82. Silas: Team

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Boris hatte spontan beschlossen, dass er heute grillen wollte und alle mitzuhelfen hatten.

Er hatte Aufgaben verteilt, ohne auf jegliche Proteste zu reagieren und auch die Vampire der Runde miteinbezogen.

Deshalb fuhr ich mit Dale/Jay, Austin und Chad einkaufen.

Ich sollte mich um das Fleisch kümmern, Dale/Jay und Austin um die Beilagen und Chad um den Nachtisch.

Boris hatte vor, in der Zwischenzeit einen Grill zu kaufen, weil wir keinen hatten, logischerweise.

Wozu sollten Vampire auch einen Grill brauchen?

Naja jedenfalls trennte sich mein Weg von dem der anderen, als wir erstmal im Laden waren, und ich studierte schnell die Liste mit den Wünschen. Es war echt alles dabei. Fisch, Geflügel, Schwein, Rind mit allerhand Marinaden.

Mir kam in den Sinn wie verwöhnt meine Freunde und ich doch waren. Mit unserem Geld konnten wir uns all das leisten ohne den Hauch eines schlechten Gewissens wegen unseres Kontostands zu haben. Und dieses Geld hatten wir uns nicht mal selbst verdient.

Wenn ich ehrlich war, hatte ich bis heute Ahnung, wo wir die ganze Kohle her hatten. Ich konnte mir nämlich vorstellen, dass die Forschungen echt teuer gewesen waren und einen Investor für Anti-Vampir-Waffen-Versuche an Kindern waren für mich ebenso abstrakt.

Ich packte all das gewünschte Fleisch in den Wagen, den ich vor mir herschob und kassierte den ein oder anderen dummen Blick.

Die dachten doch nicht echt, ich hatte vor, das alles alleine zu essen? Kommt schon, Leute!

Aber auch für 6 Leute, war das ziemlich viel.

Ich musste schmunzeln, als ich daran dachte, dass wir mir Raphael 7 wären und wahrscheinlich das Dreifache dieser Menge gebraucht hätten wenn er mal richtig Hunger hatte auf was Gesünderes als Schokolade.

Ich fand es nach wie vor unfair, dass er essen konnte, was er wollte, oder eben nicht und sein Körperbau trotzdem immer perfekt war.

Das Einzige, was sich an ihm veränderte war die Farbe, so dumm das jetzt auch klang. Ich bildete mir ein, immer, wenn Raphael gut gelaunt war, zufrieden, glücklich, einfach, wenn er er selbst war, dann trug er so einen goldenen Schimmer mit sich herum. In den Haaren, auf der Haut, in den Augen. Ich liebte dieses Strahlen. Das machte ihn besonders. Es machte ihn perfekt.

Aber in den letzten Jahren hatte ich es viel zu selten gesehen. Vielleicht würde er es ja wieder zurückbekommen und irgendwann da würde er mir dann genauso gegenüberstehen wie damals, als wir uns kennengelernt hatten. Ich würde ihn genauso fasziniert und beeindruckt mustern. Ich würde mich sofort zu ihm hingezogen fühlen, aber es mit aller Kraft verleugnen. Und dann würde ich all meinen Widerstand über Bord werfen und ihn küssen, obwohl ich mir dessen bewusst wäre, dass es gefährlich für mich war. Dass es mich umbringen konnte. Aber ich würde es nicht bereuen.

„Hätte nicht erwartet, dich so schnell wieder lächeln zu sehen"
Als ich diese Stimme hörte, erschrak ich mich total und sprang erstmal so schnell zur Seite, dass ich mich am Kühlregal festhalten musste, um nicht über das unterste, hervorstehende Regel zu stolpern.

Ich sah Philipp aus großen Augen an und ganz ehrlich, ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte.

Er stand einfach nur friedlich da und lächelte mich an. Er sah so nett dabei aus!

Ich konnte nur den Kopf schütteln.

Er begann leicht zu lachen. „Hei, jetzt tu doch nicht so. Ich bins nur" Er nahm mich an den Oberarmen und stellte mich normal hin, sodass ich nicht mehr halb am Fallen war und mich an dem Regal festklammern musste.

„Fass mich nicht an", brachte ich hervor und schob ihn von mir weg.

Automatisch ging ich nochmal zwei Schritte zurück.

Das ließ sein Lächeln verschwinden. Er seufzte. „Schon klar, du hasst mich jetzt, aber ich verspreche dir, dass ich der letzte bin, der vorhat, dir etwas zu tun..."

