76. Dale: Jaylin

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„Die Hülleneigenschaft ist auf das ungeborene Kind des Mörders von Elijah übergegangen", machte Luzifer weiter.

Schon wieder ging es um Jay. Der Typ war ja auch echt überall und das, obwohl er tot war. Ich hasste es, dass Austin sich anspannte und noch aufmerksamer wurde, als auch er begriff, um wen es jetzt ging und ich hasste es, dass ich so rücksichtslos mit ihm war, aber ich wollte ihn einfach für mich alleine und konnte nicht fassen, dass sein toter Ex nach wie vor zwischen uns stand.

„Aber auch er ist gestorben, bevor er seine Bestimmung erfüllen konnte. Michael ist sauer, weil sich zu viel auf der Erde verselbstständigt hat und nichts mehr nach seinen Plänen läuft. Er kann nicht zu sehr in das Geschehen eingreifen, ohne gegen seine eigenen und Vaters Regeln zu verstoßen. Deshalb will er die Apokalypse einleiten, wenn ich das nicht wieder in seine richtige Ordnung rücke..."

„Hei, es geht hier grade um Jay und mich, schweif nicht ab", unterbrach Austin ihn bestimmend, aber irgendwie auch bittend.

Luzifer sah zu ihm und nickte. „Stimmt, tut mir leid"
Er dachte kurz nach und nickte dann, als habe er den Punk wieder gefunden. „Viel gibt es dazu eigentlich nicht mehr zu sagen. Du und Jay, ihr seid verbunden, aber nicht nur ihr. Durch sein eigentliches Schicksal hatte Jaylin O'Cara auch eine leichte Verbindung zu dem Jäger, der den Engel hätte in seinen Köper rufen sollen. Aber das ist nicht so nach Plan gelaufen. Als Dale Jaylin davon unterrichtet hat, was seine Bestimmung ist, hat Jaylin ihm natürlich kein Wort geglaubt. Er wusste nichts von der Existenz von Vampiren oder Engeln und dachte, Dale würde versuchen, sich über ihn lustig zu machen. Er und seine Freunde haben Dale ziemlich übel zugerichtet. Sie waren in der Überzahl und es kam überraschend, deshalb hatte er so gut wie keine Chance. Jaylin war derjenige, der Dale bei seinem letzten Auftrag ins Koma geprügelt hat."

Ich hört eine gehauchtes „Nein" von Chad und sah zu ihm.

Er hatte die Hand vor dem Mund, so als wolle er sich selbst davon abhalten zu schreien, dass er das nicht glauben konnte. Sein Blick sagte aber schon genug aus.

„Das war der Moment, indem der Tumor angefangen hat, sich in seinem Hirn zu bilden", machte Luzifer weiter. Ich spürte, wie Austin seine Hand um meinen Oberschenkel klammerte, als schauten wir gerade einen Horrorfilm und er hatte Angst vor dem Ende. Es war ja auch so ähnlich...

„Genau ein Jahr später hatte Jaylin den Unfall, der ihn gelähmt hat. Und wieder genau ein Jahr später hat Austin ihn ertränkt. Das war auch der Abend, an dem Dales Hirntod eingetreten ist. Sein Körper wurde aber weiterhin am Leben erhalten. Seine Familie hatte immer vor, an ihm zu experimentieren, aber sie haben es nie wirklich übers Herz gebracht. Jaylins Hülle war ab dem Moment seines Todes seelenlos. Eine der Bedingungen für eine funktionstaugliche Hülle ist, dass die Seele des Besitzers ebenso auf der Erde verweilt. Um diese Bedingung zu erfüllen und Austin seinem Gefährten zuzuführen, hat Michael Jaylins Seele in Dales Körper verfrachtet. Wären sie davor nicht schon durch etwa Blutkontakt oder starke Emotionen wie Wut bei ihrem ersten und einzigen Treffen aufeinander getroffen und somit verbunden worden, hätte das nicht geklappt. Aber diese Verselbstständigung der Lebensläufe, auf die Michael keinen Einfluss mehr hat, hat auch das mit sich gebracht, was manche als Zufall bezeichnen und andere als Schicksal. Und ihr zwei seid das beste Beispiel dafür"

Luzifer sah Austin und mich an.

