49. Boris: Erst der Anfang

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Ich saß mit den anderen im Wohnzimmer, wir warteten auf irgendeine Nachricht von Chad und Dale, dass sie wieder rausgekommen waren und alle Informationen hatten, die wir brauchten, um einzubrechen. Aber sie kamen nicht. Nichts kam.

Diese Stille machte mir Angst, aber schlimmer war es eigentlich, als sie unterbrochen wurde von einem hellen Ton, der uns allen plötzlich in den Ohren schmerzte. Charlie traf es besonders hart. Er presste sich die Hände auf die Ohren, stand auf und eilte aus dem Raum.

Ich folgte ihm besorgt.

Hingegen meiner Annahme, er würde vielleicht hoch in unser Zimmer gehen, rannte er raus in den Garten.

Ich lief fast in ihn hinein, als er abrupt stehenblieb.

Wir sahen ein helles Licht, das sich über den gesamten Garten ausbreitete. Es tat weh in den Augen, also sah ich weg.

Sobald ich nicht mehr geblendet wurde und der Ton verblasste, traute ich mich wieder hinzusehen.

Es war still, nur noch der Nachhall des grellen Klanges von eben hinterließ ein Piepen in meinem Ohr. Außerdem hatte ich Probleme, richtig zu sehen, obwohl ich nur wenige Sekunden in das Licht geschaut hatte.

Schon nach wenigen Sekunden aber, die ich in heftigem Geblinzel verbracht hatte, erkannte ich, dass von der Erscheinung eben etwas zurück geblieben war. 5 Gestalten, die auf dem Rasen lagen.

Mein Körper setzte sich von alleine in Bewegung, um zu den Leuten zu gelangen. Es waren meine Freunde. Sie lagen regungslos da, aber alle schienen noch zu atmen. Das war doch ein gutes Zeichen.

Charlie rief nach den Anderen und da dauerte es nicht lange, bis wir alle um die anderen herum im Garten versammelt standen.

Wir konnten nichts anders tun, als die Vitalfunktionen unserer Freunde zu überprüfen und durch äußere Reize wie unsere Stimmen oder leichte Schläge Versuche zu unternehmen, sie wach zu bekommen.

Der erste, bei dem dies Wirkung zeigte, war Silas. Ich war gerade dabei gewesen, ihm auf die Wange zu schlagen, die schon etwas rot geworden war, als er zuerst einen unzufriedenen Ton von sich gab und dann zaghaft die Augen öffnete.

Ich hörte auf, ihn zu schlagen und wollte ihm aufhelfen, als er sich verwirrt umsah, aber Mara schob mich schneller zur Seite als ich begreifen konnte, dass sie Silas' Aufwachen mitbekommen hatte.

Sie legte ihre Hände an seine Wangen, sah ihn eindringlich an, fragte, ob es ihm gut ging. Er schien noch verwirrt zu sein und konnte nur nicken, ehe seine Halbschwester ihm auch schon um den Hals fiel.

Ich kniete neben ihm und legte meine Hand auf seine Schulter. Er sah mich an. Ich sah ihn an. Er musste nur nicken und ein erschöpftes Lächeln lächeln und ich wusste, was ich hatte wissen wollen. Dass es ihm gut ging. Den Umständen entsprechend zumindest.

Auch die Aktionen der anderen schienen zu helfen, denn in der Zeit, als Mara und ich uns Silas angenommen hatten, waren auch Dale und Chad bearbeitet worden und nun dabei, ihr Bewusstsein wieder zu erlangen.

Wir halfen den dreien auf die Beine. Sie standen etwas wackelig, aber wir stützten sie durch erleichterte Umarmungen, als wir bemerkten, dass sie okay waren.

Bei Raphael und Austin aber sah es da etwas anders aus. Sie lagen nach wie vor regungslos auf dem Boden.

„Austin braucht sein Blut. Wenn es ihm wieder besser geht, kann er Raphael heilen" Diese Aussage von Silas reichte, damit ich mir Austin schnappte, ihn hochhob und ins Haus trug, während Charlie dasselbe bei Raphael machte.

„Wo bekommen wir jetzt auf die Schnelle das richtige Blut her?", fragte Alica mit besorgten Blick auf unsere Patienten, als wir sie auf dem Sofa ablegten.

„Ich geh es schnell holen. Ihr bleibt hier und passt auf" Charlie warf mir einen kurzen Blick zu und war dann auch schon weg.

Ich sah leidend runter zu Austin, dessen Haut fahl und ziemlich ungesund aussah. Die sichtbaren Nadelstiche in seinem Hals besorgten mich sehr.

Raphael dagegen war obenrum entkleidet, er hatte Schnitte auf dem Oberkörper und ebenfalls Nadeltische. Ich wollte gar nicht wissen, was sie mit ihm gemacht hatten.

Silas saß vor dem Sofa auf dem Boden, hielt Raphaels Hand und sah seinem Freund die ganze Zeit erwartungsvoll ins Gesicht. Aber nichts passierte.

Claire und Amy holten Chad, Silas und Dale erstmal was zu trinken, weil sie noch ein wenig benommen waren, und ließen sich erzählen, was alles passiert war.

Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, aber das reichte aus, um zu wissen, dass sich der Engel wohl doch direkt eingemischt hatte.

Aber wieso? Ich wusste nach wie vor nicht, was Charlie ihm versprochen hatte, doch wurde das Gefühl nicht los, es konnte mir nicht gefallen.

Warum sonst hätte Charlie mich beim Abschließen des Deals wegschicken sollen?

Schneller als erwartet war Charlie wieder zurück, mit einem fertigen Blutshake für Austin und drei Konserven.

Wie damals, als er nichts hatte trinken können, weil er schon fast ausgeblutet gewesen war, nachdem er abgestochen wurde, legte Charlie ihm einen Zugang und ließ das Blut somit in ihn fließen. Es dauerte einige Zeit, bis es Wirkung zeigte, aber man erkannte nach etwa einer Stunde, dass seine Haut wieder einen gesünderen Ton annahm. Das war wohl in der letzten Sekunde gewesen...

Indes stellten wir fest, dass wir mit Raphaels Erwachen nicht warten mussten, bis Austin ihn heilte, denn nach einer weiteren Stunde, wurde er von allein wach, wirkte aber so, als hätte er einen Mords Kater.

Während Silas ihm half, sich aufzusetzen, reichte Alica auch ihm erstmal ein Wasserglas, als würde das alles wieder gut machen, als könnte er sich seine Schmerzen oder die Erinnerungen einfach wegspülen...

Raphael trank ein paar Schlücke, übergab Alica das Glas dann wieder. Er sah sich verwirrt und überprüfend zugleich um und stellte dabei fest, dass alle in Sicherheit waren.

Ich saß mittlerweile schon längere Zeit auf Charlies Schoß, ließ mich tröstend von ihm festhalten und hatte den Kopf auf seiner Schulter abgelegt.

Ich konnte zusehen, wie Raphael, sofort nachdem er festgestellt hatte, dass es alles so weit gut ging, nach Silas griff und ihn in den Arm nahm.

Ich konnte feststellen, wie erleichtert alle waren.
Ich konnte feststellen, dass Dale seinen Blick keine Sekunde von Austin löste, es so wirkte, als würde er auf ihn aufpassen, obwohl er Abstand zu ihm hielt, offensichtlich, weil Chad alles andere missfallen würde.
Ich konnte feststellen, dass man meinen könnte, ab jetzt wurde alles gut.

Das Problem war halt nur: Das hier war erst der Anfang.

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