„Warum sollte ich dir ein Wort glauben?" Ich kniff böse die Augen zusammen und schüttelte ungläubig den Kopf. „Du hast mich missbraucht, nur um deine Mami stolz zu machen und dann habt ihr einen meiner besten Freunde fast umgebracht, und die Familie meines... meines Freundes ausgemerzt. Ich war da, Phil, ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Ihr seid Monster, ihr seid grausame Monster und ich hasse dich und deine gesamte Familie..."

Er zog die Augenbrauen zusammen, sah mich unverstehend an. „Wovon redest du da?"

Ich lachte höhnisch auf. „Euer Angriff auf das Vampirreich, du Arschloch! Oder ist es dir nicht mal wichtig genug, dich daran zu erinnern, was ihr angerichtet habt? Schade, dass du dabei nicht genauso verreckt bist wie die anderen, ich..."

Ich hörte auf zu sprechen, als ich bemerkte, dass Phil wirklich keine Ahnung davon hatte, wovon ich sprach. Obwohl ich ohne meine Verbindung zu Raphael meine Kraft kaum kontrollieren konnte, ließ ich sie zu, um in seine Gedanken zu sehen. Es tat weh und ehrlich gesagt machte es mir Angst, weil ich so viele verschiedene Stimmen in meinem Kopf hörte, aber ich konzentrierte mich nur auf Philipp.

Es half, seinen Unterarm anzufassen, um eine bessere Verbindung aufzubauen. Dabei sah ich ihm in die Augen und stellte fest, dass er zwar wusste, dass ich gerade seine Gedanken las, aber auch, dass er absolut verwirrt war und keine Ahnung hatte, wovon ich sprach. Er wusste nicht, was im Vampirreich passiert war. Er war auch nicht hier, um mir irgendwas unter die Nase zu reiben. Er brauchte meine Hilfe...

Ich zog mich wieder zurück und schaltete ab, weil dieser Druck der vielen Menschen einfach zu viel war und hörte auch auf Philipp anzufassen.

„Erklär mir bitte, was du meinst" Er sah wirklich flehend aus, alarmiert.

Ich raufte mir die Haare. Er schien ein ziemlich hohes Tier zu sein in der ganzen Jägerorganisation. Wieso hatte er also keine Ahnung davon, was passiert war?

„Ich... kann nicht", verneinte ich.

Wieso sollte ich ihm das auch erzählen? Es ging ihn nichts an. und er würde sich nur freuen, darauf wette ich.

„Silas", seufzte Philipp. „Du weißt, dass ich deine Hilfe brauche. Aber vielleicht kann ich auch dir helfen. Lass uns zusammen arbeiten, bitte..."

„Wieso sollte ich das tun?"

„Weil ich dir Informationen geben kann, sehr sehr viele..."

„Was willst du dafür?", hakte ich misstrauisch nach. Er sah seufzend auf den Boden, atmete tief durch. Es schien, als würde er Kraft tanken. Dann sah er wieder hoch in meine Augen. Er trug viel Schmerz im Blick. Verzweiflung.

„Nachdem ihr unter meiner Aufsicht einfach so verschwunden seid, ist Mum ausgerastet. Sie hält mich für unfähig und meinte sie wollte mir einen Anreiz geben, wieder richtig zu arbeiten... Sie... Sie hält Karen gefangen... und sie meinte, wenn ich nicht bald zu dem Soldat werde, den sie sich vorstellt, dann lässt sie sie leiden..."
Seine Augen waren von einem leidenden Schimmer überzogen, als er einen Schritt auf mich zuging. „Bitte, Silas. Ich weiß, dass du mich hasst. Und du hast auch allen Grund dazu. Aber ich habe einfach keine Ahnung, was ich tun soll. Du bist der Einzige, den ich kenne, der meiner Mutter gegenüber nicht loyal ist und mir helfen könnte. Dafür verspreche ich hoch und heilig, sobald ich Karen zurück habe und ich dir mit allem geholfen habe, was du willst, abzuhauen und nie wieder zurück zu kommen." Er sah mich verzweifelt an, flehend.

Ich wusste, dass er die Wahrheit sagte. Ich wusste, dass er hilfreich sein könnte. Ehrlich gesagt fiel mir gerade kein Grund ein, nein zu sagen. Er hatte immerhin viel Insiderwissen, mit dem wir einiges einfangen konnten. Und solange Raphael nicht erfuhr, mit wem ich mich hier verbündete, konnten wir alle nur Vorteile daraus ziehen.

Ich nickte also zustimmend und setzte ein „okay" hinzu, um ihm deutlich zu machen, dass er von nun an, auch wenn mich das nicht sehr begeisterte, zu unserem Team gehörte.

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