Ich konnte nicht anders, als ungläubig und regungslos auf ihn zu starren, aber irgendwie auch durch ihn hindurch.

Ich war Jay? Ich war der Typ, den ich aufgrund meiner Eifersucht so zu hassen gelernt hatte? Ich war Austins fester Freund?

Als ich an ihn dachte, musste ich ihn einfach ansehen. Er erwiderte meinen Blick ungläubig, fassungslos, perplex.

Ich erkannte alles in seiner Art mich anzusehen, nur nicht Freude.

„Nur mal, um das klarzustellen", sagte Boris tonlos. „Jays Seele ist in Dales Körper?"

„Ja", bestätigte Luzifer.

„Und was ist dann mit Dales Seele?"

„Die ist im Himmel, da wo alle Jäger mit reinem Herzen mit Sicherheit hinkommen"

„Und was ist mit Jaylins Körper?"

Bevor Luzifer antworten konnte, hörten wir alle, wie jemand aus dem Zimmer stampfte, aus der Tür und diese dann hinter sich zuknallte.

Ich sah mich um. Chad war weg.

Für einen Moment sahen sich alle aus großen Augen an, ehe ich wie von alleine aufsprang und hinter ihm herrannte. „Chad, warte!"

Ich riss die Tür auf, sah ihn vor dem Garten auf der Straße, wie er auf den Zaun eintrat und dabei so aussah, als würde er seinen größten Erzfeind durch seine Tritte vernichten. Der Arme.

„Chad!", wiederholte ich geschrien und rannte zu ihm. „Hei!" Ich legte meine Hand auf seine Schulter, um ihn zu mir zu drehen.

Er schuckte mich kraftvoll weg. „Fass mich bloß nicht an!"

Das schockte mich mehr als es das sollte.

Klar war er sauer. Ich konnte das verstehen. Aber es tat trotzdem weh. Immerhin war ich die letzten Wochen und Monate sein kleiner Bruder gewesen. Sein Ein und Alles. Und jetzt... In seinem Blick sah ich so viel und das, was mich am meisten traf, war Hass.

„Ich wusste davon nichts", hauchte ich versprechend und ging vorsichtig wieder auf ihn zu.

Er schüttelte den Kopf, presste die Lippen zusammen, Tränen unterdrückend.

Ich wollte für ihn da sein, so wie er es für mich gewesen war. So wie er es verdient hatte.

„Ich verstehe, dass du sauer bist...", setzte ich an.

„Gar nichts verstehst du!" Er unterbrach mich laut.

So hatte ich ihn noch nie erlebt. „Du hast meinen Bruder umgebracht und ihm seinen Körper gestohlen! Egal, was dieser Typ da drinnen von Schicksal labert!"

Ich schüttelte den Kopf „Aber das war doch nicht meine Absicht", versicherte ich ihm. „Versetz dich mal in meine Lage. Du, ihr alle habt mir wochenlang eingeredet, wer ich bin oder wer ich sein soll und jetzt erfahre ich das. Denkst du ich komme damit klar?!"

„Das ist mir scheiß egal! Du bist mir scheiß egal! Alles, was dir passiert ist, alles, von dem ich immer behauptet habe, dass es dir zu unrecht widerfahren ist, das hast du genauso verdient! Du hättest tot bleiben sollen! Ich kann dir nämlich nicht garantieren, dich nicht umzubringen, wenn ich dich noch länger ansehen muss!"

„Chad, du... du hast mir doch erzählt, du und Jay, ihr seid sowas wie Brüder gewesen. Wieso bist du jetzt so?"

„Ganz einfach" Chad kam mir viel zu nahe und sah wütend auf mich herunter. „Weil du für den Tod meines einzig wahren Bruders verantwortlich bist. Und das werde ich dir nie verzeihen"

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