wohl still!", unterbrach ich ihn empört und schlug ihm halbherzig auf die Brust.

Die Jungs lachten.

„Es geht als Vergewaltigung durch, wenn du das ohne seine Erlaubnis machst" Boris sah Raphael beteuernd an.

„Sprichst du etwa aus Erfahrung?", gab er zurück. Boris kicherte. „Klar. Jeden Tag falle ich über den armen wehrlosen Charlie her, sodass er jetzt schon ganz verstört von meinen Attacken ist"

Raphael schüttle amüsiert den Kopf und wir gingen weiter unseres Weges, glücklicherweise ohne dass er das Thema eines Blowjobs im Wald nochmal ansprach.

„Es ist schon ein bisschen seltsam, dass mein fast-Vater und dein Cousin es treiben, mh?" Raphi sah nachdenklich in die Luft.

„Es ist auch seltsam, dass du mein Großcousin bist und wir es treiben. Bei uns ist doch nichts normal", lachte ich.

Er stimmte zu. „Oh, das stimmt. Aber ich liebe unsere Unnormalheit"
Er drückte mir einen Kuss auf die Schläfe und ich schloss die Augen, solange seine Lippen mich berührten, lächelte dabei.

„Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Wort ist, Baby"

Er zuckte desinteressiert mit den Schultern. „Wenn nicht, dann hab ich wenigstens eines erfunden, das kann auch nicht jeder von sich behaupten"

„Ach du Spinner", lachte ich und umklammerte wieder seinen Arm.

Raphael lächelte zu mir runter, ich zu ihm hoch und kuschelte mich an seinen Arm beim Laufen.

Ich hatte ihn die letzte Zeit einfach zu wenig berühren können. Ich brauchte diese Nähe zu ihm. Diese Wärme, die von allen Stellen meines Körpers ausging und sich in mir ausbreitete, da wo er mich berührte. Ich war quasi süchtig danach.

Wir liefen ein ganzes Stück weiter und waren kurz davor, die Grenze zu erreichen, von denen Menschen nicht mal wussten, dass sie existierte.

Raphael hatte mir erklärt, dass dieser Ort allen, die nicht hierher gehörten, irgendwie instinktiv Angst machte und sie deshalb niemals so nahe ans Vampirreich rankommen würden. Ich alleine könnte wahrscheinlich nicht hier rein, doch wenn Raphael bei mir war, akzeptierte das Reich mich wohl.

Wir waren kurz vor der Überquerung der Grenze, da hörte ich einen erstickten Laut und sah nach hinten.

Boris war stehen geblieben, hielt sich eine Hand aufs Herz, klammerte sich mit der anderen an Austins Schulter fest und starrte geschockt auf den Boden.

„Bobo?", fragte ich sofort besorgt und ließ Raphael los, um zu meinem Cousin zu gehen.

Er sah total verstört aus. „Wir..."
Er hob den Blick, sah hoch, Raphael in die Augen. „Ich hatte keine Ahnung", hauchte er tonlos.
Tränen bildeten sich in seinen Augen.

„Boris, was ist los?", Austin hielt ihn besorgt an den Hüften fest.

Boris rieb sich über die Brust, als habe er dort wahnsinnige Schmerzen.

Er schüttelte ungläubig den Kopf, sah zu mir. Ich sah es als Aufforderung, legte meine Hand an seine Wange, um in seinen Kopf sehen zu können. Tatsächlich, es liefen gerade Visionen im Hintergrund seines Bewusstseins ab, die wohl für sein plötzlich bedrücktes Gefühl verantwortlich waren. Und diese waren nicht schön.

Ich zog mich wieder aus ihnen zurück und Boris und ich blickten uns beinahe panisch an. Nach kurzer Zeit nickte ich ihm zu, um ihm so vieles zu versichern.

Dass es nicht seine Schuld war, dass ich mich um Raphael kümmerte, dass Charlie bestimmt keines der vielen Opfer war, das bei einem Angriff der Jäger auf das Vampirreich umgekommen waren.

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