Das Erste, was ich spürte, war, wie sich meine Lungen mit Luft vollsogen.
Ich öffnete verwirrt die Augen, sah mich um.
Ich lag im Garten. Okay.Die Sonne war gerade am Untergehen, also musste es wohl ziemlich spät sein.
Je länger ich atmete und mich umsah, desto mehr begriff ich, wie ich hierher gekommen war und was wir hier taten.
Ich sah Raphael an und spürte... nichts.
Es war so zerstörend wie befreiend zugleich die Gewissheit zu haben, dass wir nun endgültig getrennt waren.
Raphael sah mich an.
Natürlich fühlte ich noch was dabei. Ich war wütend, ich war nach wie vor verletzt, aber ich spürte auch, dass es nichts mehr gab, das mich mit aller Gewalt zu ihm zerrte und mich bedrohte, für immer unglücklich zu werden, wenn ich ohne ihn war. Es tat einfach nicht mehr so weh.
Kaum zu glauben, aber das getan zu haben fühlte sich nach der besten Entscheidung meines Lebens an.
„Geht es dir gut?", fragte Raphael mich.
Ich nickte. „Dir?"
Er nickte.
Dann war ja alles bestens.
Zeitgleich sahen wir zu Luzifer, der uns erwartungsvoll ansah. „Hat es geklappt?"
Raphael und ich sahen uns wieder an. Wir nickten zeitgleich und sahen dann wieder zu Luzifer.
„Was hast du gemacht?"
Er blies die Wangen auf und stieß die Luft aus. „Ich habe mich mit meinem Bruder Michael unterhalten. Er fand die Idee, euch zu trennen nicht toll, aber er hats gemacht...."
„Und das hat fast den ganzen Nachmittag gedauert?!"
Oh Chad schien auch noch da zu sein. Er hatte wohl neben uns gesessen und auf uns aufgepasst. Süß von ihm.
„Ja, es geht nun mal nicht auf Knopfdruck, sphärische Ebenen zu wechseln, vor allem wenn du daraus verbannt worden bist, Chester. Außerdem hatten mein Bruder und ich noch ein paar Familienangelegenheiten zu klären..."
Wow der Teufel war ja eine richtige Zicke.
„Toll" Raphael stand auf und klopfte sich die Jeans ab. „Lass uns gehen", sagte er zu Luzifer.
Wir anderen standen ebenso auf.
Was mich wunderte war, dass Luzifer keinen Schritt tat. „Ich muss hier bleiben"
Raphael schnaubte. „Ich hab dich aus der Hölle hierher geholt, ich kann dich auch wieder zurück bringen. Du hast zu tun, was ich dir sage"
Luzifer zog die Augenbrauen hoch, verschränkte die Arme. „Das war vielleicht so, bis Michael mir die Erlaubnis gegeben hat, für 6 Monate auf der Erde zu bleiben. Ich bin quasi ein freier Mann. Und ich bleibe hier"
Er sah Raphael fest an, solange bis dieser schnaubte sich umdrehte und ins Haus ging.
Ich blieb noch eine Sekunde stehen und sah Luzifer unverstehend an. Aber Raphael war mir dann doch wichtiger.
Ich rannte ihm hinterher und erreichte ihn gerade noch so bei der Tür.
„Hei, warte noch kurz" An seinem Handgelenk hielt ich ihn auf.
Er sah auf mich herab, aber zum Glück nicht mehr mit dieser Kälte in seinem Gesicht. „Lass mich bitte los."
Verletzt, aber verstehend ließ ich ihn los.
„Ich... Wars das jetzt mit uns? Endgültig?" Unsicher sah ich zu ihm hoch.
Ich wusste, ich war derjenige gewesen, der noch vor ein paar Stunden zu ihm gesagt hatte, dass ich ihn nie wieder sehen wollte. Aber jetzt, wo es kurz davor war, dass er aus dieser Tür ging und nie mehr zurückkam, verwarf ich meinen Stolz.
Raphael vergrub die Hände in den Hosentaschen, ein Zeichen dafür, dass er unsicher war. „Ich weiß es nicht. Für den Moment ja. Vielleicht, wenn irgendwann alles besser ist... Vielleicht können wir es dann nochmal versuchen. Ich lie... ich liebe dich nach wie vor. Das wird sich wohl auch nicht ändern. Aber unter diesen Bedingungen ist das einfach zu wenig..."
Ich nickte verstehend und sah auf seine Brust. „Ich liebe dich auch", murmelte ich dabei.
Ich hörte ihn tief durchatmen, spürte, wie er mein Kinn sanft anhob. „Danke für alles. Und tut mir leid... wegen allem. Du hast was besseres verdient als mich, als das alles. Ich verspreche dir, für eine Welt zu sorgen, in der wir keine Angst mehr haben müssen. In der alle sicher sind. In der du keine einzige Träne mehr vergießen musst..."
Ich nickte, Tränen zurückdrängend. „Das vorhin... War das wirklich unser letzter Kuss?"
Raphael antwortete nicht, sondern bewegte den Kopf zu meinem runter. Er ließ seine Stirn an meine sinken, verweilte so.
„Versprich mir, auf dich aufzupassen, Silas.", hauchte er. „Halt dich von Schwierigkeiten fern. Mach den Mund nicht immer so weit auf. Leg dich nicht mit Stärkeren an. Und bitte... Bitte werde glücklich"
Ich brachte nur ein leichtes Nicken zu Stande.
Ich wollte ihn umarmen, aber bevor ich das tun konnte, spürte ich nur noch einen Windhauch, öffnete die Augen und sah, dass er weg war.
Das sollte er nun gewesen sein? Der Abschied von meiner großen Liebe? Irgendwie enttäuschend, so unspektakulär...
„Hei, Silas..." Ich hörte Chads mitleidige Stimme hinter mir, schloss die Tür, obwohl ich Raphael eigentlich noch lange hinterher sehen wollte.
„Komm her" Er sprach einfühlsam, breitete die Arme aus und hatte mich zwei Sekunden später auch schon darin.
Er hielt mich fest, tröstete mich durch ein leichtes Streichen über meinen Rücken und meinen Hinterkopf, aber sagte nichts. Er wusste wohl, dass alle Worte der Welt gerade nicht helfen konnten.
Ich wusste, wenn ich das nicht gemacht hätte, ginge es mir jetzt nur noch schlechter, aber trotzdem brauchte ich einfach einen Moment, in dem ich begreifen konnte, was da gerade passiert war. Kurz darauf flossen auch schon die Tränen.
Chad hielt mich einfach fest, sodass ich wusste, obwohl ich Raphael verloren hatte, war ich noch lange nicht alleine. Aber es war eben einfach nicht dasselbe. Ich konnte mir nach wie vor ein Leben ohne ihn nicht vorstellen. Aber zumindest wusste ich jetzt, dass es möglich war, auch, wenn es schwer werden würde.
Und vielleicht konnte ich mich ja irgendwie ablenken...
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Only You
Fantasy-Alle lebten in Angst und Schrecken und das, obwohl offiziell noch Frieden herrschte.- Die Welt hat sich verändert. Die Menschen und Vampire haben sich verändert. Oder es hat einfach keiner mehr Lust auf Friede, Freude, Eierkuchen. Nach den verga...